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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Im ganzen ist aber der Verlagsbuchhandel ein Sport oder ein Lotteriespiel,
nur kein Spiel, bei dem man mühelos einsetzt, um mühelos zu gewinnen,
sondern ein mühevolles Streben, das doch in nenn von zehn Fällen äfft.
Das ist eine Sache für sich. Es lohnte sich vielleicht, einmal über diese Dinge
zu schreiben. Hier handelt es sich mir darum, unsre erste Frage zu beant¬
worten, ob der Lohnznschlag, den die Druckereiarbeiter fordern, auf die Auf¬
traggeber der Druckereien, und dabei zunächst auf die Zeitungs-, Zeitschrifteu-
und Bücherverleger und deren Abonnenten und Käufer abgewälzt werden könnte.
Das ist aber nicht der Fall. Die Vuchdruckereibesitzer haben zum Teil die
Absicht, den Arbeitern ihren guten Willen dadurch zu zeigen, daß sie wenigstens
in bescheidnen Maße deren Wünschen entgegenkommen; sie hoffen eben, sich
bei ihren eignen Auftraggebern Ersatz holen zu können ; aber anch sie sind
dabei wohl nicht ganz klar über die Sachlage. Der Verlagsbuchhandel hat
selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die für ihn aus den Verhältnissen im
Druckgewerbe erwachsen. Die Zeitschriften- und Zeitungsverleger haben zum
großen Teil gar keinen Spielraum: eine Erhöhung ihrer Kosten kann ihre
Unternehmungen lebensunfähig machen; bei kontraktmäßigen Lieferungen, wie
Ncgiernngsarbeiten, sind die Buchdrucker gebunden -- es wird wenig Gebiete
geben, wo sie ohne weiteres Preisaufschläge wagen dürften.

Wenn das Publikum von einem Streik hört, und, wie hier, von einem
allgemeinen, der ein ganzes Gewerbe in ganz Deutschland umfaßt, so nimmt
es an, daß in der That einer Gesamtheit von Arbeitern eine Gesamtheit von
Prinzipalen gegenüberstehe. Aber die Sache liegt bei den Buchdruckern ganz
anders. Der Lohntarif, der die Grundlage der Forderungen der Arbeiter
bildet -- eigentlich ist es eine ganze Reihe von Tarifen für ganz verschiedne
Leistungen --, wird uur in einer Anzahl von Städten streng eingehalten und
hat eigentlich überhaupt nur für eine beschränkte Arbeitergenossenschaft Geltung,
die bei weitem nicht die Gesamtheit aller im Gewerbe Angestellten umfaßt.
Neben den Hauptstädten des Druckgewerbes besteht eine namhafte Druckerei¬
industrie verstreut im ganzen Lande, in den kleinen und großen Provinzial-
städten. Diese Städte haben ihre eignen Lokal- und Provinzialblätter, und deren
Druckereien haben schon längst begonnen, neben den Aeeidenzarbeiten (kleinern
Drucksachen, wie Rechnungen, Zirkularen, Katalogen usw.), die ihnen aus dem
Ortsbedarf zufallen, größere Arbeiten, Werkdruck, zu übernehmen und sich darauf
einzurichten. Es sind große Druckereien entstanden, die lebhaft mit den Hcmpt-
druckorten konkurriren, und sie sind dazu wohl imstande, weil sie, und das
ist der wesentliche Punkt, Arbeiter beschäftige", die dem Streikverbande nicht
angehören und nicht nach dem Tarif bezahlt werden, der dem Verband gegen¬
über als Grundlage gilt/") Die Prvvinzialdruckereien arbeiten nicht zu Tarif-



^) Dieser Tarif beruhte auf Vereinbarungen zwischen den KvrMschafteu der Gehilfen
und der Prinzipale, ist aber seit dem letzten Streik autonome Einrichtung der Prinzipale, an

Im ganzen ist aber der Verlagsbuchhandel ein Sport oder ein Lotteriespiel,
nur kein Spiel, bei dem man mühelos einsetzt, um mühelos zu gewinnen,
sondern ein mühevolles Streben, das doch in nenn von zehn Fällen äfft.
Das ist eine Sache für sich. Es lohnte sich vielleicht, einmal über diese Dinge
zu schreiben. Hier handelt es sich mir darum, unsre erste Frage zu beant¬
worten, ob der Lohnznschlag, den die Druckereiarbeiter fordern, auf die Auf¬
traggeber der Druckereien, und dabei zunächst auf die Zeitungs-, Zeitschrifteu-
und Bücherverleger und deren Abonnenten und Käufer abgewälzt werden könnte.
Das ist aber nicht der Fall. Die Vuchdruckereibesitzer haben zum Teil die
Absicht, den Arbeitern ihren guten Willen dadurch zu zeigen, daß sie wenigstens
in bescheidnen Maße deren Wünschen entgegenkommen; sie hoffen eben, sich
bei ihren eignen Auftraggebern Ersatz holen zu können ; aber anch sie sind
dabei wohl nicht ganz klar über die Sachlage. Der Verlagsbuchhandel hat
selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die für ihn aus den Verhältnissen im
Druckgewerbe erwachsen. Die Zeitschriften- und Zeitungsverleger haben zum
großen Teil gar keinen Spielraum: eine Erhöhung ihrer Kosten kann ihre
Unternehmungen lebensunfähig machen; bei kontraktmäßigen Lieferungen, wie
Ncgiernngsarbeiten, sind die Buchdrucker gebunden — es wird wenig Gebiete
geben, wo sie ohne weiteres Preisaufschläge wagen dürften.

