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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen

um wohl oder übel gelten Kissen, und auch das, daß man, wenn man
eine Straße nach einem Fürsten Karl Friedrich nennen will, sie nicht Karl-
Straße oder Friedrich-Straße nennen kann, man müßte denn auf einen etwas
eigentümlichen Ausweg verfallen, wie er hier in Bonn -- wie mir scheint --
gefunden worden ist, wo von zwei nahe bei einander in gleicher Richtung
laufenden Straßen die eine Klemens-Straße und die andre August-Straße
heißt (nach dem Kurfürsten Klemens August(?), dem im nahen Poppelsdorf
eine Klemens-August-Straße geweiht ist). Nun ist es jn recht schön, und ich
selbst trete warm dafür ein, in Straßennamen die Erinnerung an bestimmte,
in der Geschichte der Stadt hervorragende Persönlichkeiten rege zu halten,
weshalb man auch z. B. in Düsseldorf die Graf-Adolf-Straße nicht Adolf-
Straße nennen will; aber nochmals: Wie sollen wir diese Namen schreiben?
Ich bin für zwei Bindestriche, auch andre sind dafür. Und doch ist die
Schreibung mit zwei Bindestrichen.weder ganz richtig, noch schön. Dr. Wein¬
meister sucht auf folgende Weise einen Ausweg aus der Schwierigkeit; er
schreibt: ""Kaiser-Wilhelm-Straße" ist falsch, weil man nicht "Kaiser-Wilhelm"
schreibt; "Kaiser Wilhelm-Straße," oder gar "Kaiser Wilhclmstrciße" ist auch
nicht richtig, weil -- entgegen dem Sinne -- hier Wilhelm und Straße enger
verbunden sind als Kaiser und Wilhelm. Ich mache nun einen Vorschlag,
der besonders im Drucke deutlich hervortreten wird, deutlicher als in der
Schrift. Man schreibe "KaiserWilhelm-Straße," indem man das W dicht an
das vorhergehende r anhängt, also ohne Zwischenraum (spatium) zwischen
Kaiser und Wilhelm." Das ist aber nur eine Umgehung des als richtig
anerkannten Bindestrichs durch eine neue, bisher im Deutschen ganz unbekannte
Schreib- und Drnckweise, die einzuführen doch überflüssig ist. Auch ein andrer
Vorschlag hat wohl kaum Aussicht auf Erfolg, ein so bequemer Ausweg er
auch gerade für unsern Fall wäre. Herr von Pfister in Darmstadt möchte
im Gegensatze zu Professor Trautmann das genitivische Binde-s namentlich
bei den Straßennamen überall wieder einfügen; dann hieße es nicht mehr
Friedrich-Straße, sondern Friedrichs-Straße, also die Straße Friedrichs, auch
nicht mehr Ernst-Ludwig-Straße, sondern -- wenn wir noch weiter ins Ur¬
sprüngliche zurückgehen, keine Zusammensetzung, sondern wirklichen Genitiv an¬
nehmen -- Ernst Ludwigs Straße, ebenso Kaiser Wilhelms Platz usw., also
mit Weglassung der Bindestriche. Ich will hier auf die s-Frage nicht ein¬
gehen, dem Einflüsse des Wohlklanges und des Sprachgebrauches in den ein¬
zelnen Städten wird darin ein großes Feld einzuräumen sein; in Annaberg
heißt es z. B. amtlich Museum-Gasse, im Volksmnnde aber Museumsgasse,
amtlich Johannes-Gasse, im Volksmunde aber Johannisgasfe. Professor Erbe
ü> Stuttgart schreibt: "Unbewußt hat man des Wohllauts wegen seit Jahr¬
hunderten in Zusammensetzungen mit "Stadt" usw. das s ausgelassen, und
zwar im ganzen germanischen Sprachgebiet; vergleiche in Preußen Karlshafen


Grenzboten I 1896 53
Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen

um wohl oder übel gelten Kissen, und auch das, daß man, wenn man
eine Straße nach einem Fürsten Karl Friedrich nennen will, sie nicht Karl-
Straße oder Friedrich-Straße nennen kann, man müßte denn auf einen etwas
eigentümlichen Ausweg verfallen, wie er hier in Bonn — wie mir scheint —
gefunden worden ist, wo von zwei nahe bei einander in gleicher Richtung
laufenden Straßen die eine Klemens-Straße und die andre August-Straße
heißt (nach dem Kurfürsten Klemens August(?), dem im nahen Poppelsdorf
eine Klemens-August-Straße geweiht ist). Nun ist es jn recht schön, und ich
selbst trete warm dafür ein, in Straßennamen die Erinnerung an bestimmte,
in der Geschichte der Stadt hervorragende Persönlichkeiten rege zu halten,
weshalb man auch z. B. in Düsseldorf die Graf-Adolf-Straße nicht Adolf-
Straße nennen will; aber nochmals: Wie sollen wir diese Namen schreiben?
