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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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An Bord von M. Brandenburg

s war um 6. August 1894, früh nach 7 Uhr, als ich an der See¬
burgbrücke in Kiel ein Boot nahm, um mich nach der "Branden¬
burg" hinüber rudern zu lassen. Es handelte sich nicht um einen
kurzen Besuch des mächtigen Schlachtschiffs, sondern um eine längere
Fahrt in See zur Erprobung der Maschinen, zu der mich ein
jüngerer, mir seit Jahren befreundeter Offizier mit freundlicher Er¬
laubnis des Kommandanten eingeladen hatte. Der Himmel war in seinem untern
Teile bewölkt, ein feiner weißer Dunst lag über der glatten, graublauen Wasser¬
fläche der Kieler Fvhrde und verhüllte wie mit einem dünnen Schleier die er¬
wachende, lärmende Stadt mit dem Mastenwalde ihres Handelshafens, das hohe
alte Schloß, die grünen Laubmassen der herrlichen Düsternbrooker Allee mit den
Anhöhen dahinter und den reizenden Villen in ihren Gärten, dem mächtigen, rot¬
gelben Bau der kaiserlichen Marineakademie, gegenüber die Häuser von Ellerbeck,
die langen Werkstättengebäude und die Masten und Schlote der kaiserlichen Werft.
Nur wenige Kriegsschiffe lagen auf dem "Strom," in der Mittellinie der Fvhrde:
ganz hinten nach dem Handelshafen zu die "Kaiserin Augusta," in Reparatur
begriffen und also nicht im Dienst, dann der neue Kreuzer "Gefion," ein mäch¬
tiges Schiff mit drei Schornsteinen und zwei Gefechtsmasten, der alten schlanken
Namensschwester Eckernförder Angedenkens möglichst unähnlich, endlich der kleine
"Hildebrand," ein Panzer vierter Klasse von gedrungnem Bau mit einem Mast.
Dazwischen streckte sich der riesige, lange Rumpf der "Brandenburg," einförmig
graublau gestrichen vom Topp bis zum Wasserspiegel, ohne irgend welches
blinkende Metallstück, denu auch die Geschütze trugen dieselbe Farbe, sodaß in
der That ein modernes deutsches Kriegsschiff auf See nur ganz verschwommne
Umrisse zeigt und bei einigermaßen nebligem, "tiesigen" Wetter von Wasser und
Himmel kaum zu unterscheiden ist. Nur vorn, an dem scharfen, weit ausladenden
Rammbng glänzte der rote brandenburgische Adler in vergoldeten Verzierungen,
und am Heat kochte die Nationalflagge vom Stock. Wie anders nahm sich früher
ein großes Kriegsschiff ans, in seinen schlanken, eleganten Linien, mit seinen
langen Reihen von Stückpforten und Weißen Bnttcriestreifen, aus denen die blanken
Geschütze hervorsnhen, mit dem vergoldeten Schnitzwerk am Heat, der weißen
Gallionfigur am Bug, der ragenden, hohen und breiten Takelage! Auf See ver¬
mochte noch vor zehn Jahren in größerer Entfernung nur ein geübtes Auge ein
Kriegsschiff von einem größern Handelsdampfer zu unterscheiden, vor allem an der
Stellung der Masten und der Breite der Racien; hente erkennt auch die unschul¬
digste Landratte ein Panzerschiff, wenn sie nur einmal eines gesehen hat, ans
der Stelle, denn alle Ähnlichkeit ist verschwunden. Unter Ausbauten aller Art,
Kajüten, Kommandohaus, Kommandobrücke, Panzertürmen und großen, an den
Seiten aufgehängten Booten (auf der "Brandenburg" zwölf), verschwindet beinahe