Wenn das Publikum von einem Streik hört, und, wie hier, von einem
allgemeinen, der ein ganzes Gewerbe in ganz Deutschland umfaßt, so nimmt
es an, daß in der That einer Gesamtheit von Arbeitern eine Gesamtheit von
Prinzipalen gegenüberstehe. Aber die Sache liegt bei den Buchdruckern ganz
anders. Der Lohntarif, der die Grundlage der Forderungen der Arbeiter
bildet — eigentlich ist es eine ganze Reihe von Tarifen für ganz verschiedne
Leistungen —, wird uur in einer Anzahl von Städten streng eingehalten und
hat eigentlich überhaupt nur für eine beschränkte Arbeitergenossenschaft Geltung,
die bei weitem nicht die Gesamtheit aller im Gewerbe Angestellten umfaßt.
Neben den Hauptstädten des Druckgewerbes besteht eine namhafte Druckerei¬
industrie verstreut im ganzen Lande, in den kleinen und großen Provinzial-
städten. Diese Städte haben ihre eignen Lokal- und Provinzialblätter, und deren
Druckereien haben schon längst begonnen, neben den Aeeidenzarbeiten (kleinern
Drucksachen, wie Rechnungen, Zirkularen, Katalogen usw.), die ihnen aus dem
Ortsbedarf zufallen, größere Arbeiten, Werkdruck, zu übernehmen und sich darauf
einzurichten. Es sind große Druckereien entstanden, die lebhaft mit den Hcmpt-
druckorten konkurriren, und sie sind dazu wohl imstande, weil sie, und das
ist der wesentliche Punkt, Arbeiter beschäftige», die dem Streikverbande nicht
angehören und nicht nach dem Tarif bezahlt werden, der dem Verband gegen¬
über als Grundlage gilt/") Die Prvvinzialdruckereien arbeiten nicht zu Tarif-



^) Dieser Tarif beruhte auf Vereinbarungen zwischen den KvrMschafteu der Gehilfen
und der Prinzipale, ist aber seit dem letzten Streik autonome Einrichtung der Prinzipale, an
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[0564] Im ganzen ist aber der Verlagsbuchhandel ein Sport oder ein Lotteriespiel, nur kein Spiel, bei dem man mühelos einsetzt, um mühelos zu gewinnen, sondern ein mühevolles Streben, das doch in nenn von zehn Fällen äfft. Das ist eine Sache für sich. Es lohnte sich vielleicht, einmal über diese Dinge zu schreiben. Hier handelt es sich mir darum, unsre erste Frage zu beant¬ worten, ob der Lohnznschlag, den die Druckereiarbeiter fordern, auf die Auf¬ traggeber der Druckereien, und dabei zunächst auf die Zeitungs-, Zeitschrifteu- und Bücherverleger und deren Abonnenten und Käufer abgewälzt werden könnte. Das ist aber nicht der Fall. Die Vuchdruckereibesitzer haben zum Teil die Absicht, den Arbeitern ihren guten Willen dadurch zu zeigen, daß sie wenigstens in bescheidnen Maße deren Wünschen entgegenkommen; sie hoffen eben, sich bei ihren eignen Auftraggebern Ersatz holen zu können ; aber anch sie sind dabei wohl nicht ganz klar über die Sachlage. Der Verlagsbuchhandel hat selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die für ihn aus den Verhältnissen im Druckgewerbe erwachsen. Die Zeitschriften- und Zeitungsverleger haben zum großen Teil gar keinen Spielraum: eine Erhöhung ihrer Kosten kann ihre Unternehmungen lebensunfähig machen; bei kontraktmäßigen Lieferungen, wie Ncgiernngsarbeiten, sind die Buchdrucker gebunden — es wird wenig Gebiete geben, wo sie ohne weiteres Preisaufschläge wagen dürften. Wenn das Publikum von einem Streik hört, und, wie hier, von einem allgemeinen, der ein ganzes Gewerbe in ganz Deutschland umfaßt, so nimmt es an, daß in der That einer Gesamtheit von Arbeitern eine Gesamtheit von Prinzipalen gegenüberstehe. Aber die Sache liegt bei den Buchdruckern ganz anders. Der Lohntarif, der die Grundlage der Forderungen der Arbeiter bildet — eigentlich ist es eine ganze Reihe von Tarifen für ganz verschiedne Leistungen —, wird uur in einer Anzahl von Städten streng eingehalten und hat eigentlich überhaupt nur für eine beschränkte Arbeitergenossenschaft Geltung, die bei weitem nicht die Gesamtheit aller im Gewerbe Angestellten umfaßt. Neben den Hauptstädten des Druckgewerbes besteht eine namhafte Druckerei¬ industrie verstreut im ganzen Lande, in den kleinen und großen Provinzial- städten. Diese Städte haben ihre eignen Lokal- und Provinzialblätter, und deren Druckereien haben schon längst begonnen, neben den Aeeidenzarbeiten (kleinern Drucksachen, wie Rechnungen, Zirkularen, Katalogen usw.), die ihnen aus dem Ortsbedarf zufallen, größere Arbeiten, Werkdruck, zu übernehmen und sich darauf einzurichten. Es sind große Druckereien entstanden, die lebhaft mit den Hcmpt- druckorten konkurriren, und sie sind dazu wohl imstande, weil sie, und das ist der wesentliche Punkt, Arbeiter beschäftige», die dem Streikverbande nicht angehören und nicht nach dem Tarif bezahlt werden, der dem Verband gegen¬ über als Grundlage gilt/") Die Prvvinzialdruckereien arbeiten nicht zu Tarif- ^) Dieser Tarif beruhte auf Vereinbarungen zwischen den KvrMschafteu der Gehilfen und der Prinzipale, ist aber seit dem letzten Streik autonome Einrichtung der Prinzipale, an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/564>, abgerufen am 01.09.2024.