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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

erkannt ist, und für die nicht etwa Privatleute, sondern städtische, unter Um¬
ständen vielleicht auch staatliche Behörden zu sorgen haben, seien noch einige Be¬
merkungen gestattet. Die unrichtige Schreibweise kann ohne Zweifel nur in ver¬
schwindenden Ausnahmefällen auf unmittelbares Verschulden oder Unwissenheit
der Verantwortlicher städtischen Verwaltungsbeamten zurückgeführt werdeu, sondern
hat höchstens in Nachlässigkeit ihren Grund. Die Bemerkung der Redaktion in
der Fußnote auf Seite 419, daß die Fabriken, die die Schilder herstellen,
solchen Unsinn liefern, und die Behörden, die den Auftrag erteilen, sich das ge¬
fallen lassen, trifft den Nagel auf den Kopf. Mau muß nur wissen, wie die
Sache in der Regel vor sich geht. Wenn Straßenschilder erforderlich sind, so werden
untere Beamte mit der Zusammenstellung einer Liste beauftragt, und wenn sich
nicht einer der städtischen obern Verwaltungsbeamten die Mühe nimmt, die Liste
auf die Richtigkeit der Schreibweise zu prüfen, so bleibt eben das stehen, was der
Subalterne geschrieben hat, und die Fabriken arbeiten darnach. Viele Städte haben
nun ihre Straßentafeln von Fabriken in Emailarbeit herstellen lassen und werden,
da die Tafeln nicht gerade billig sind, schwerlich geneigt sein, solche mit unrichtigen
Bezeichnungen einfach wegzuwerfen. Leichter wird die Abstellung des Übelstandes
da sein, wo noch in alter Weise die Straßennamen auf Blechtafeln oder unmittelbar
an die Häuser gemalt sind. Hier kann mit wenig Kosten Abhilfe geschafft werden.
Was aber die Vermeidung einer unrichtigen Schreibweise sür neu herzustellende
Tafeln betrifft, so scheint es mir, daß Herr Landgerichtsrat Bruns in Torgau (der
vorschlägt, mit den Maleriunungen in Verbindung zu treten) und Professor Stier
(der den Rat giebt, daß der Sprachverein als solcher Eingaben an die Stadt¬
verwaltung mache) die Schwierigkeiten doch überschätzen. Ich möchte den Bürger¬
meister sehen -- oder richtiger, ich mochte ihn nicht sehen --, der einer anch nur
mündlichen Anregung, sei es beim Glase Bier, sei es in einer förmlichen Unter¬
redung in seinem Amtszimmer, nicht gern Folge gäbe und bereitwillig die Hand
dazu böte, daß offenbar unrichtige Bezeichnungen vermieden würden! Dazu bedarf
es doch wahrlich nicht erst eines Beschlusses des Magistrats, das kann und wird
er allein machen. Zufällig habe ich etwa vierzehn Tage vor dem Erscheinen des
ersten Teils des Aufsatzes in den Grenzboten etwa neunzig Straßentafeln anfertigen
lassen müssen. Ohne Anregung von außen habe ich selbst das ganze Verzeichnis
durchgesehen und, nach privater Besprechung mit Sachkundigen wegen einzelner
zweifelhafter Fälle, die Unrichtigkeiten beseitigt. Sicherlich geht es auf diese ein¬
f Lin Bürgermeister ache Weise auch anderswo.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

erkannt ist, und für die nicht etwa Privatleute, sondern städtische, unter Um¬
ständen vielleicht auch staatliche Behörden zu sorgen haben, seien noch einige Be¬
merkungen gestattet. Die unrichtige Schreibweise kann ohne Zweifel nur in ver¬
schwindenden Ausnahmefällen auf unmittelbares Verschulden oder Unwissenheit
der Verantwortlicher städtischen Verwaltungsbeamten zurückgeführt werdeu, sondern
hat höchstens in Nachlässigkeit ihren Grund. Die Bemerkung der Redaktion in
der Fußnote auf Seite 419, daß die Fabriken, die die Schilder herstellen,
solchen Unsinn liefern, und die Behörden, die den Auftrag erteilen, sich das ge¬
fallen lassen, trifft den Nagel auf den Kopf. Mau muß nur wissen, wie die
Sache in der Regel vor sich geht. Wenn Straßenschilder erforderlich sind, so werden
untere Beamte mit der Zusammenstellung einer Liste beauftragt, und wenn sich
nicht einer der städtischen obern Verwaltungsbeamten die Mühe nimmt, die Liste
auf die Richtigkeit der Schreibweise zu prüfen, so bleibt eben das stehen, was der
Subalterne geschrieben hat, und die Fabriken arbeiten darnach. Viele Städte haben
nun ihre Straßentafeln von Fabriken in Emailarbeit herstellen lassen und werden,
da die Tafeln nicht gerade billig sind, schwerlich geneigt sein, solche mit unrichtigen
Bezeichnungen einfach wegzuwerfen. Leichter wird die Abstellung des Übelstandes
da sein, wo noch in alter Weise die Straßennamen auf Blechtafeln oder unmittelbar
an die Häuser gemalt sind. Hier kann mit wenig Kosten Abhilfe geschafft werden.
Was aber die Vermeidung einer unrichtigen Schreibweise sür neu herzustellende
Tafeln betrifft, so scheint es mir, daß Herr Landgerichtsrat Bruns in Torgau (der
vorschlägt, mit den Maleriunungen in Verbindung zu treten) und Professor Stier
(der den Rat giebt, daß der Sprachverein als solcher Eingaben an die Stadt¬
verwaltung mache) die Schwierigkeiten doch überschätzen. Ich möchte den Bürger¬
meister sehen — oder richtiger, ich mochte ihn nicht sehen —, der einer anch nur
mündlichen Anregung, sei es beim Glase Bier, sei es in einer förmlichen Unter¬
redung in seinem Amtszimmer, nicht gern Folge gäbe und bereitwillig die Hand
dazu böte, daß offenbar unrichtige Bezeichnungen vermieden würden! Dazu bedarf
es doch wahrlich nicht erst eines Beschlusses des Magistrats, das kann und wird
er allein machen. Zufällig habe ich etwa vierzehn Tage vor dem Erscheinen des
ersten Teils des Aufsatzes in den Grenzboten etwa neunzig Straßentafeln anfertigen
lassen müssen. Ohne Anregung von außen habe ich selbst das ganze Verzeichnis
durchgesehen und, nach privater Besprechung mit Sachkundigen wegen einzelner
zweifelhafter Fälle, die Unrichtigkeiten beseitigt. Sicherlich geht es auf diese ein¬
f Lin Bürgermeister ache Weise auch anderswo.


