Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Ausnahmezustand im Reichslande

Ganz anders wird das Gefühl eines "Ausnahmezustandes" in der Bevölkerung
geweckt durch Maßregeln, aus denen der einfache Mann aus dem Volke mit seiner
durch keine wissenschaftliche Bildung verdorbnen Logik den Schluß zieht, daß auch
andre Behörden und Beamte als der persönliche Vertreter des Kaisers bedenklich
weitgehende diskretionäre Befugnisse haben oder sich anmaßen dürfen. Und der¬
artige Vorkommnisse haben wir ini Elsaß die Jahre her leider so manche zu ver¬
zeichnen gehabt. Als die von dem Statthalter unterdrückte sozialdemokratische Volks¬
zeitung in neuer Gestalt wieder auftauchen sollte, ging die Nachricht durch die Presse,
daß das Wiedererscheinen des Blattes von dem Bezirkspräsidenteu verboten worden sei.
Das war -- die Richtigkeit vorausgesetzt -- eine Maßregel, die von dem Statt¬
halter ans Grund des Diktaturparagraphen getroffen werden konnte, die dagegen,
wenn sie von dem Bezirkspräsidenteu ausging, mit dem Artikel 1 des Gesetzes vom
11. Mai 1863 in Widerspruch stand. Ein andres Bild. Wir haben den unglaub¬
lichen Zustand, daß der einfache Kreisdirektor auf Grund des Dekrets vom 29. De¬
zember 1851 ohne weiteres die Schließung jeder Wirtschaft verfügen kann: 1. zu¬
folge einer einzigen Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen die den Berufszweig
der Wirte betreffenden Gesetze und Verordnungen und 2. als Maßregel der öffent¬
lichen Sicherheit. Auf dieser Grundlage ist -- um ein besonders interessantes Beispiel
anzuführen -- am 28. September 1892 der Beschluß eines Kreisdircktors zustande
gekommen, in dem es von einer Wirtin, die sieben Jahre straflos ihre Wirtschaft
betrieben hatte, hieß, daß sie wegen Überschreitung der Polizeistunde mit einer
Geldbuße von drei Mark bestraft worden sei, "somit" nicht die nötige Gewähr für
eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung biete; die Gastwirtschaft wurde geschlossen.
Daß es sich in Wirklichkeit nur darum handelte, daß man in dem Lokale einen Ver¬
sammlungsort von Sozialdemokraten vermutete, wußte jedermann. Die Untersuchung
aber, die man wegen AbHaltens einer unerlaubten Versammlung einleitete, mußte ein¬
gestellt werden. Die verflossene Volkszeitung hatte damals wahrlich Recht, wenn sie
zu dem Vorfalle die Randglosse machte: "Der Schlag, der damit geführt werden
soll, trifft nicht uns, sondern das derzeitige Regiment!" Daß derartige Wirtschafts-
schließnngen, wie sie in Markirch usw. vorgekommen sind, in der Bevölkerung den
Eindruck eines Ausnahmezustandes erwecken, wer kann sich darüber wundern? Nun
erst die herrlichen Bestimmungen, deren wir uns auf dem Gebiete des Preß- und
Vereinswesens erfreuen! Nicht viele in Deutschland dürften wissen, daß nach dem
Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Juli 1850 jeder Zeitungsartikel, der Politische, philo¬
sophische oder religiöse Fragen behandelt, bei einer Geldstrafe von 500 und
1000 Franks "von dem Verfasser unterzeichnet sein muß," jede falsche Unterschrift
aber mit Geldstrafe von 1000 Franks und 6 Monaten Gefängnis geahndet wird.
Diese Bestimmung, durch die die Anonymität der Presse aus der Welt geschafft ist,
besteht zu Recht, sie wird nur -- wie es bei Leoni in seinem vorzüglichen Buche
über das reichslündische Staatsrecht heißt -- "nicht mehr beachtet." Wenn aber
sieben angesehene, persönlich ehrenhafte Männer eine ultramontane Versammlung ein¬
berufen nud die Anzeige, statt bei dem Kreisdirektor, bei dem Bürgermeister ein¬
reichen, dann muß -- weil es eine veraltete Bestimmung will -- ein großer Prozeß
eingeleitet werden, der mit der Verurteilung der sieben zu je drei Mark ausgeht.
