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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Dramaturgisches und Dramatisches

oder folgenden Dialog:


Luther

Und was ist es denn?
Zürnt nicht mit mir, von Herzen mein' ich ja
Es gut mit euch.


Katharina

Gerade euch kann ich

Es ja nicht sagen.


Luther

Katharina, sagt,
Bin ich es, der Geächtete?


Katharina

Ja, ihr!

Wie kann man auf dem Höhepunkte des Dramas, wo sich Luther und Katharina
fürs Leben verbinden, sie fo sprechen lassen und sich dann noch einreden, das
wäre gedichtet!

Karta Bühring ist der Titel eines "Frauendramas" in vier Akten von
Laura Marholm (München, Albert Lange, 1895). Es spielt in einem
Nordseebade und führt uns in moderne bürgerliche, recht angefressene Ver¬
hältnisse. Die treibende Kraft des Stücks ist ein aufgeblasener, vor lauter
Eitelkeit halb verrückter jüdischer Litterat, Dr. Collander, der seine ziemlich
einfältige Frau schlecht behandelt und dafür Verhältnisse unterhält, zunächst mit
der Frau eines phlegmatischen Großkaufmanns Eschenmeyer, einer Art von Gans,
und dann -- im Laufe des Stücks -- mit Karia Bühring, einer Violinvirtuosin.
Von Herrn Eschenmeyer und einem ernsthaften Anbeter der Karta, Baron
Wetterberg, zur Rede gestellt und geohrfeigt, muß er schließlich mit Frau und
Kindern abreisen. Karia, die Heldin, hat inzwischen dem Baron ihre Hand
versprochen, bekommt aber über diesen Schritt Reue, weil es zwischen ihr und
Collander schon zu weit gekommen ist, und -- greift zum Revolver. "Vor¬
hang." Das wäre die Fabel. Die Verfasserin hat das Stück für die Bühne
geschrieben, aber "es enthält noch etwas andres und mehr." Die Frauen
darin sind nämlich "jede innerhalb ihrer Lebensstellung und Begabung typisch."
Schlimm genug für sie! Und weiter: "Die echten Frauenrollen, in denen sich
das Weib als Weib fühlt und seine unbewußte Natur nach außen spielt(?),
werden immer seltener. In Karta Bühring habe ich eine solche zu schaffen
versucht." Über den Wert dieser Schöpfung werden immerhin dem Leser
einige Zweifel bleiben, und für den Fall, daß das Stück zur Aufführung
kommen sollte, scheint die Verfasserin selbst ein Bedenken angewandelt zu haben,
das sie mit der vielsagenden Bemerkung erledigt: "Die Szenenwirkung wird
wesentlich von der Expansionskraft der Darstellerinnen getragen." Freilich!
Denn wie will mans uns glaublich machen, daß dieser Collander, dem Karia


Dramaturgisches und Dramatisches

oder folgenden Dialog:


Luther

Und was ist es denn?
Zürnt nicht mit mir, von Herzen mein' ich ja
Es gut mit euch.


Katharina

Gerade euch kann ich

Es ja nicht sagen.


Luther

Katharina, sagt,
Bin ich es, der Geächtete?


Katharina

Ja, ihr!

Wie kann man auf dem Höhepunkte des Dramas, wo sich Luther und Katharina
fürs Leben verbinden, sie fo sprechen lassen und sich dann noch einreden, das
wäre gedichtet!

