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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die erste Liebe
Lharlotte Niese von (Fortsetzung

eumaun war niemals ein sehr großartiger Charakter gewesen, obgleich
er für die Freiheit gekämpft hatte; aber er gehörte vielleicht nicht
zu den schlechten Menschen. Er dachte vor allein an sich, that aber
mich andern nichts zu leide und hatte das lebhafte Bedürfnis, mit
gebildeten, womöglich auch vornehmen Menschen zu Verkehren. Dieses
Bedürfnis hatte er immer gehabt, und sein Aufenthalt im Westen von
Nordamerika hatte es nicht verringert. Dort hatte er nämlich fast zwanzig Jahre ge¬
lebt und ein nuscheinend recht beträchtliches Vermöge" erworben. Gelegentlich erzählte
er diese Thatsache, aber nichts näheres von seinem Leben dort. Es fragte ihn auch
niemand darnach. Er war ein früherer Offizier und Waffenbruder Ravensteius, das
war für den ausschlaggebenden Stammtisch in der Weinstube genügend; und Raven-
stein machte sich von dem Leben in Amerika eine so allgemeine, freundliche Vor¬
stellung, daß er gar nicht weiter darüber nachdachte, was man dort wohl thun
könne. Nach seiner Ansicht schoß mau dort sehr kapitale graue Bären und löschte
seinen Durst später an einer Quelle, deren Steine goldhaltig waren. Dort mußte
man also sehr leicht reich werden können, und es that dem guten Baron nur leid,
daß er nicht in seiner Jugend auch einmal drüben gewesen war. Die Baronin hatte
noch liebenswürdigere Gedanken über Amerika. Die grauen Bären waren ihr
gleichgültig, sie dachte mehr an Paradiesvögel und Diamanten und an ein fröh¬
liches, sorgenloses Leben, ohne Rechnungen und ohne Mahnbriefe. Wenn um auch
Herr Neumann gelegentlich eine Äußerung that, die darauf schließen ließ, daß die
Paradiesvögel nud die Diamanten nicht gerade eine hervorragende Rolle in seinem
Leben gespielt hätten, so achtete doch Ada wenig darauf. Sie war im Laufe des Sommers
wieder ganz vertraut mit Nenmnnn geworden, und wenn sie auch sein etwas un¬
geschicktes Wesen manchmal langweilte, so ergötzte es sie doch, ihn etwas erziehen
zu können. Sie gewohnte ihm seine englischen Redensarten, seinen schweren, eng¬
lischen Accent ab, sie gab ihm einige Anweisungen in der feinern Lebensart, und
der ehemalige Leutnant lernte schnell und eifrig. Er hatte doch das Bewußtsein,
daß ihm etwas abhanden gekommen sei, und seine Gelehrigkeit machte der Baronin
Freude. Zum Dank für ihre Geduld war Neumann der aufmerksamste Zuhörer bei
deu Erzählungen des Barons. Obgleich er einen guten Inspektor angenommen hatte,
fragte er doch den Baron bei jeder Kleinigkeit um Rat; er ließ sich von ihm im
Pistolenschießen unterweisen, obgleich er selbst ein guter Schütze z" sein schien, und




