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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die Prügelstrafe in den Gefängnissen

und zerstört werden kann, zumal wenn eine Anstalt wie Brauweiler Zucht
und Ordnung aufrecht zu erhalten hat unter der Hefe der dichtgedrängtesten
Bevölkerung in dein Jnduftriebezirke des Rheinlands. Für das Rechtsbewußt-
sein dieser Provinz ist es doch immerhin von pädagogischen Werte, wenn die
Kölner, Düsseldorfer, Elberfelder Dirnen und Zuhälter vor Brauweiler einen
heldenmäßigen Respekt haben und den Aufenthalt in dieser Anstalt nicht zu
den angenehmsten Erinnerungen ihres sonst so mühelosem Lebens zählen. Wenn
ferner aus den Verhandlungen dieses Prozesses hervorgeht, daß mit eiserner
Strenge die Erfüllung eines hohen Arbeitspensums in solchen Arbeitshäusern
gefordert wird, deren Bestimmung es ist, Müßiggängern und Tagedieben das
Arbeiten zu lehren, so ist das vom Standpunkte einer vernünftigen Straf¬
vollziehung eine Forderung, die durchaus gerechtfertigt ist. Die Strafanstalt
darf für ihre Insassen nie ihre Schrecken verlieren, denn sonst ist der Rück-
fälligkeit noch weiter als ohnehin schon Thür und Thor geöffnet. Es ist ein
gutes Zeugnis für eine Anstalt, wenn sie gefürchtet, ein schlechtes, wenn sie
von einer bestimmten Klasse ihrer Insassen gelobt wird. Die eiserne Disziplin,
die angestrengten Arbeitsleistungen der Sträflinge können also keinen Vorwurf
gegen den Direktor von Vrauweiler begründen.

Wohl aber waren die Federbetten der öffentlichen Meinung schnell bei
der Hand, gegen den Direktor aus seinem Schweigen zu der von Aufsehern
angewandten Prügelstrafe die bittersten Vorwürfe abzuleiten. Hier liegt in
der That ein Mißstand vor, dem man einmal öffentlich ins Angesicht schauen
muß. Nach unsern heutigen Strafvollziehungsbestinunungen ist die Prügel¬
strafe in Gefängnissen verboten, in Zuchthäusern erlaubt; also da, wo sie noch
Pädagogisch heilsam wirken könnte, hat man sie aufgehoben, im Zuchthaus, wo
man nach menschlichem Ermessen dieser Hoffnung weniger Raum geben kann,
hat man sie bestehen lassen. Die Herren vom grünen Tisch, die mit wenigen
Ausnahmen den praktischen Gefänguisdienst gar nicht kennen, halten begeisterte
Reden für die Abschaffung der Prügelstrafe, und auf den Kongressen der
Strafanstaltsbeamten, wo sie durch die Macht ihrer Stellung auf den Gang
der Verhandlungen und die Fassung der Beschlüsse großen und ausschlaggebenden
Einfluß ausüben, berufen sie sich gewöhnlich auf die Thatsache, daß vor vielen,
vielen Jahren einmal das Aufsichtspersonal irgend einer Anstalt darum ein¬
gekommen sei, man möge sie von der entwürdigenden Pflicht entbinden, die
Prügelstrafe zu vollziehen. Das ist aber schon lauge her. Die heutigen Unter¬
beamten der Strafanstalten rekrutiren sich aus den Militäranwärtern. Dieses
Personal hat den großen Vorzug, an eine militärische Pünktlichkeit, an eine
straffe Organisation, an Findigkeit, Schlagfertigkeit, Subordination gewöhnt
i>u sein. Die Schattenseite ihrer Erziehung besteht in der mechanischen, gleich-
giltigen Auffassung ihres Berufs und des erzwungnen Gehorsams, der innerlich
der Ausführuugsart des Befehls sehr gleichgiltig gegenüberstehen kann. Dieselben