Auf Befragen im Landesausschuß erklärte die Negierung, sie habe den Prozeß lebhaft
bedauert, aber die Vorschriften des Gesetzes müßten ohne Rücksicht auf die Personen
befolgt werden. Man kann sich weitere Einzelheiten sparen. Daß ein derartiger
Wirrwarr von veralteten Gesetzesbestimmungen und eine für den Laien und auch
für andre manchmal schwer verständliche Handhabung der Rechtspflege die bittere


Grenzboten I 1896 68
Der Ausnahmezustand im Reichslande

Ganz anders wird das Gefühl eines „Ausnahmezustandes" in der Bevölkerung
geweckt durch Maßregeln, aus denen der einfache Mann aus dem Volke mit seiner
durch keine wissenschaftliche Bildung verdorbnen Logik den Schluß zieht, daß auch
andre Behörden und Beamte als der persönliche Vertreter des Kaisers bedenklich
weitgehende diskretionäre Befugnisse haben oder sich anmaßen dürfen. Und der¬
artige Vorkommnisse haben wir ini Elsaß die Jahre her leider so manche zu ver¬
zeichnen gehabt. Als die von dem Statthalter unterdrückte sozialdemokratische Volks¬
zeitung in neuer Gestalt wieder auftauchen sollte, ging die Nachricht durch die Presse,
daß das Wiedererscheinen des Blattes von dem Bezirkspräsidenteu verboten worden sei.
Das war — die Richtigkeit vorausgesetzt — eine Maßregel, die von dem Statt¬
halter ans Grund des Diktaturparagraphen getroffen werden konnte, die dagegen,
wenn sie von dem Bezirkspräsidenteu ausging, mit dem Artikel 1 des Gesetzes vom
11. Mai 1863 in Widerspruch stand. Ein andres Bild. Wir haben den unglaub¬
lichen Zustand, daß der einfache Kreisdirektor auf Grund des Dekrets vom 29. De¬
zember 1851 ohne weiteres die Schließung jeder Wirtschaft verfügen kann: 1. zu¬
folge einer einzigen Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen die den Berufszweig
der Wirte betreffenden Gesetze und Verordnungen und 2. als Maßregel der öffent¬
lichen Sicherheit. Auf dieser Grundlage ist — um ein besonders interessantes Beispiel
anzuführen — am 28. September 1892 der Beschluß eines Kreisdircktors zustande
gekommen, in dem es von einer Wirtin, die sieben Jahre straflos ihre Wirtschaft
betrieben hatte, hieß, daß sie wegen Überschreitung der Polizeistunde mit einer
Geldbuße von drei Mark bestraft worden sei, „somit" nicht die nötige Gewähr für
eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung biete; die Gastwirtschaft wurde geschlossen.
Daß es sich in Wirklichkeit nur darum handelte, daß man in dem Lokale einen Ver¬
sammlungsort von Sozialdemokraten vermutete, wußte jedermann. Die Untersuchung
aber, die man wegen AbHaltens einer unerlaubten Versammlung einleitete, mußte ein¬
gestellt werden. Die verflossene Volkszeitung hatte damals wahrlich Recht, wenn sie
zu dem Vorfalle die Randglosse machte: „Der Schlag, der damit geführt werden
soll, trifft nicht uns, sondern das derzeitige Regiment!" Daß derartige Wirtschafts-
schließnngen, wie sie in Markirch usw. vorgekommen sind, in der Bevölkerung den
Eindruck eines Ausnahmezustandes erwecken, wer kann sich darüber wundern? Nun
erst die herrlichen Bestimmungen, deren wir uns auf dem Gebiete des Preß- und
Vereinswesens erfreuen! Nicht viele in Deutschland dürften wissen, daß nach dem
Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Juli 1850 jeder Zeitungsartikel, der Politische, philo¬
sophische oder religiöse Fragen behandelt, bei einer Geldstrafe von 500 und
1000 Franks „von dem Verfasser unterzeichnet sein muß," jede falsche Unterschrift
aber mit Geldstrafe von 1000 Franks und 6 Monaten Gefängnis geahndet wird.