An Bord von M. Brandenburg

s war um 6. August 1894, früh nach 7 Uhr, als ich an der See¬
burgbrücke in Kiel ein Boot nahm, um mich nach der „Branden¬
burg" hinüber rudern zu lassen. Es handelte sich nicht um einen
kurzen Besuch des mächtigen Schlachtschiffs, sondern um eine längere
Fahrt in See zur Erprobung der Maschinen, zu der mich ein
jüngerer, mir seit Jahren befreundeter Offizier mit freundlicher Er¬
laubnis des Kommandanten eingeladen hatte. Der Himmel war in seinem untern
Teile bewölkt, ein feiner weißer Dunst lag über der glatten, graublauen Wasser¬
fläche der Kieler Fvhrde und verhüllte wie mit einem dünnen Schleier die er¬
wachende, lärmende Stadt mit dem Mastenwalde ihres Handelshafens, das hohe
alte Schloß, die grünen Laubmassen der herrlichen Düsternbrooker Allee mit den
Anhöhen dahinter und den reizenden Villen in ihren Gärten, dem mächtigen, rot¬
gelben Bau der kaiserlichen Marineakademie, gegenüber die Häuser von Ellerbeck,
die langen Werkstättengebäude und die Masten und Schlote der kaiserlichen Werft.
Nur wenige Kriegsschiffe lagen auf dem „Strom," in der Mittellinie der Fvhrde:
ganz hinten nach dem Handelshafen zu die „Kaiserin Augusta," in Reparatur
begriffen und also nicht im Dienst, dann der neue Kreuzer „Gefion," ein mäch¬
tiges Schiff mit drei Schornsteinen und zwei Gefechtsmasten, der alten schlanken
Namensschwester Eckernförder Angedenkens möglichst unähnlich, endlich der kleine
„Hildebrand," ein Panzer vierter Klasse von gedrungnem Bau mit einem Mast.
Dazwischen streckte sich der riesige, lange Rumpf der „Brandenburg," einförmig
graublau gestrichen vom Topp bis zum Wasserspiegel, ohne irgend welches
blinkende Metallstück, denu auch die Geschütze trugen dieselbe Farbe, sodaß in
der That ein modernes deutsches Kriegsschiff auf See nur ganz verschwommne
Umrisse zeigt und bei einigermaßen nebligem, „tiesigen" Wetter von Wasser und
Himmel kaum zu unterscheiden ist. Nur vorn, an dem scharfen, weit ausladenden
Rammbng glänzte der rote brandenburgische Adler in vergoldeten Verzierungen,
und am Heat kochte die Nationalflagge vom Stock. Wie anders nahm sich früher
ein großes Kriegsschiff ans, in seinen schlanken, eleganten Linien, mit seinen
langen Reihen von Stückpforten und Weißen Bnttcriestreifen, aus denen die blanken
Geschütze hervorsnhen, mit dem vergoldeten Schnitzwerk am Heat, der weißen
Gallionfigur am Bug, der ragenden, hohen und breiten Takelage! Auf See ver¬
mochte noch vor zehn Jahren in größerer Entfernung nur ein geübtes Auge ein
Kriegsschiff von einem größern Handelsdampfer zu unterscheiden, vor allem an der
Stellung der Masten und der Breite der Racien; hente erkennt auch die unschul¬
digste Landratte ein Panzerschiff, wenn sie nur einmal eines gesehen hat, ans
der Stelle, denn alle Ähnlichkeit ist verschwunden. Unter Ausbauten aller Art,
Kajüten, Kommandohaus, Kommandobrücke, Panzertürmen und großen, an den
Seiten aufgehängten Booten (auf der „Brandenburg" zwölf), verschwindet beinahe


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[0484] [Abbildung] An Bord von M. Brandenburg s war um 6. August 1894, früh nach 7 Uhr, als ich an der See¬ burgbrücke in Kiel ein Boot nahm, um mich nach der „Branden¬ burg" hinüber rudern zu lassen. Es handelte sich nicht um einen kurzen Besuch des mächtigen Schlachtschiffs, sondern um eine längere Fahrt in See zur Erprobung der Maschinen, zu der mich ein jüngerer, mir seit Jahren befreundeter Offizier mit freundlicher Er¬ laubnis des Kommandanten eingeladen hatte. Der Himmel war in seinem untern Teile bewölkt, ein feiner weißer Dunst lag über der glatten, graublauen Wasser¬ fläche der Kieler Fvhrde und verhüllte wie mit einem dünnen Schleier die er¬ wachende, lärmende Stadt mit dem Mastenwalde ihres Handelshafens, das hohe alte Schloß, die grünen Laubmassen der herrlichen Düsternbrooker Allee mit den Anhöhen dahinter und den reizenden Villen in ihren Gärten, dem mächtigen, rot¬ gelben Bau der kaiserlichen Marineakademie, gegenüber die Häuser von Ellerbeck, die langen Werkstättengebäude und die Masten und Schlote der kaiserlichen Werft. Nur wenige Kriegsschiffe lagen auf dem „Strom," in der Mittellinie der Fvhrde: ganz hinten nach dem Handelshafen zu die „Kaiserin Augusta," in Reparatur begriffen und also nicht im Dienst, dann der neue Kreuzer „Gefion," ein mäch¬ tiges Schiff mit drei Schornsteinen und zwei Gefechtsmasten, der alten schlanken Namensschwester Eckernförder Angedenkens möglichst unähnlich, endlich der kleine „Hildebrand," ein Panzer vierter Klasse von gedrungnem Bau mit einem Mast. Dazwischen streckte sich der riesige, lange Rumpf der „Brandenburg," einförmig graublau gestrichen vom Topp bis zum Wasserspiegel, ohne irgend welches blinkende Metallstück, denu auch die Geschütze trugen dieselbe Farbe, sodaß in der That ein modernes deutsches Kriegsschiff auf See nur ganz verschwommne Umrisse zeigt und bei einigermaßen nebligem, „tiesigen" Wetter von Wasser und Himmel kaum zu unterscheiden ist. Nur vorn, an dem scharfen, weit ausladenden Rammbng glänzte der rote brandenburgische Adler in vergoldeten Verzierungen, und am Heat kochte die Nationalflagge vom Stock. Wie anders nahm sich früher ein großes Kriegsschiff ans, in seinen schlanken, eleganten Linien, mit seinen langen Reihen von Stückpforten und Weißen Bnttcriestreifen, aus denen die blanken Geschütze hervorsnhen, mit dem vergoldeten Schnitzwerk am Heat, der weißen Gallionfigur am Bug, der ragenden, hohen und breiten Takelage! Auf See ver¬ mochte noch vor zehn Jahren in größerer Entfernung nur ein geübtes Auge ein Kriegsschiff von einem größern Handelsdampfer zu unterscheiden, vor allem an der Stellung der Masten und der Breite der Racien; hente erkennt auch die unschul¬ digste Landratte ein Panzerschiff, wenn sie nur einmal eines gesehen hat, ans der Stelle, denn alle Ähnlichkeit ist verschwunden. Unter Ausbauten aller Art, Kajüten, Kommandohaus, Kommandobrücke, Panzertürmen und großen, an den Seiten aufgehängten Booten (auf der „Brandenburg" zwölf), verschwindet beinahe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/484>, abgerufen am 26.11.2024.