Grenzboten I 1896 S2
Die Prügelstrafe in den Gefängnissen

und zerstört werden kann, zumal wenn eine Anstalt wie Brauweiler Zucht
und Ordnung aufrecht zu erhalten hat unter der Hefe der dichtgedrängtesten
Bevölkerung in dein Jnduftriebezirke des Rheinlands. Für das Rechtsbewußt-
sein dieser Provinz ist es doch immerhin von pädagogischen Werte, wenn die
Kölner, Düsseldorfer, Elberfelder Dirnen und Zuhälter vor Brauweiler einen
heldenmäßigen Respekt haben und den Aufenthalt in dieser Anstalt nicht zu
den angenehmsten Erinnerungen ihres sonst so mühelosem Lebens zählen. Wenn
ferner aus den Verhandlungen dieses Prozesses hervorgeht, daß mit eiserner
Strenge die Erfüllung eines hohen Arbeitspensums in solchen Arbeitshäusern
gefordert wird, deren Bestimmung es ist, Müßiggängern und Tagedieben das
Arbeiten zu lehren, so ist das vom Standpunkte einer vernünftigen Straf¬
vollziehung eine Forderung, die durchaus gerechtfertigt ist. Die Strafanstalt
darf für ihre Insassen nie ihre Schrecken verlieren, denn sonst ist der Rück-
fälligkeit noch weiter als ohnehin schon Thür und Thor geöffnet. Es ist ein
gutes Zeugnis für eine Anstalt, wenn sie gefürchtet, ein schlechtes, wenn sie
von einer bestimmten Klasse ihrer Insassen gelobt wird. Die eiserne Disziplin,
die angestrengten Arbeitsleistungen der Sträflinge können also keinen Vorwurf
gegen den Direktor von Vrauweiler begründen.

Wohl aber waren die Federbetten der öffentlichen Meinung schnell bei
der Hand, gegen den Direktor aus seinem Schweigen zu der von Aufsehern
angewandten Prügelstrafe die bittersten Vorwürfe abzuleiten. Hier liegt in
der That ein Mißstand vor, dem man einmal öffentlich ins Angesicht schauen
muß. Nach unsern heutigen Strafvollziehungsbestinunungen ist die Prügel¬
strafe in Gefängnissen verboten, in Zuchthäusern erlaubt; also da, wo sie noch
Pädagogisch heilsam wirken könnte, hat man sie aufgehoben, im Zuchthaus, wo
man nach menschlichem Ermessen dieser Hoffnung weniger Raum geben kann,
hat man sie bestehen lassen. Die Herren vom grünen Tisch, die mit wenigen
Ausnahmen den praktischen Gefänguisdienst gar nicht kennen, halten begeisterte
Reden für die Abschaffung der Prügelstrafe, und auf den Kongressen der
Strafanstaltsbeamten, wo sie durch die Macht ihrer Stellung auf den Gang
der Verhandlungen und die Fassung der Beschlüsse großen und ausschlaggebenden
Einfluß ausüben, berufen sie sich gewöhnlich auf die Thatsache, daß vor vielen,
vielen Jahren einmal das Aufsichtspersonal irgend einer Anstalt darum ein¬
gekommen sei, man möge sie von der entwürdigenden Pflicht entbinden, die
Prügelstrafe zu vollziehen. Das ist aber schon lauge her. Die heutigen Unter¬
beamten der Strafanstalten rekrutiren sich aus den Militäranwärtern. Dieses
Personal hat den großen Vorzug, an eine militärische Pünktlichkeit, an eine
straffe Organisation, an Findigkeit, Schlagfertigkeit, Subordination gewöhnt
i>u sein. Die Schattenseite ihrer Erziehung besteht in der mechanischen, gleich-
giltigen Auffassung ihres Berufs und des erzwungnen Gehorsams, der innerlich
der Ausführuugsart des Befehls sehr gleichgiltig gegenüberstehen kann. Dieselben


