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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Uanipf in den Gstinarken

man nach dem selbst in England und Amerika vielfach befolgten Grundsatze
verfahren, die Universitäten gerade abseits von solchen Verkehrsmittelpunkten
zu legen, damit sie gleichsam ihre geistige Reinheit bewahren. Bekanntlich
liegen auch die meisten deutscheu Universitäten derartig "idyllisch," aber die
Universitäten Berlin, Breslciu, Königsberg, Kiel liegen in Verkehrsmittelpunkten.
Abgesehen von solchen allgemeinen, wohl nicht den Ausschlag gebenden Er¬
wägungen spricht für Danzig seine mannichfach anziehende Lage und Umgebung
und seine große deutsche Vergangenheit, für Marienburg die Benutzbarkeit der
Räume des Hochschlosses zu Universitätszwecken und die erhebenden geschicht¬
lichen Erinnerungen, während die sonstigen Verhältnisse Marienburgs zur Zeit
uicht anziehend wirken können. Für Gnesen, das in besserer Verkehrslage ist
als Marienburg, läßt sich geltend machen ein gewisser Reiz der Umgebung,
dann die geschichtlichen Beziehungen -- es ist der uralte geistige Mittelpunkt des
Polentums, den man mit der deutschen Universität recht ins Herz treffen
möchte --, auch die Beziehung auf den Sachsenkaiser und die Ausbreitung des
Christentums von dort aus. Posen kann an empfehlenden Eigenschaften nicht
viel mehr aufweisen, als daß es eben Provinzialhauptstadt und ein Verkehrs-
mittelpnnkt von gewisser Bedeutung ist. Alles in allem genommen spricht also
das meiste für Danzig und Gnesen.

Von den Einwendungen, die hiergegen gemacht werden können, streifen
wir zunächst die Kostenfrage. Es ist selbstverständlich, daß Preußen die
Kosten aufbringen kann. Ohne Zweifel würden auch die Provinzen Opfer
bringen, ebenso wegen der notwendigen Baulichkeiten die erwählten Städte,
so gut und mit noch mehr Ursache als bei Kasernenbauten für Regimenter.
Denn Regimenter können, wenn es die militärischen Rücksichten fordern, wieder
weggenommen werden, bei Universitäten ist das viel unwahrscheinlicher. Auch
bringt eine Universität mehr Geld in die Stadt als ein Regiment Soldaten.
Der notwendige Staatszuschuß ist also davon abhängig, ob man eine Ver¬
deutschung der Ostmarken für notwendig und neue Universitäten diesem Zwecke
für dienlich hält. Beides -zu beweisen, ist die Absicht dieses Aufsatzes; möchte
er zunächst zu einer öffentlichen Erörterung der Sache führen.

Weitere und gewichtigere Einwendungen sind, ob nicht überhaupt eine
Vermehrung der Universitäten wenig wünschenswert sei, und ob nicht befürchtet
werden müsse, daß diese neuen Universitäten einen zu schwachen Besuch haben
würden. Wir gehören nun nicht zu denen, die mit Rücksicht auf die thatsäch¬
lich vorhcmdne Überfüllung der höhern Berufsklassen den Universitätsbesuch
eher einschränken, also Universitäten eher eingehen lassen möchten. Beschränkt
muß werdeu das Brotstudium auf den Universitäten, freilich auch das nicht
durch Gewaltmaßregeln, sondern durch Aufklärung und geringere Begünstigung
des Vrotstudiums als jetzt. Nicht beschränkt darf aber werden das Studium
zu höherer geistiger Kraft und zur Ausbreitung der Wissenschaft. Dies ramene-


Der Uanipf in den Gstinarken

man nach dem selbst in England und Amerika vielfach befolgten Grundsatze
verfahren, die Universitäten gerade abseits von solchen Verkehrsmittelpunkten
zu legen, damit sie gleichsam ihre geistige Reinheit bewahren. Bekanntlich
liegen auch die meisten deutscheu Universitäten derartig „idyllisch," aber die
Universitäten Berlin, Breslciu, Königsberg, Kiel liegen in Verkehrsmittelpunkten.
Abgesehen von solchen allgemeinen, wohl nicht den Ausschlag gebenden Er¬
wägungen spricht für Danzig seine mannichfach anziehende Lage und Umgebung
und seine große deutsche Vergangenheit, für Marienburg die Benutzbarkeit der
Räume des Hochschlosses zu Universitätszwecken und die erhebenden geschicht¬
lichen Erinnerungen, während die sonstigen Verhältnisse Marienburgs zur Zeit
uicht anziehend wirken können. Für Gnesen, das in besserer Verkehrslage ist
als Marienburg, läßt sich geltend machen ein gewisser Reiz der Umgebung,
dann die geschichtlichen Beziehungen — es ist der uralte geistige Mittelpunkt des
Polentums, den man mit der deutschen Universität recht ins Herz treffen
möchte —, auch die Beziehung auf den Sachsenkaiser und die Ausbreitung des
Christentums von dort aus. Posen kann an empfehlenden Eigenschaften nicht
viel mehr aufweisen, als daß es eben Provinzialhauptstadt und ein Verkehrs-
mittelpnnkt von gewisser Bedeutung ist. Alles in allem genommen spricht also
das meiste für Danzig und Gnesen.

