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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Grundbesitz, Landwirtschaft und Tandardeiter in England

die bedeutendsten Grundbesitzer mit ihm zu einer Petition vereinigt hätten.
Auch da reicht der Große zuerst Zuckerbrod, den Widerspenstigen aber droht
er mit allem, was er an Macht besitzt, g,8 g. nrg.At8trg.t6, g.8 g. tora ot' eilf
nrgnor, Ä8 g.11 impropristor ok eilf.tMros ^Zehntberechtigter^. Wer hat den
Mut, dagegen aufzutreten und zu behaupten, daß die Mehrheit gegen den
Plan sei? Und wem, es nicht am Mut fehlt, wer will die beträchtlichen
Kosten auf sich nehmen, die die Opposition im Parlament erfordert? Nun be¬
ginnen die Einhegungskommissare ihre Thätigkeit; ihre Entscheidung ist that¬
sächlich endgiltig. Wenn an die Vierteljahrssitzungen appellirt wird, dann ist
der, gegen den vorgegangen werden soll, mit im Kollegium. Die Kommissare
sind gewöhnlich Sachwalter (irttoriuzz^) und werden von dem oder denen er¬
nannt, die das meiste Interesse an der Einhegung haben. Sie wiederum haben
ein Interesse daran, die zu verpflichten, von denen sie ernannt werden, denn
das Geschäft ist einträglich. Haben sie zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber
gewirkt, dann dürfen sie hoffen, weiter empfohlen zu werden. Im Parlament
gehen dann die Gesetzentwürfe dnrch, ohne Beachtung zu erregen. Außer den
Gutsherren sind die Geistlichen an den Einhegungen interessirt, denn je größer
diese sind, desto mehr wächst der Zehnt." An einer andern Stelle, wo von
der Verdrängung der Ackerhäusler die Rede ist, sagt Hasbach: "Sie standen
zu vielen Interessen im Wege. Der rentenbegierige Lnndlord, der zehnt¬
vermehrende Geistliche, der Großpächter, der gern die ganze Weide für sein
Vieh gehabt Hütte, und dem der landpachtende und viehbcsitzende Tagelöhner
zu selbständig war: sie stimmten darin überein, daß die Köller (ooUg.o'ör8) dem
Interesse der Gesamtheit geopfert werden müßten." Mit diesen kleinen Zeit¬
pächtern, die so gut wie gar kein juristisches Recht hatten, sondern bloß die
allgemeine menschliche Daseinsberechtignng, die ja im Rechtsstaate nichts gilt,
wurde natürlich nicht viel Federlesens gemacht; sie wurden einfach fortgejagt,
und ihre Hütten wurden weggerissen oder niedergebrannt. Ebenso erging es
den 8^UÄtt6i-8 oder d"rÄg,rii8, Leuten, die sich in herrenlosen Einöden angesiedelt
hatten, wenn man ihr Land oder ihre Arbeitskraft begehrte.

Das zweite, was uns von Hasbach bestätigt wird, ist die planmäßige
Vernichtung des kleinen Grundbesitzes zu dem Zweck, den Großunternehmern,
sowohl industriellen als landwirtschaftlichen, billige und allezeit willige Ar¬
beiter zu schaffen. Wie soll denn eine große Gutswirtschaft oder ein großes
industrielles Unternehmen zustande kommen und bestehen, wenn alle Familien
im Lande vom Ertrage ihres Ackers und ihrer Weide leben? Die englischen
Politiker und Volkswirte des siebzehnten und des achtzehnten Jahrhunderts
waren keine nervenschwachen alte Jungfern, wie die norddeutsche Allgemeine
Zeitung, die in Ohnmacht oder in Krämpfe fällt, wenn man die nicht durchweg
schönen politischen und wirtschaftlichen Dinge mit ihrem richtigen Namen nennt.
Sowohl die Gegner wie die Freunde der großen agrarischen Umwälzung haben