Diese Bestimmung, durch die die Anonymität der Presse aus der Welt geschafft ist,
besteht zu Recht, sie wird nur — wie es bei Leoni in seinem vorzüglichen Buche
über das reichslündische Staatsrecht heißt — „nicht mehr beachtet." Wenn aber
sieben angesehene, persönlich ehrenhafte Männer eine ultramontane Versammlung ein¬
berufen nud die Anzeige, statt bei dem Kreisdirektor, bei dem Bürgermeister ein¬
reichen, dann muß — weil es eine veraltete Bestimmung will — ein großer Prozeß
eingeleitet werden, der mit der Verurteilung der sieben zu je drei Mark ausgeht.
Auf Befragen im Landesausschuß erklärte die Negierung, sie habe den Prozeß lebhaft
bedauert, aber die Vorschriften des Gesetzes müßten ohne Rücksicht auf die Personen
befolgt werden. Man kann sich weitere Einzelheiten sparen. Daß ein derartiger
Wirrwarr von veralteten Gesetzesbestimmungen und eine für den Laien und auch
für andre manchmal schwer verständliche Handhabung der Rechtspflege die bittere


Grenzboten I 1896 68
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222191"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Ausnahmezustand im Reichslande</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1947" next="#ID_1948"> Ganz anders wird das Gefühl eines &#x201E;Ausnahmezustandes" in der Bevölkerung<lb/>
geweckt durch Maßregeln, aus denen der einfache Mann aus dem Volke mit seiner<lb/>
durch keine wissenschaftliche Bildung verdorbnen Logik den Schluß zieht, daß auch<lb/>
andre Behörden und Beamte als der persönliche Vertreter des Kaisers bedenklich<lb/>
weitgehende diskretionäre Befugnisse haben oder sich anmaßen dürfen. Und der¬<lb/>
artige Vorkommnisse haben wir ini Elsaß die Jahre her leider so manche zu ver¬<lb/>
zeichnen gehabt. Als die von dem Statthalter unterdrückte sozialdemokratische Volks¬<lb/>
zeitung in neuer Gestalt wieder auftauchen sollte, ging die Nachricht durch die Presse,<lb/>
daß das Wiedererscheinen des Blattes von dem Bezirkspräsidenteu verboten worden sei.<lb/>
Das war &#x2014; die Richtigkeit vorausgesetzt &#x2014; eine Maßregel, die von dem Statt¬<lb/>
halter ans Grund des Diktaturparagraphen getroffen werden konnte, die dagegen,<lb/>
wenn sie von dem Bezirkspräsidenteu ausging, mit dem Artikel 1 des Gesetzes vom<lb/>
11. Mai 1863 in Widerspruch stand. Ein andres Bild. Wir haben den unglaub¬<lb/>
lichen Zustand, daß der einfache Kreisdirektor auf Grund des Dekrets vom 29. De¬<lb/>
zember 1851 ohne weiteres die Schließung jeder Wirtschaft verfügen kann: 1. zu¬<lb/>
folge einer einzigen Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen die den Berufszweig<lb/>
der Wirte betreffenden Gesetze und Verordnungen und 2. als Maßregel der öffent¬<lb/>
lichen Sicherheit. Auf dieser Grundlage ist &#x2014; um ein besonders interessantes Beispiel<lb/>
anzuführen &#x2014; am 28. September 1892 der Beschluß eines Kreisdircktors zustande<lb/>
gekommen, in dem es von einer Wirtin, die sieben Jahre straflos ihre Wirtschaft<lb/>
betrieben hatte, hieß, daß sie wegen Überschreitung der Polizeistunde mit einer<lb/>
Geldbuße von drei Mark bestraft worden sei, &#x201E;somit" nicht die nötige Gewähr für<lb/>
eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung biete; die Gastwirtschaft wurde geschlossen.<lb/>
