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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Kampf in den Dstmarken

Macht es aber der Gärtner so, dann kostet ihn jeder Baum mehr sür die
Aufzucht, als er nachher während seiner Tragezeit einbringt. Darum würde
der Gärtner härter und nüchterner, aber richtiger und wirtschaftlicher handeln,
wenn er gleich einen gewissen Bruchteil der Obstbäume "zur Vernichtung"
rechnete und die Pflege nicht weiter triebe, als sie wahrscheinlich Geld ein¬
bringt. Dann schließt zuletzt die Rechnung mit Gewinn. So aber ist die An¬
siedlungskommission nicht; sie ist eben jener übersorgsame Baumwirt. Das ist
sehr lieb und freundlich gegen die Ansiedler, aber es ist nicht praktisch. Doch
es scheint, daß dieser liebenswürdige Fehler von einer staatlichen Baukverwal-
tung untrennbar ist. Darum wäre es vielleicht besser, man gründete mit eineni
Teile des noch nicht verwendeten Geldes eine Ansiedlungsbank nach dem Muster
der Zeutralgenvssenschaftskasse, gäbe ihr jenen einmaligen festen Staatszuschuß
und behielte sie unter Staatsaufsicht. Dann würde öffentliches Geld gespart
und wahrscheinlich zahlreicher angesiedelt werden. Jetzt ist die Thätigkeit der
Ansiedlungskommission in Posen zwar höchst lobens-, aber leider nicht hundert
Millionen Mark wert.

Der Verein zum Schutze des Deutschtums in den Ostmarken ist erst vor
zu kurzer Zeit begründet worden, um schon jetzt über seine Wirksamkeit ein
tiefer gehendes Urteil abgeben zu können. Da aber seine drei Begründer, die
man nach der gehässigen Anfeindung von polnischer Seite auch die drei Männer
im feurigen Ofen nennen kann, hervorragend tüchtige Männer, Landwirte und
Geschäftsleute sind, so darf man das beste erhoffen. Die von dem Verein
gegründete Landbank soll fünf Millionen Grundkapital haben und wird hoffentlich
geschäftsmäßiger und wirksamer verfahren, als die Ansiedlungskommission mit
ihren hundert Millionen. Mit dem Ankauf eines großen Gutes, Karchvwo,
in Westpreußen ist. nach Zeitungsnachrichten, ein erfreulicher Anfang gemacht
worden. Wir nehmen um, daß das Gut besiedelt werden soll. Auf Besied¬
lung beschränkt sich jedoch die Thätigkeit des H.K.T.-Vereins nicht; gerade
zuerst war er nur auf anderm Gebiete thätig. Er bezweckte ursprünglich den
Zusammenschluß und die gegenseitige Beihilfe der Deutschen in den Ostmarken, mit
Unterstützung durch die Deutschen von außerhalb. So half der Verein deutschen
Geschäftsleuten, die von dem jetzt sehr beliebten Boykottiruugsverfahren der
Polen bedroht waren; jetzt will er zu ähnlichen Zwecken eine Gewerbebank
neben der Landbank gründen. Der Verein führt ferner deutsche Ärzte und
Rechtsanwälte in die Ostmarken; denn die polnischen Ärzte und Rechtsanwälte
sind, neben den Geistlichen, die eifrigsten Wühler für die polnische Sache. Wir
hoffen endlich, daß der H.K.T.-Verein durch deutsche Theateraufführuugen,
deutsche Volksbibliotheken und Wanderredner den entsprechenden polnische"
Bestrebungen entgegenwirken wird oder diese Dinge doch bereits für die Zu¬
kunft vorgesehen hat.

Aber ebenso wenig wie die Ansiedlungskommission die natürliche ostwest-


Der Kampf in den Dstmarken

Macht es aber der Gärtner so, dann kostet ihn jeder Baum mehr sür die
Aufzucht, als er nachher während seiner Tragezeit einbringt. Darum würde
der Gärtner härter und nüchterner, aber richtiger und wirtschaftlicher handeln,
wenn er gleich einen gewissen Bruchteil der Obstbäume „zur Vernichtung"
rechnete und die Pflege nicht weiter triebe, als sie wahrscheinlich Geld ein¬
bringt. Dann schließt zuletzt die Rechnung mit Gewinn. So aber ist die An¬
siedlungskommission nicht; sie ist eben jener übersorgsame Baumwirt. Das ist
sehr lieb und freundlich gegen die Ansiedler, aber es ist nicht praktisch. Doch
es scheint, daß dieser liebenswürdige Fehler von einer staatlichen Baukverwal-
tung untrennbar ist. Darum wäre es vielleicht besser, man gründete mit eineni
Teile des noch nicht verwendeten Geldes eine Ansiedlungsbank nach dem Muster
der Zeutralgenvssenschaftskasse, gäbe ihr jenen einmaligen festen Staatszuschuß
und behielte sie unter Staatsaufsicht. Dann würde öffentliches Geld gespart
und wahrscheinlich zahlreicher angesiedelt werden. Jetzt ist die Thätigkeit der
Ansiedlungskommission in Posen zwar höchst lobens-, aber leider nicht hundert
Millionen Mark wert.