Ich bin für zwei Bindestriche, auch andre sind dafür. Und doch ist die
Schreibung mit zwei Bindestrichen.weder ganz richtig, noch schön. Dr. Wein¬
meister sucht auf folgende Weise einen Ausweg aus der Schwierigkeit; er
schreibt: „»Kaiser-Wilhelm-Straße« ist falsch, weil man nicht »Kaiser-Wilhelm«
schreibt; »Kaiser Wilhelm-Straße,« oder gar »Kaiser Wilhclmstrciße« ist auch
nicht richtig, weil — entgegen dem Sinne — hier Wilhelm und Straße enger
verbunden sind als Kaiser und Wilhelm. Ich mache nun einen Vorschlag,
der besonders im Drucke deutlich hervortreten wird, deutlicher als in der
Schrift. Man schreibe »KaiserWilhelm-Straße,« indem man das W dicht an
das vorhergehende r anhängt, also ohne Zwischenraum (spatium) zwischen
Kaiser und Wilhelm." Das ist aber nur eine Umgehung des als richtig
anerkannten Bindestrichs durch eine neue, bisher im Deutschen ganz unbekannte
Schreib- und Drnckweise, die einzuführen doch überflüssig ist. Auch ein andrer
Vorschlag hat wohl kaum Aussicht auf Erfolg, ein so bequemer Ausweg er
auch gerade für unsern Fall wäre. Herr von Pfister in Darmstadt möchte
im Gegensatze zu Professor Trautmann das genitivische Binde-s namentlich
bei den Straßennamen überall wieder einfügen; dann hieße es nicht mehr
Friedrich-Straße, sondern Friedrichs-Straße, also die Straße Friedrichs, auch
nicht mehr Ernst-Ludwig-Straße, sondern — wenn wir noch weiter ins Ur¬
sprüngliche zurückgehen, keine Zusammensetzung, sondern wirklichen Genitiv an¬
nehmen — Ernst Ludwigs Straße, ebenso Kaiser Wilhelms Platz usw., also
mit Weglassung der Bindestriche. Ich will hier auf die s-Frage nicht ein¬
gehen, dem Einflüsse des Wohlklanges und des Sprachgebrauches in den ein¬
zelnen Städten wird darin ein großes Feld einzuräumen sein; in Annaberg
heißt es z. B. amtlich Museum-Gasse, im Volksmnnde aber Museumsgasse,
amtlich Johannes-Gasse, im Volksmunde aber Johannisgasfe. Professor Erbe
ü> Stuttgart schreibt: „Unbewußt hat man des Wohllauts wegen seit Jahr¬
hunderten in Zusammensetzungen mit »Stadt« usw. das s ausgelassen, und
zwar im ganzen germanischen Sprachgebiet; vergleiche in Preußen Karlshafen


Grenzboten I 1896 53
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[0425] Die Verwirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen um wohl oder übel gelten Kissen, und auch das, daß man, wenn man eine Straße nach einem Fürsten Karl Friedrich nennen will, sie nicht Karl- Straße oder Friedrich-Straße nennen kann, man müßte denn auf einen etwas eigentümlichen Ausweg verfallen, wie er hier in Bonn — wie mir scheint — gefunden worden ist, wo von zwei nahe bei einander in gleicher Richtung laufenden Straßen die eine Klemens-Straße und die