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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Gustav zu Putlitz

Ausdruck zu der Beseelung, Knappheit und Kraft zu erhöhen, die unvergänglich
sind und sich unvergeßlich einprägen. Immer wieder stand ihm infolge seiner
Erziehung, seiner gesellschaftlichen Atmosphäre und seiner künstlerischen Gewohn¬
heit der äußere Schein der Dinge über ihrem innersten Wesen, die Bühne über
dem Leben. "Rolf Bernb" ist ein mit sicherer Hand gebautes Schauspiel
und läßt an theatralischer Wirksamkeit viele bedeutendere Dichtungen hinter sich.
Aber nach einem unerschütterlichen Gesetz steht die Sache doch so. daß der
Theatererfolg des Tages, des Jahres, des Jahrzehnts beinahe ausschließlich
dieser Art von geschickten, technisch tadellosen Werken gehört. Doch eben dieser
Erfolg verbürgt keine Dauer. Die Dramen, die, in langen Zwischenrünmen
wiederkehrend, erst nach wechselndem Glück und Mißgeschick nur schwer die
Bretter gewinnen, die um der Größe und Eigentümlichkeit ihrer Welt- und
Menschendarstellung, um der innern Gewalt ihrer Gestalten, um des unver¬
gänglichen Hauchs echten Lebens willen, trotz starker theatralischer Mängel, nach
Menschenaltern wieder ergreifen und fesseln, die nicht der Bühne angepaßt sind,
sondern denen sich die Bühne bis auf einen gewissen Punkt anpassen muß
und, sobald die Zeit gekommen ist, auch anpaßt -- sind mit wenigen Aus¬
nahmen auch die, die den eisernen Bestand der bleibenden dramatischen Lit¬
teratur bilden. Selbst in seiner letzten, reifsten Periode gelangte Putlitz uicht
dahin, das von ihm poetisch zu verkörpernde Stück Leben für großer, wichtiger
und wirksamer zu halten, als die szenische Überlieferung, die unbedingte Über¬
einstimmung mit wirklichen und vermeinten Bedürfnissen der Bretter.

Der Dichter überlebte das letzte Scheiden aus seiner theatralischen Thätig¬
keit kaum ein Jahr, er starb am 5. September 1890 auf seinem Stammgutc Retzin.
Die Biographie, die sein Leben und Schaffen so ausführlich schildert, rückt in
schlichter Wärme vor allem das Bild des vorzüglichen und liebenswürdigen
Menschen, des geistig Strebenden, der in freiwillig übernommner Pflicht rastlos
thätig war, dem Leser nahe. Sie wird aber auch der Anlaß sein, daß die
Persönlichkeit des Dichters treuer und deutlicher in der Erinnerung lebt, als
es die Theaterzettel, auf denen der Name Gustav zu Putlitz ja noch lange
wiederkehren wird, bewirken könnten.




Gustav zu Putlitz

Ausdruck zu der Beseelung, Knappheit und Kraft zu erhöhen, die unvergänglich
sind und sich unvergeßlich einprägen. Immer wieder stand ihm infolge seiner
Erziehung, seiner gesellschaftlichen Atmosphäre und seiner künstlerischen Gewohn¬
heit der äußere Schein der Dinge über ihrem innersten Wesen, die Bühne über
dem Leben. „Rolf Bernb" ist ein mit sicherer Hand gebautes Schauspiel
und läßt an theatralischer Wirksamkeit viele bedeutendere Dichtungen hinter sich.
Aber nach einem unerschütterlichen Gesetz steht die Sache doch so. daß der
Theatererfolg des Tages, des Jahres, des Jahrzehnts beinahe ausschließlich
dieser Art von geschickten, technisch tadellosen Werken gehört. Doch eben dieser
Erfolg verbürgt keine Dauer. Die Dramen, die, in langen Zwischenrünmen
wiederkehrend, erst nach wechselndem Glück und Mißgeschick nur schwer die
Bretter gewinnen, die um der Größe und Eigentümlichkeit ihrer Welt- und
Menschendarstellung, um der innern Gewalt ihrer Gestalten, um des unver¬
gänglichen Hauchs echten Lebens willen, trotz starker theatralischer Mängel, nach
Menschenaltern wieder ergreifen und fesseln, die nicht der Bühne angepaßt sind,
sondern denen sich die Bühne bis auf einen gewissen Punkt anpassen muß
und, sobald die Zeit gekommen ist, auch anpaßt — sind mit wenigen Aus¬
nahmen auch die, die den eisernen Bestand der bleibenden dramatischen Lit¬
teratur bilden. Selbst in seiner letzten, reifsten Periode gelangte Putlitz uicht
dahin, das von ihm poetisch zu verkörpernde Stück Leben für großer, wichtiger
und wirksamer zu halten, als die szenische Überlieferung, die unbedingte Über¬
einstimmung mit wirklichen und vermeinten Bedürfnissen der Bretter.