Daß es sich in Wirklichkeit nur darum handelte, daß man in dem Lokale einen Ver¬<lb/>
sammlungsort von Sozialdemokraten vermutete, wußte jedermann. Die Untersuchung<lb/>
aber, die man wegen AbHaltens einer unerlaubten Versammlung einleitete, mußte ein¬<lb/>
gestellt werden. Die verflossene Volkszeitung hatte damals wahrlich Recht, wenn sie<lb/>
zu dem Vorfalle die Randglosse machte: &#x201E;Der Schlag, der damit geführt werden<lb/>
soll, trifft nicht uns, sondern das derzeitige Regiment!" Daß derartige Wirtschafts-<lb/>
schließnngen, wie sie in Markirch usw. vorgekommen sind, in der Bevölkerung den<lb/>
Eindruck eines Ausnahmezustandes erwecken, wer kann sich darüber wundern? Nun<lb/>
erst die herrlichen Bestimmungen, deren wir uns auf dem Gebiete des Preß- und<lb/>
Vereinswesens erfreuen! Nicht viele in Deutschland dürften wissen, daß nach dem<lb/>
Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Juli 1850 jeder Zeitungsartikel, der Politische, philo¬<lb/>
sophische oder religiöse Fragen behandelt, bei einer Geldstrafe von 500 und<lb/>
1000 Franks &#x201E;von dem Verfasser unterzeichnet sein muß," jede falsche Unterschrift<lb/>
aber mit Geldstrafe von 1000 Franks und 6 Monaten Gefängnis geahndet wird.<lb/>
Diese Bestimmung, durch die die Anonymität der Presse aus der Welt geschafft ist,<lb/>
besteht zu Recht, sie wird nur &#x2014; wie es bei Leoni in seinem vorzüglichen Buche<lb/>
über das reichslündische Staatsrecht heißt &#x2014; &#x201E;nicht mehr beachtet." Wenn aber<lb/>
sieben angesehene, persönlich ehrenhafte Männer eine ultramontane Versammlung ein¬<lb/>
berufen nud die Anzeige, statt bei dem Kreisdirektor, bei dem Bürgermeister ein¬<lb/>
reichen, dann muß &#x2014; weil es eine veraltete Bestimmung will &#x2014; ein großer Prozeß<lb/>
eingeleitet werden, der mit der Verurteilung der sieben zu je drei Mark ausgeht.<lb/>
Auf Befragen im Landesausschuß erklärte die Negierung, sie habe den Prozeß lebhaft<lb/>
bedauert, aber die Vorschriften des Gesetzes müßten ohne Rücksicht auf die Personen<lb/>
befolgt werden. Man kann sich weitere Einzelheiten sparen. Daß ein derartiger<lb/>
Wirrwarr von veralteten Gesetzesbestimmungen und eine für den Laien und auch<lb/>
für andre manchmal schwer verständliche Handhabung der Rechtspflege die bittere</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1896 68</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0545] Der Ausnahmezustand im Reichslande Ganz anders wird das Gefühl eines „Ausnahmezustandes" in der Bevölkerung geweckt durch Maßregeln, aus denen der einfache Mann aus dem Volke mit seiner durch keine wissenschaftliche Bildung verdorbnen Logik den Schluß zieht, daß auch andre Behörden und Beamte als der persönliche Vertreter des Kaisers bedenklich weitgehende diskretionäre Befugnisse haben oder sich anmaßen dürfen. Und der¬ artige Vorkommnisse haben wir ini Elsaß die Jahre her leider so manche zu ver¬ zeichnen gehabt. Als die von dem Statthalter unterdrückte sozialdemokratische Volks¬ zeitung in neuer Gestalt wieder auftauchen sollte, ging die Nachricht durch die Presse, daß das Wiedererscheinen des Blattes von dem Bezirkspräsidenteu verboten worden sei. Das war — die Richtigkeit vorausgesetzt — eine Maßregel, die von dem Statt¬ halter ans Grund des Diktaturparagraphen getroffen werden konnte, die dagegen, wenn