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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Kampf in den Gstmarken

stimmen für ehrliches, deutsches Spiel auch den Feinden gegenüber. Und wir
möchten es auch zur Zeit nicht für zweckmüßig halten, die Gesetze zu ändern
und die Ansiedlung polnischer Bauern zu verbieten. Denn bei der vielfach
schwankenden Leitung des Staats fürchten wir, daß die praktisch äußerst schwie¬
rige Frage, was im einzelnen Falle deutsch oder polnisch sei, einer schwankenden
Auslegung unterliege. Dann aber würde der Haß nur gemehrt, nicht aber
der deutschen Sache geholfen Werbern

Inzwischen hat die Generalkommission in Bromberg in den wenigen
Jahren ihres Bestehens eine weit umfangreichere Thätigkeit entwickelt als die
Ansiedlungskommission, wenn auch ihre Saat lückiger aufgeht. Die Thätig¬
keit der Generalkvmmission in Breslau für das polnische Oberschlesien über¬
gehen wir, wegen ihrer geringern Bedeutung für die Frage des Volkstums.

Und nun endlich die aschgraue Figur, der preußische Staat als solcher.
Die harte Bezeichnung wird gebraucht aus wahrer Liebe. Der Staat Friedrichs
des Großen und Bismarcks ist so stark, daß er, allzu großmütig, das Gewürm
verschont, das ihm zu Füßen kriecht, ob es gleich giftig ist und hinterrücks
beißt. Wir dürfen aber den Schlangenbiß in der Ferse nicht dulden, weil
wir feststehen müssen in dem Ringkampfe mit den Völkern dieser Erde, in dem
Ringkampfe, der jetzt eben wieder anhebt um unser deutsches Dasein. Diese
Duldsamkeit ist noch eine unsrer Schwächen aus der "guten alten" Zeit, die
zwar alt, aber schlecht ist.

Aber wir wissen trotzdem nicht, ob wir ein schärferes Vorgehen aller
preußischen Behörden gegen das Polentum für jetzt vorschlagen sollen. Denn
wir fürchten, es wird nicht lange vorhalten. Hält es aber nicht vor, so schafft
es nur Märtyrer, ohne den Starrsinn zu brechen.

Auch die politische Windrose hat die Eigenschaft, sich zu drehen. Und
ehe der Mann nicht da ist, der des Windes nicht achtet, so lange ist es besser,
der Wind dreht sich möglichst wenig. Denn ein störrisches Tier macht man
nicht kirre durch Schlagen heute und dnrch Streicheln morgen, sondern durch
gleichmüßige strenge Zucht. Von den gegenwärtigen Rembrandterziehern er¬
warten wir nicht, daß sie diese Stetigkeit gegenüber dem Polentum festhalten
werden. Darum ist es klüger und praktischer, hier weder etwas zu fordern,
noch zu erwarten, sondern sein Haupt anderswohin zu wenden und die Hilfe
anzurufen des alten deutschen Vvrstreiters, des deutschen Erzengels Michael
>nit seinem starken Geiste.

Das ist nun eine bilderreiche und bunte Sprache. Aber nicht die Bilder
sind gemeint, sondern wahrhafte und ernste Dinge. Der Ruf ergeht an den
deutschen Geist in der Wissenschaft und in der Treue.

Es wird gefordert: 1. die geistige und wissenschaftliche Eroberung des
Polenlandes durch Gründung zweier Hochschulen in Danzig und Posen oder
^n den historisch beziehungsreichern Städten Marienburg und Gnesen; 2. die


Der Kampf in den Gstmarken

stimmen für ehrliches, deutsches Spiel auch den Feinden gegenüber. Und wir
möchten es auch zur Zeit nicht für zweckmüßig halten, die Gesetze zu ändern
und die Ansiedlung polnischer Bauern zu verbieten. Denn bei der vielfach
schwankenden Leitung des Staats fürchten wir, daß die praktisch äußerst schwie¬
rige Frage, was im einzelnen Falle deutsch oder polnisch sei, einer schwankenden
Auslegung unterliege. Dann aber würde der Haß nur gemehrt, nicht aber
der deutschen Sache geholfen Werbern

Inzwischen hat die Generalkommission in Bromberg in den wenigen
Jahren ihres Bestehens eine weit umfangreichere Thätigkeit entwickelt als die
Ansiedlungskommission, wenn auch ihre Saat lückiger aufgeht. Die Thätig¬
keit der Generalkvmmission in Breslau für das polnische Oberschlesien über¬
gehen wir, wegen ihrer geringern Bedeutung für die Frage des Volkstums.

Und nun endlich die aschgraue Figur, der preußische Staat als solcher.
Die harte Bezeichnung wird gebraucht aus wahrer Liebe. Der Staat Friedrichs
des Großen und Bismarcks ist so stark, daß er, allzu großmütig, das Gewürm
verschont, das ihm zu Füßen kriecht, ob es gleich giftig ist und hinterrücks
beißt. Wir dürfen aber den Schlangenbiß in der Ferse nicht dulden, weil
wir feststehen müssen in dem Ringkampfe mit den Völkern dieser Erde, in dem
Ringkampfe, der jetzt eben wieder anhebt um unser deutsches Dasein. Diese
Duldsamkeit ist noch eine unsrer Schwächen aus der „guten alten" Zeit, die
zwar alt, aber schlecht ist.