andre August-Straße heißt (nach dem Kurfürsten Klemens August(?), dem im nahen Poppelsdorf eine Klemens-August-Straße geweiht ist). Nun ist es jn recht schön, und ich selbst trete warm dafür ein, in Straßennamen die Erinnerung an bestimmte, in der Geschichte der Stadt hervorragende Persönlichkeiten rege zu halten, weshalb man auch z. B. in Düsseldorf die Graf-Adolf-Straße nicht Adolf- Straße nennen will; aber nochmals: Wie sollen wir diese Namen schreiben? Ich bin für zwei Bindestriche, auch andre sind dafür. Und doch ist die Schreibung mit zwei Bindestrichen.weder ganz richtig, noch schön. Dr. Wein¬ meister sucht auf folgende Weise einen Ausweg aus der Schwierigkeit; er schreibt: „»Kaiser-Wilhelm-Straße« ist falsch, weil man nicht »Kaiser-Wilhelm« schreibt; »Kaiser Wilhelm-Straße,« oder gar »Kaiser Wilhclmstrciße« ist auch nicht richtig, weil — entgegen dem Sinne — hier Wilhelm und Straße enger verbunden sind als Kaiser und Wilhelm. Ich mache nun einen Vorschlag, der besonders im Drucke deutlich hervortreten wird, deutlicher als in der Schrift. Man schreibe »KaiserWilhelm-Straße,« indem man das W dicht an das vorhergehende r anhängt, also ohne Zwischenraum (spatium) zwischen Kaiser und Wilhelm." Das ist aber nur eine Umgehung des als richtig anerkannten Bindestrichs durch eine neue, bisher im Deutschen ganz unbekannte Schreib- und Drnckweise, die einzuführen doch überflüssig ist. Auch ein andrer Vorschlag hat wohl kaum Aussicht auf Erfolg, ein so bequemer Ausweg er auch gerade für unsern Fall wäre. Herr von Pfister in Darmstadt möchte im Gegensatze zu Professor Trautmann das genitivische Binde-s namentlich bei den Straßennamen überall wieder einfügen; dann hieße es nicht mehr Friedrich-Straße, sondern Friedrichs-Straße, also die Straße Friedrichs, auch nicht mehr Ernst-Ludwig-Straße, sondern — wenn wir noch weiter ins Ur¬ sprüngliche zurückgehen, keine Zusammensetzung, sondern wirklichen Genitiv an¬ nehmen — Ernst Ludwigs Straße, ebenso Kaiser Wilhelms Platz usw., also mit Weglassung der Bindestriche. Ich will hier auf die s-Frage nicht ein¬ gehen, dem Einflüsse des Wohlklanges und des Sprachgebrauches in den ein¬ zelnen Städten wird darin ein großes Feld einzuräumen sein; in Annaberg heißt es z. B. amtlich Museum-Gasse, im Volksmnnde aber Museumsgasse, amtlich Johannes-Gasse, im Volksmunde aber Johannisgasfe. Professor Erbe ü> Stuttgart schreibt: „Unbewußt hat man des Wohllauts wegen seit Jahr¬ hunderten in Zusammensetzungen mit »Stadt« usw. das s ausgelassen, und zwar im ganzen germanischen Sprachgebiet; vergleiche in Preußen Karlshafen Grenzboten I 1896 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/425>, abgerufen am 01.09.2024.