Von den Einwendungen, die hiergegen gemacht werden können, streifen
wir zunächst die Kostenfrage. Es ist selbstverständlich, daß Preußen die
Kosten aufbringen kann. Ohne Zweifel würden auch die Provinzen Opfer
bringen, ebenso wegen der notwendigen Baulichkeiten die erwählten Städte,
so gut und mit noch mehr Ursache als bei Kasernenbauten für Regimenter.
Denn Regimenter können, wenn es die militärischen Rücksichten fordern, wieder
weggenommen werden, bei Universitäten ist das viel unwahrscheinlicher. Auch
bringt eine Universität mehr Geld in die Stadt als ein Regiment Soldaten.
Der notwendige Staatszuschuß ist also davon abhängig, ob man eine Ver¬
deutschung der Ostmarken für notwendig und neue Universitäten diesem Zwecke
für dienlich hält. Beides -zu beweisen, ist die Absicht dieses Aufsatzes; möchte
er zunächst zu einer öffentlichen Erörterung der Sache führen.

Weitere und gewichtigere Einwendungen sind, ob nicht überhaupt eine
Vermehrung der Universitäten wenig wünschenswert sei, und ob nicht befürchtet
werden müsse, daß diese neuen Universitäten einen zu schwachen Besuch haben
würden. Wir gehören nun nicht zu denen, die mit Rücksicht auf die thatsäch¬
lich vorhcmdne Überfüllung der höhern Berufsklassen den Universitätsbesuch
eher einschränken, also Universitäten eher eingehen lassen möchten. Beschränkt
muß werdeu das Brotstudium auf den Universitäten, freilich auch das nicht
durch Gewaltmaßregeln, sondern durch Aufklärung und geringere Begünstigung
des Vrotstudiums als jetzt. Nicht beschränkt darf aber werden das Studium
zu höherer geistiger Kraft und zur Ausbreitung der Wissenschaft. Dies ramene-


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[0462] Der Uanipf in den Gstinarken man nach dem selbst in England und Amerika vielfach befolgten Grundsatze verfahren, die Universitäten gerade abseits von solchen Verkehrsmittelpunkten zu legen, damit sie gleichsam ihre geistige Reinheit bewahren. Bekanntlich liegen auch die meisten deutscheu Universitäten derartig „idyllisch," aber die Universitäten Berlin, Breslciu, Königsberg, Kiel liegen in Verkehrsmittelpunkten. Abgesehen von solchen allgemeinen, wohl nicht den Ausschlag gebenden Er¬ wägungen spricht für Danzig seine mannichfach anziehende Lage und Umgebung und seine große deutsche Vergangenheit, für Marienburg die Benutzbarkeit der Räume des Hochschlosses zu Universitätszwecken und die erhebenden geschicht¬ lichen Erinnerungen, während die sonstigen Verhältnisse Marienburgs zur Zeit uicht anziehend wirken können. Für Gnesen, das in besserer Verkehrslage ist als Marienburg, läßt sich geltend machen ein gewisser Reiz der Umgebung, dann die geschichtlichen Beziehungen — es ist der uralte geistige Mittelpunkt des Polentums, den man mit der deutschen Universität recht ins Herz treffen möchte —, auch die Beziehung auf den Sachsenkaiser und die Ausbreitung des Christentums von dort aus. Posen kann an empfehlenden Eigenschaften nicht viel mehr aufweisen, als daß es eben Provinzialhauptstadt und ein Verkehrs- mittelpnnkt von gewisser Bedeutung ist. Alles in allem genommen spricht also das meiste für Danzig und Gnesen. Von den Einwendungen, die hiergegen gemacht werden können, streifen wir zunächst die Kostenfrage. Es ist selbstverständlich, daß Preußen die Kosten aufbringen kann. Ohne Zweifel würden auch die Provinzen Opfer bringen, ebenso wegen der notwendigen Baulichkeiten die erwählten Städte, so gut und mit noch mehr Ursache als bei Kasernenbauten für Regimenter. Denn Regimenter können, wenn es die militärischen Rücksichten fordern, wieder weggenommen werden, bei Universitäten ist das viel unwahrscheinlicher. Auch bringt eine Universität mehr Geld in die Stadt als ein Regiment Soldaten. Der notwendige Staatszuschuß ist also davon abhängig, ob man eine Ver¬ deutschung der Ostmarken für notwendig und neue Universitäten diesem Zwecke für dienlich hält. Beides -zu beweisen, ist die Absicht dieses Aufsatzes; möchte er zunächst zu einer öffentlichen Erörterung der Sache führen. Weitere und gewichtigere Einwendungen sind, ob nicht überhaupt eine Vermehrung der Universitäten wenig wünschenswert sei, und ob nicht befürchtet werden müsse, daß diese neuen Universitäten einen zu schwachen Besuch haben würden. Wir gehören nun nicht zu denen, die mit Rücksicht auf die thatsäch¬ lich vorhcmdne Überfüllung der höhern Berufsklassen den Universitätsbesuch eher einschränken, also Universitäten eher eingehen lassen möchten. Beschränkt muß werdeu das Brotstudium auf den Universitäten, freilich auch das nicht durch Gewaltmaßregeln, sondern durch Aufklärung und geringere Begünstigung des Vrotstudiums als jetzt. Nicht beschränkt darf aber werden das Studium zu höherer geistiger Kraft und zur Ausbreitung der Wissenschaft. Dies ramene-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/462>, abgerufen am 01.09.2024.