Grenzboten I 1896 S2
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[0417] Die Prügelstrafe in den Gefängnissen und zerstört werden kann, zumal wenn eine Anstalt wie Brauweiler Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten hat unter der Hefe der dichtgedrängtesten Bevölkerung in dein Jnduftriebezirke des Rheinlands. Für das Rechtsbewußt- sein dieser Provinz ist es doch immerhin von pädagogischen Werte, wenn die Kölner, Düsseldorfer, Elberfelder Dirnen und Zuhälter vor Brauweiler einen heldenmäßigen Respekt haben und den Aufenthalt in dieser Anstalt nicht zu den angenehmsten Erinnerungen ihres sonst so mühelosem Lebens zählen. Wenn ferner aus den Verhandlungen dieses Prozesses hervorgeht, daß mit eiserner Strenge die Erfüllung eines hohen Arbeitspensums in solchen Arbeitshäusern gefordert wird, deren Bestimmung es ist, Müßiggängern und Tagedieben das Arbeiten zu lehren, so ist das vom Standpunkte einer vernünftigen Straf¬ vollziehung eine Forderung, die durchaus gerechtfertigt ist. Die Strafanstalt darf für ihre Insassen nie ihre Schrecken verlieren, denn sonst ist der Rück- fälligkeit noch weiter als ohnehin schon Thür und Thor geöffnet. Es ist ein gutes Zeugnis für eine Anstalt, wenn sie gefürchtet, ein schlechtes, wenn sie von einer bestimmten Klasse ihrer Insassen gelobt wird. Die eiserne Disziplin, die angestrengten Arbeitsleistungen der Sträflinge können also keinen Vorwurf gegen den Direktor von Vrauweiler begründen. Wohl aber waren die Federbetten der öffentlichen Meinung schnell bei der Hand, gegen den Direktor aus seinem Schweigen zu der von Aufsehern angewandten Prügelstrafe die bittersten Vorwürfe abzuleiten. Hier liegt in der That ein Mißstand vor, dem man einmal öffentlich ins Angesicht schauen muß. Nach unsern heutigen Strafvollziehungsbestinunungen ist die Prügel¬ strafe in Gefängnissen verboten, in Zuchthäusern erlaubt; also da, wo sie noch Pädagogisch heilsam wirken könnte, hat man sie aufgehoben, im Zuchthaus, wo man nach menschlichem Ermessen dieser Hoffnung weniger Raum geben kann, hat man sie bestehen lassen. Die Herren vom grünen Tisch, die mit wenigen Ausnahmen den praktischen Gefänguisdienst gar nicht kennen, halten begeisterte Reden für die Abschaffung der Prügelstrafe, und auf den Kongressen der Strafanstaltsbeamten, wo sie durch die Macht ihrer Stellung auf den Gang der Verhandlungen und die Fassung der Beschlüsse großen und ausschlaggebenden Einfluß ausüben, berufen sie sich gewöhnlich auf die Thatsache, daß vor vielen, vielen Jahren einmal das Aufsichtspersonal irgend einer Anstalt darum ein¬ gekommen sei, man möge sie von der entwürdigenden Pflicht entbinden, die Prügelstrafe zu vollziehen. Das ist aber schon lauge her. Die heutigen Unter¬ beamten der Strafanstalten rekrutiren sich aus den Militäranwärtern. Dieses Personal hat den großen Vorzug, an eine militärische Pünktlichkeit, an eine straffe Organisation, an Findigkeit, Schlagfertigkeit, Subordination gewöhnt i>u sein. Die Schattenseite ihrer Erziehung besteht in der mechanischen, gleich- giltigen Auffassung ihres Berufs und des erzwungnen Gehorsams, der innerlich der Ausführuugsart des Befehls sehr gleichgiltig gegenüberstehen kann. Dieselben Grenzboten I 1896 S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/417>, abgerufen am 01.09.2024.