Karta Bühring ist der Titel eines „Frauendramas" in vier Akten von
Laura Marholm (München, Albert Lange, 1895). Es spielt in einem
Nordseebade und führt uns in moderne bürgerliche, recht angefressene Ver¬
hältnisse. Die treibende Kraft des Stücks ist ein aufgeblasener, vor lauter
Eitelkeit halb verrückter jüdischer Litterat, Dr. Collander, der seine ziemlich
einfältige Frau schlecht behandelt und dafür Verhältnisse unterhält, zunächst mit
der Frau eines phlegmatischen Großkaufmanns Eschenmeyer, einer Art von Gans,
und dann — im Laufe des Stücks — mit Karia Bühring, einer Violinvirtuosin.
Von Herrn Eschenmeyer und einem ernsthaften Anbeter der Karta, Baron
Wetterberg, zur Rede gestellt und geohrfeigt, muß er schließlich mit Frau und
Kindern abreisen. Karia, die Heldin, hat inzwischen dem Baron ihre Hand
versprochen, bekommt aber über diesen Schritt Reue, weil es zwischen ihr und
Collander schon zu weit gekommen ist, und — greift zum Revolver. „Vor¬
hang." Das wäre die Fabel. Die Verfasserin hat das Stück für die Bühne
geschrieben, aber „es enthält noch etwas andres und mehr." Die Frauen
darin sind nämlich „jede innerhalb ihrer Lebensstellung und Begabung typisch."
Schlimm genug für sie! Und weiter: „Die echten Frauenrollen, in denen sich
das Weib als Weib fühlt und seine unbewußte Natur nach außen spielt(?),
werden immer seltener. In Karta Bühring habe ich eine solche zu schaffen
versucht." Über den Wert dieser Schöpfung werden immerhin dem Leser
einige Zweifel bleiben, und für den Fall, daß das Stück zur Aufführung
kommen sollte, scheint die Verfasserin selbst ein Bedenken angewandelt zu haben,
das sie mit der vielsagenden Bemerkung erledigt: „Die Szenenwirkung wird
wesentlich von der Expansionskraft der Darstellerinnen getragen." Freilich!
Denn wie will mans uns glaublich machen, daß dieser Collander, dem Karia


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[0440] Dramaturgisches und Dramatisches oder folgenden Dialog: Luther Und was ist es denn? Zürnt nicht mit mir, von Herzen mein' ich ja Es gut mit euch. Katharina Gerade euch kann ich Es ja nicht sagen. Luther Katharina, sagt, Bin ich es, der Geächtete? Katharina Ja, ihr! Wie kann man auf dem Höhepunkte des Dramas, wo sich Luther und Katharina fürs Leben verbinden, sie fo sprechen lassen und sich dann noch einreden, das wäre gedichtet! Karta Bühring ist der Titel eines „Frauendramas" in vier Akten von Laura Marholm (München, Albert Lange, 1895). Es spielt in einem Nordseebade und führt uns in moderne bürgerliche, recht angefressene Ver¬ hältnisse. Die treibende Kraft des Stücks ist ein aufgeblasener, vor lauter Eitelkeit halb verrückter jüdischer Litterat, Dr. Collander, der seine ziemlich einfältige Frau schlecht behandelt und dafür Verhältnisse unterhält, zunächst mit der Frau eines phlegmatischen Großkaufmanns Eschenmeyer, einer Art von Gans, und dann — im Laufe des Stücks — mit Karia Bühring, einer Violinvirtuosin. Von Herrn Eschenmeyer und einem ernsthaften Anbeter der Karta, Baron Wetterberg, zur Rede gestellt und geohrfeigt, muß er schließlich mit Frau und Kindern abreisen. Karia, die Heldin, hat inzwischen dem Baron ihre Hand versprochen, bekommt aber über diesen Schritt Reue, weil es zwischen ihr und Collander schon zu weit gekommen ist, und — greift zum Revolver. „Vor¬ hang." Das wäre die Fabel. Die Verfasserin hat das Stück für die Bühne geschrieben, aber „es enthält noch etwas andres und mehr." Die Frauen darin sind nämlich „jede innerhalb ihrer Lebensstellung und Begabung typisch." Schlimm genug für sie! Und weiter: „Die echten Frauenrollen, in denen sich das Weib als Weib fühlt und seine unbewußte Natur nach außen spielt(?), werden immer seltener. In Karta Bühring habe ich eine solche zu schaffen versucht." Über den Wert dieser Schöpfung werden immerhin dem Leser einige Zweifel bleiben, und für den Fall, daß das Stück zur Aufführung kommen sollte, scheint die Verfasserin selbst ein Bedenken angewandelt zu haben, das sie mit der vielsagenden Bemerkung erledigt: „Die Szenenwirkung wird wesentlich von der Expansionskraft der Darstellerinnen getragen." Freilich! Denn wie will mans uns glaublich machen, daß dieser Collander, dem Karia

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/440>, abgerufen am 01.09.2024.