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[0551] Maßgebliches und Unmaßgebliches erkannt ist, und für die nicht etwa Privatleute, sondern städtische, unter Um¬ ständen vielleicht auch staatliche Behörden zu sorgen haben, seien noch einige Be¬ merkungen gestattet. Die unrichtige Schreibweise kann ohne Zweifel nur in ver¬ schwindenden Ausnahmefällen auf unmittelbares Verschulden oder Unwissenheit der Verantwortlicher städtischen Verwaltungsbeamten zurückgeführt werdeu, sondern hat höchstens in Nachlässigkeit ihren Grund. Die Bemerkung der Redaktion in der Fußnote auf Seite 419, daß die Fabriken, die die Schilder herstellen, solchen Unsinn liefern, und die Behörden, die den Auftrag erteilen, sich das ge¬ fallen lassen, trifft den Nagel auf den Kopf. Mau muß nur wissen, wie die Sache in der Regel vor sich geht. Wenn Straßenschilder erforderlich sind, so werden untere Beamte mit der Zusammenstellung einer Liste beauftragt, und wenn sich nicht einer der städtischen obern Verwaltungsbeamten die Mühe nimmt, die Liste auf die Richtigkeit der Schreibweise zu prüfen, so bleibt eben das stehen, was der Subalterne geschrieben hat, und die Fabriken arbeiten darnach. Viele Städte haben nun ihre Straßentafeln von Fabriken in Emailarbeit herstellen lassen und werden, da die Tafeln nicht gerade billig sind, schwerlich geneigt sein, solche mit unrichtigen Bezeichnungen einfach wegzuwerfen. Leichter wird die Abstellung des Übelstandes da sein, wo noch in alter Weise die Straßennamen auf Blechtafeln oder unmittelbar an die Häuser gemalt sind. Hier kann mit wenig Kosten Abhilfe geschafft werden. Was aber die Vermeidung einer unrichtigen Schreibweise sür neu herzustellende Tafeln betrifft, so scheint es mir, daß Herr Landgerichtsrat Bruns in Torgau (der vorschlägt, mit den Maleriunungen in Verbindung zu treten) und Professor Stier (der den Rat giebt, daß der Sprachverein als solcher Eingaben an die Stadt¬ verwaltung mache) die Schwierigkeiten doch überschätzen. Ich möchte den Bürger¬ meister sehen — oder richtiger, ich mochte ihn nicht sehen —, der einer anch nur mündlichen Anregung, sei es beim Glase Bier, sei es in einer förmlichen Unter¬ redung in seinem Amtszimmer, nicht gern Folge gäbe und bereitwillig die Hand dazu böte, daß offenbar unrichtige Bezeichnungen vermieden würden! Dazu bedarf es doch wahrlich nicht erst eines Beschlusses des Magistrats, das kann und wird er allein machen. Zufällig habe ich etwa vierzehn Tage vor dem Erscheinen des ersten Teils des Aufsatzes in den Grenzboten etwa neunzig Straßentafeln anfertigen lassen müssen. Ohne Anregung von außen habe ich selbst das ganze Verzeichnis durchgesehen und, nach privater Besprechung mit Sachkundigen wegen einzelner zweifelhafter Fälle, die Unrichtigkeiten beseitigt. Sicherlich geht es auf diese ein¬ f Lin Bürgermeister ache Weise auch anderswo.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/551>, abgerufen am 01.09.2024.