Der Dichter überlebte das letzte Scheiden aus seiner theatralischen Thätig¬
keit kaum ein Jahr, er starb am 5. September 1890 auf seinem Stammgutc Retzin.
Die Biographie, die sein Leben und Schaffen so ausführlich schildert, rückt in
schlichter Wärme vor allem das Bild des vorzüglichen und liebenswürdigen
Menschen, des geistig Strebenden, der in freiwillig übernommner Pflicht rastlos
thätig war, dem Leser nahe. Sie wird aber auch der Anlaß sein, daß die
Persönlichkeit des Dichters treuer und deutlicher in der Erinnerung lebt, als
es die Theaterzettel, auf denen der Name Gustav zu Putlitz ja noch lange
wiederkehren wird, bewirken könnten.




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[0483] Gustav zu Putlitz Ausdruck zu der Beseelung, Knappheit und Kraft zu erhöhen, die unvergänglich sind und sich unvergeßlich einprägen. Immer wieder stand ihm infolge seiner Erziehung, seiner gesellschaftlichen Atmosphäre und seiner künstlerischen Gewohn¬ heit der äußere Schein der Dinge über ihrem innersten Wesen, die Bühne über dem Leben. „Rolf Bernb" ist ein mit sicherer Hand gebautes Schauspiel und läßt an theatralischer Wirksamkeit viele bedeutendere Dichtungen hinter sich. Aber nach einem unerschütterlichen Gesetz steht die Sache doch so. daß der Theatererfolg des Tages, des Jahres, des Jahrzehnts beinahe ausschließlich dieser Art von geschickten, technisch tadellosen Werken gehört. Doch eben dieser Erfolg verbürgt keine Dauer. Die Dramen, die, in langen Zwischenrünmen wiederkehrend, erst nach wechselndem Glück und Mißgeschick nur schwer die Bretter gewinnen, die um der Größe und Eigentümlichkeit ihrer Welt- und Menschendarstellung, um der innern Gewalt ihrer Gestalten, um des unver¬ gänglichen Hauchs echten Lebens willen, trotz starker theatralischer Mängel, nach Menschenaltern wieder ergreifen und fesseln, die nicht der Bühne angepaßt sind, sondern denen sich die Bühne bis auf einen gewissen Punkt anpassen muß und, sobald die Zeit gekommen ist, auch anpaßt — sind mit wenigen Aus¬ nahmen auch die, die den eisernen Bestand der bleibenden dramatischen Lit¬ teratur bilden. Selbst in seiner letzten, reifsten Periode gelangte Putlitz uicht dahin, das von ihm poetisch zu verkörpernde Stück Leben für großer, wichtiger und wirksamer zu halten, als die szenische Überlieferung, die unbedingte Über¬ einstimmung mit wirklichen und vermeinten Bedürfnissen der Bretter. Der Dichter überlebte das letzte Scheiden aus seiner theatralischen Thätig¬ keit kaum ein Jahr, er starb am 5. September 1890 auf seinem Stammgutc Retzin. Die Biographie, die sein Leben und Schaffen so ausführlich schildert, rückt in schlichter Wärme vor allem das Bild des vorzüglichen und liebenswürdigen Menschen, des geistig Strebenden, der in freiwillig übernommner Pflicht rastlos thätig war, dem Leser nahe. Sie wird aber auch der Anlaß sein, daß die Persönlichkeit des Dichters treuer und deutlicher in der Erinnerung lebt, als es die Theaterzettel, auf denen der Name Gustav zu Putlitz ja noch lange wiederkehren wird, bewirken könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/483>, abgerufen am 01.09.2024.