Die erste Liebe
Lharlotte Niese von (Fortsetzung

eumaun war niemals ein sehr großartiger Charakter gewesen, obgleich
er für die Freiheit gekämpft hatte; aber er gehörte vielleicht nicht
zu den schlechten Menschen. Er dachte vor allein an sich, that aber
mich andern nichts zu leide und hatte das lebhafte Bedürfnis, mit
gebildeten, womöglich auch vornehmen Menschen zu Verkehren. Dieses
Bedürfnis hatte er immer gehabt, und sein Aufenthalt im Westen von
Nordamerika hatte es nicht verringert. Dort hatte er nämlich fast zwanzig Jahre ge¬
lebt und ein nuscheinend recht beträchtliches Vermöge» erworben. Gelegentlich erzählte
er diese Thatsache, aber nichts näheres von seinem Leben dort. Es fragte ihn auch
niemand darnach. Er war ein früherer Offizier und Waffenbruder Ravensteius, das
war für den ausschlaggebenden Stammtisch in der Weinstube genügend; und Raven-
stein machte sich von dem Leben in Amerika eine so allgemeine, freundliche Vor¬
stellung, daß er gar nicht weiter darüber nachdachte, was man dort wohl thun
könne. Nach seiner Ansicht schoß mau dort sehr kapitale graue Bären und löschte
seinen Durst später an einer Quelle, deren Steine goldhaltig waren. Dort mußte
man also sehr leicht reich werden können, und es that dem guten Baron nur leid,
daß er nicht in seiner Jugend auch einmal drüben gewesen war. Die Baronin hatte
noch liebenswürdigere Gedanken über Amerika. Die grauen Bären waren ihr
gleichgültig, sie dachte mehr an Paradiesvögel und Diamanten und an ein fröh¬
liches, sorgenloses Leben, ohne Rechnungen und ohne Mahnbriefe. Wenn um auch
Herr Neumann gelegentlich eine Äußerung that, die darauf schließen ließ, daß die
Paradiesvögel nud die Diamanten nicht gerade eine hervorragende Rolle in seinem
Leben gespielt hätten, so achtete doch Ada wenig darauf. Sie war im Laufe des Sommers
wieder ganz vertraut mit Nenmnnn geworden, und wenn sie auch sein etwas un¬
geschicktes Wesen manchmal langweilte, so ergötzte es sie doch, ihn etwas erziehen
zu können. Sie gewohnte ihm seine englischen Redensarten, seinen schweren, eng¬
lischen Accent ab, sie gab ihm einige Anweisungen in der feinern Lebensart, und
der ehemalige Leutnant lernte schnell und eifrig. Er hatte doch das Bewußtsein,
daß ihm etwas abhanden gekommen sei, und seine Gelehrigkeit machte der Baronin
Freude. Zum Dank für ihre Geduld war Neumann der aufmerksamste Zuhörer bei
deu Erzählungen des Barons. Obgleich er einen guten Inspektor angenommen hatte,
fragte er doch den Baron bei jeder Kleinigkeit um Rat; er ließ sich von ihm im
Pistolenschießen unterweisen, obgleich er selbst ein guter Schütze z» sein schien, und


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[0536] [Abbildung] Die erste Liebe Lharlotte Niese von (Fortsetzung eumaun war niemals ein sehr großartiger Charakter gewesen, obgleich er für die Freiheit gekämpft hatte; aber er gehörte vielleicht nicht zu den schlechten Menschen. Er dachte vor allein an sich, that aber mich andern nichts zu leide und hatte das lebhafte Bedürfnis, mit gebildeten, womöglich auch vornehmen Menschen zu Verkehren. Dieses Bedürfnis hatte er immer gehabt, und sein Aufenthalt im Westen von Nordamerika hatte es nicht verringert. Dort hatte er nämlich fast zwanzig Jahre ge¬ lebt und ein nuscheinend recht beträchtliches Vermöge» erworben. Gelegentlich erzählte er diese Thatsache, aber nichts näheres von seinem Leben dort. Es fragte ihn auch niemand darnach. Er war ein früherer Offizier und Waffenbruder Ravensteius, das war für den ausschlaggebenden Stammtisch in der Weinstube genügend; und Raven- stein machte sich von dem Leben in Amerika eine so allgemeine, freundliche Vor¬ stellung, daß er gar nicht weiter darüber nachdachte, was man dort wohl thun könne. Nach seiner Ansicht schoß mau dort sehr kapitale graue Bären und löschte seinen Durst später an einer Quelle, deren Steine goldhaltig waren. Dort mußte man also sehr leicht reich werden können, und es that dem guten Baron nur leid, daß er nicht in seiner Jugend auch einmal drüben gewesen war. Die Baronin hatte noch liebenswürdigere Gedanken über Amerika. Die grauen Bären waren ihr gleichgültig, sie dachte mehr an Paradiesvögel und Diamanten und an ein fröh¬ liches, sorgenloses Leben, ohne Rechnungen und ohne Mahnbriefe. Wenn um auch Herr Neumann gelegentlich eine Äußerung that, die darauf schließen ließ, daß die Paradiesvögel nud die Diamanten nicht gerade eine hervorragende Rolle in seinem Leben gespielt hätten, so achtete doch Ada wenig darauf. Sie war im Laufe des Sommers wieder ganz vertraut mit Nenmnnn geworden, und wenn sie auch sein etwas un¬ geschicktes Wesen manchmal langweilte, so ergötzte es sie doch, ihn etwas erziehen zu können. Sie gewohnte ihm seine englischen Redensarten, seinen schweren, eng¬ lischen Accent ab, sie gab ihm einige Anweisungen in der feinern Lebensart, und der ehemalige Leutnant lernte schnell und eifrig. Er hatte doch das Bewußtsein, daß ihm etwas abhanden gekommen sei, und seine Gelehrigkeit machte der Baronin Freude. Zum Dank für ihre Geduld war Neumann der aufmerksamste Zuhörer bei deu Erzählungen des Barons. Obgleich er einen guten Inspektor angenommen hatte, fragte er doch den Baron bei jeder Kleinigkeit um Rat; er ließ sich von ihm im Pistolenschießen unterweisen, obgleich er selbst ein guter Schütze z» sein schien, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/536>, abgerufen am 01.09.2024.