Grundbesitz, Landwirtschaft und Tandardeiter in England

die bedeutendsten Grundbesitzer mit ihm zu einer Petition vereinigt hätten.
Auch da reicht der Große zuerst Zuckerbrod, den Widerspenstigen aber droht
er mit allem, was er an Macht besitzt, g,8 g. nrg.At8trg.t6, g.8 g. tora ot' eilf
nrgnor, Ä8 g.11 impropristor ok eilf.tMros ^Zehntberechtigter^. Wer hat den
Mut, dagegen aufzutreten und zu behaupten, daß die Mehrheit gegen den
Plan sei? Und wem, es nicht am Mut fehlt, wer will die beträchtlichen
Kosten auf sich nehmen, die die Opposition im Parlament erfordert? Nun be¬
ginnen die Einhegungskommissare ihre Thätigkeit; ihre Entscheidung ist that¬
sächlich endgiltig. Wenn an die Vierteljahrssitzungen appellirt wird, dann ist
der, gegen den vorgegangen werden soll, mit im Kollegium. Die Kommissare
sind gewöhnlich Sachwalter (irttoriuzz^) und werden von dem oder denen er¬
nannt, die das meiste Interesse an der Einhegung haben. Sie wiederum haben
ein Interesse daran, die zu verpflichten, von denen sie ernannt werden, denn
das Geschäft ist einträglich. Haben sie zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber
gewirkt, dann dürfen sie hoffen, weiter empfohlen zu werden. Im Parlament
gehen dann die Gesetzentwürfe dnrch, ohne Beachtung zu erregen. Außer den
Gutsherren sind die Geistlichen an den Einhegungen interessirt, denn je größer
diese sind, desto mehr wächst der Zehnt." An einer andern Stelle, wo von
der Verdrängung der Ackerhäusler die Rede ist, sagt Hasbach: „Sie standen
zu vielen Interessen im Wege. Der rentenbegierige Lnndlord, der zehnt¬
vermehrende Geistliche, der Großpächter, der gern die ganze Weide für sein
Vieh gehabt Hütte, und dem der landpachtende und viehbcsitzende Tagelöhner
zu selbständig war: sie stimmten darin überein, daß die Köller (ooUg.o'ör8) dem
Interesse der Gesamtheit geopfert werden müßten." Mit diesen kleinen Zeit¬
pächtern, die so gut wie gar kein juristisches Recht hatten, sondern bloß die
allgemeine menschliche Daseinsberechtignng, die ja im Rechtsstaate nichts gilt,
wurde natürlich nicht viel Federlesens gemacht; sie wurden einfach fortgejagt,
und ihre Hütten wurden weggerissen oder niedergebrannt. Ebenso erging es
den 8^UÄtt6i-8 oder d»rÄg,rii8, Leuten, die sich in herrenlosen Einöden angesiedelt
hatten, wenn man ihr Land oder ihre Arbeitskraft begehrte.

Das zweite, was uns von Hasbach bestätigt wird, ist die planmäßige
Vernichtung des kleinen Grundbesitzes zu dem Zweck, den Großunternehmern,
sowohl industriellen als landwirtschaftlichen, billige und allezeit willige Ar¬
beiter zu schaffen. Wie soll denn eine große Gutswirtschaft oder ein großes
industrielles Unternehmen zustande kommen und bestehen, wenn alle Familien
im Lande vom Ertrage ihres Ackers und ihrer Weide leben? Die englischen
Politiker und Volkswirte des siebzehnten und des achtzehnten Jahrhunderts
waren keine nervenschwachen alte Jungfern, wie die norddeutsche Allgemeine
Zeitung, die in Ohnmacht oder in Krämpfe fällt, wenn man die nicht durchweg
schönen politischen und wirtschaftlichen Dinge mit ihrem richtigen Namen nennt.
Sowohl die Gegner wie die Freunde der großen agrarischen Umwälzung haben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/508>, abgerufen am 01.09.2024.