Aber wir wissen trotzdem nicht, ob wir ein schärferes Vorgehen aller
preußischen Behörden gegen das Polentum für jetzt vorschlagen sollen. Denn
wir fürchten, es wird nicht lange vorhalten. Hält es aber nicht vor, so schafft
es nur Märtyrer, ohne den Starrsinn zu brechen.

Auch die politische Windrose hat die Eigenschaft, sich zu drehen. Und
ehe der Mann nicht da ist, der des Windes nicht achtet, so lange ist es besser,
der Wind dreht sich möglichst wenig. Denn ein störrisches Tier macht man
nicht kirre durch Schlagen heute und dnrch Streicheln morgen, sondern durch
gleichmüßige strenge Zucht. Von den gegenwärtigen Rembrandterziehern er¬
warten wir nicht, daß sie diese Stetigkeit gegenüber dem Polentum festhalten
werden. Darum ist es klüger und praktischer, hier weder etwas zu fordern,
noch zu erwarten, sondern sein Haupt anderswohin zu wenden und die Hilfe
anzurufen des alten deutschen Vvrstreiters, des deutschen Erzengels Michael
>nit seinem starken Geiste.

Das ist nun eine bilderreiche und bunte Sprache. Aber nicht die Bilder
sind gemeint, sondern wahrhafte und ernste Dinge. Der Ruf ergeht an den
deutschen Geist in der Wissenschaft und in der Treue.

Es wird gefordert: 1. die geistige und wissenschaftliche Eroberung des
Polenlandes durch Gründung zweier Hochschulen in Danzig und Posen oder
^n den historisch beziehungsreichern Städten Marienburg und Gnesen; 2. die


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[0415] Der Kampf in den Gstmarken stimmen für ehrliches, deutsches Spiel auch den Feinden gegenüber. Und wir möchten es auch zur Zeit nicht für zweckmüßig halten, die Gesetze zu ändern und die Ansiedlung polnischer Bauern zu verbieten. Denn bei der vielfach schwankenden Leitung des Staats fürchten wir, daß die praktisch äußerst schwie¬ rige Frage, was im einzelnen Falle deutsch oder polnisch sei, einer schwankenden Auslegung unterliege. Dann aber würde der Haß nur gemehrt, nicht aber der deutschen Sache geholfen Werbern Inzwischen hat die Generalkommission in Bromberg in den wenigen Jahren ihres Bestehens eine weit umfangreichere Thätigkeit entwickelt als die Ansiedlungskommission, wenn auch ihre Saat lückiger aufgeht. Die Thätig¬ keit der Generalkvmmission in Breslau für das polnische Oberschlesien über¬ gehen wir, wegen ihrer geringern Bedeutung für die Frage des Volkstums. Und nun endlich die aschgraue Figur, der preußische Staat als solcher. Die harte Bezeichnung wird gebraucht aus wahrer Liebe. Der Staat Friedrichs des Großen und Bismarcks ist so stark, daß er, allzu großmütig, das Gewürm verschont, das ihm zu Füßen kriecht, ob es gleich giftig ist und hinterrücks beißt. Wir dürfen aber den Schlangenbiß in der Ferse nicht dulden, weil wir feststehen müssen in dem Ringkampfe mit den Völkern dieser Erde, in dem Ringkampfe, der jetzt eben wieder anhebt um unser deutsches Dasein. Diese Duldsamkeit ist noch eine unsrer Schwächen aus der „guten alten" Zeit, die zwar alt, aber schlecht ist. Aber wir wissen trotzdem nicht, ob wir ein schärferes Vorgehen aller preußischen Behörden gegen das Polentum für jetzt vorschlagen sollen. Denn wir fürchten, es wird nicht lange vorhalten. Hält es aber nicht vor, so schafft es nur Märtyrer, ohne den Starrsinn zu brechen. Auch die politische Windrose hat die Eigenschaft, sich zu drehen. Und ehe der Mann nicht da ist, der des Windes nicht achtet, so lange ist es besser, der Wind dreht sich möglichst wenig. Denn ein störrisches Tier macht man nicht kirre durch Schlagen heute und dnrch Streicheln morgen, sondern durch gleichmüßige strenge Zucht. Von den gegenwärtigen Rembrandterziehern er¬ warten wir nicht, daß sie diese Stetigkeit gegenüber dem Polentum festhalten werden. Darum ist es klüger und praktischer, hier weder etwas zu fordern, noch zu erwarten, sondern sein Haupt anderswohin zu wenden und die Hilfe anzurufen des alten deutschen Vvrstreiters, des deutschen Erzengels Michael >nit seinem starken Geiste. Das ist nun eine bilderreiche und bunte Sprache. Aber nicht die Bilder sind gemeint, sondern wahrhafte und ernste Dinge. Der Ruf ergeht an den deutschen Geist in der Wissenschaft und in der Treue. Es wird gefordert: 1. die geistige und wissenschaftliche Eroberung des Polenlandes durch Gründung zweier Hochschulen in Danzig und Posen oder ^n den historisch beziehungsreichern Städten Marienburg und Gnesen; 2. die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/415>, abgerufen am 01.09.2024.