sie von dem Bezirkspräsidenteu ausging, mit dem Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Mai 1863 in Widerspruch stand. Ein andres Bild. Wir haben den unglaub¬ lichen Zustand, daß der einfache Kreisdirektor auf Grund des Dekrets vom 29. De¬ zember 1851 ohne weiteres die Schließung jeder Wirtschaft verfügen kann: 1. zu¬ folge einer einzigen Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen die den Berufszweig der Wirte betreffenden Gesetze und Verordnungen und 2. als Maßregel der öffent¬ lichen Sicherheit. Auf dieser Grundlage ist — um ein besonders interessantes Beispiel anzuführen — am 28. September 1892 der Beschluß eines Kreisdircktors zustande gekommen, in dem es von einer Wirtin, die sieben Jahre straflos ihre Wirtschaft betrieben hatte, hieß, daß sie wegen Überschreitung der Polizeistunde mit einer Geldbuße von drei Mark bestraft worden sei, „somit" nicht die nötige Gewähr für eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung biete; die Gastwirtschaft wurde geschlossen. Daß es sich in Wirklichkeit nur darum handelte, daß man in dem Lokale einen Ver¬ sammlungsort von Sozialdemokraten vermutete, wußte jedermann. Die Untersuchung aber, die man wegen AbHaltens einer unerlaubten Versammlung einleitete, mußte ein¬ gestellt werden. Die verflossene Volkszeitung hatte damals wahrlich Recht, wenn sie zu dem Vorfalle die Randglosse machte: „Der Schlag, der damit geführt werden soll, trifft nicht uns, sondern das derzeitige Regiment!" Daß derartige Wirtschafts- schließnngen, wie sie in Markirch usw. vorgekommen sind, in der Bevölkerung den Eindruck eines Ausnahmezustandes erwecken, wer kann sich darüber wundern? Nun erst die herrlichen Bestimmungen, deren wir uns auf dem Gebiete des Preß- und Vereinswesens erfreuen! Nicht viele in Deutschland dürften wissen, daß nach dem Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Juli 1850 jeder Zeitungsartikel, der Politische, philo¬ sophische oder religiöse Fragen behandelt, bei einer Geldstrafe von 500 und 1000 Franks „von dem Verfasser unterzeichnet sein muß," jede falsche Unterschrift aber mit Geldstrafe von 1000 Franks und 6 Monaten Gefängnis geahndet wird. Diese Bestimmung, durch die die Anonymität der Presse aus der Welt geschafft ist, besteht zu Recht, sie wird nur — wie es bei Leoni in seinem vorzüglichen Buche über das reichslündische Staatsrecht heißt — „nicht mehr beachtet." Wenn aber sieben angesehene, persönlich ehrenhafte Männer eine ultramontane Versammlung ein¬ berufen nud die Anzeige, statt bei dem Kreisdirektor, bei dem Bürgermeister ein¬ reichen, dann muß — weil es eine veraltete Bestimmung will — ein großer Prozeß eingeleitet werden, der mit der Verurteilung der sieben zu je drei Mark ausgeht. Auf Befragen im Landesausschuß erklärte die Negierung, sie habe den Prozeß lebhaft bedauert, aber die Vorschriften des Gesetzes müßten ohne Rücksicht auf die Personen befolgt werden. Man kann sich weitere Einzelheiten sparen. Daß ein derartiger Wirrwarr von veralteten Gesetzesbestimmungen und eine für den Laien und auch für andre manchmal schwer verständliche Handhabung der Rechtspflege die bittere Grenzboten I 1896 68

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/545
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/545>, abgerufen am 01.09.2024.