Der Verein zum Schutze des Deutschtums in den Ostmarken ist erst vor
zu kurzer Zeit begründet worden, um schon jetzt über seine Wirksamkeit ein
tiefer gehendes Urteil abgeben zu können. Da aber seine drei Begründer, die
man nach der gehässigen Anfeindung von polnischer Seite auch die drei Männer
im feurigen Ofen nennen kann, hervorragend tüchtige Männer, Landwirte und
Geschäftsleute sind, so darf man das beste erhoffen. Die von dem Verein
gegründete Landbank soll fünf Millionen Grundkapital haben und wird hoffentlich
geschäftsmäßiger und wirksamer verfahren, als die Ansiedlungskommission mit
ihren hundert Millionen. Mit dem Ankauf eines großen Gutes, Karchvwo,
in Westpreußen ist. nach Zeitungsnachrichten, ein erfreulicher Anfang gemacht
worden. Wir nehmen um, daß das Gut besiedelt werden soll. Auf Besied¬
lung beschränkt sich jedoch die Thätigkeit des H.K.T.-Vereins nicht; gerade
zuerst war er nur auf anderm Gebiete thätig. Er bezweckte ursprünglich den
Zusammenschluß und die gegenseitige Beihilfe der Deutschen in den Ostmarken, mit
Unterstützung durch die Deutschen von außerhalb. So half der Verein deutschen
Geschäftsleuten, die von dem jetzt sehr beliebten Boykottiruugsverfahren der
Polen bedroht waren; jetzt will er zu ähnlichen Zwecken eine Gewerbebank
neben der Landbank gründen. Der Verein führt ferner deutsche Ärzte und
Rechtsanwälte in die Ostmarken; denn die polnischen Ärzte und Rechtsanwälte
sind, neben den Geistlichen, die eifrigsten Wühler für die polnische Sache. Wir
hoffen endlich, daß der H.K.T.-Verein durch deutsche Theateraufführuugen,
deutsche Volksbibliotheken und Wanderredner den entsprechenden polnische»
Bestrebungen entgegenwirken wird oder diese Dinge doch bereits für die Zu¬
kunft vorgesehen hat.

Aber ebenso wenig wie die Ansiedlungskommission die natürliche ostwest-


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[0411] Der Kampf in den Dstmarken Macht es aber der Gärtner so, dann kostet ihn jeder Baum mehr sür die Aufzucht, als er nachher während seiner Tragezeit einbringt. Darum würde der Gärtner härter und nüchterner, aber richtiger und wirtschaftlicher handeln, wenn er gleich einen gewissen Bruchteil der Obstbäume „zur Vernichtung" rechnete und die Pflege nicht weiter triebe, als sie wahrscheinlich Geld ein¬ bringt. Dann schließt zuletzt die Rechnung mit Gewinn. So aber ist die An¬ siedlungskommission nicht; sie ist eben jener übersorgsame Baumwirt. Das ist sehr lieb und freundlich gegen die Ansiedler, aber es ist nicht praktisch. Doch es scheint, daß dieser liebenswürdige Fehler von einer staatlichen Baukverwal- tung untrennbar ist. Darum wäre es vielleicht besser, man gründete mit eineni Teile des noch nicht verwendeten Geldes eine Ansiedlungsbank nach dem Muster der Zeutralgenvssenschaftskasse, gäbe ihr jenen einmaligen festen Staatszuschuß und behielte sie unter Staatsaufsicht. Dann würde öffentliches Geld gespart und wahrscheinlich zahlreicher angesiedelt werden. Jetzt ist die Thätigkeit der Ansiedlungskommission in Posen zwar höchst lobens-, aber leider nicht hundert Millionen Mark wert. Der Verein zum Schutze des Deutschtums in den Ostmarken ist erst vor zu kurzer Zeit begründet worden, um schon jetzt über seine Wirksamkeit ein tiefer gehendes Urteil abgeben zu können. Da aber seine drei Begründer, die man nach der gehässigen Anfeindung von polnischer Seite auch die drei Männer im feurigen Ofen nennen kann, hervorragend tüchtige Männer, Landwirte und Geschäftsleute sind, so darf man das beste erhoffen. Die von dem Verein gegründete Landbank soll fünf Millionen Grundkapital haben und wird hoffentlich geschäftsmäßiger und wirksamer verfahren, als die Ansiedlungskommission mit ihren hundert Millionen. Mit dem Ankauf eines großen Gutes, Karchvwo, in Westpreußen ist. nach Zeitungsnachrichten, ein erfreulicher Anfang gemacht worden. Wir nehmen um, daß das Gut besiedelt werden soll. Auf Besied¬ lung beschränkt sich jedoch die Thätigkeit des H.K.T.-Vereins nicht; gerade zuerst war er nur auf anderm Gebiete thätig. Er bezweckte ursprünglich den Zusammenschluß und die gegenseitige Beihilfe der Deutschen in den Ostmarken, mit Unterstützung durch die Deutschen von außerhalb. So half der Verein deutschen Geschäftsleuten, die von dem jetzt sehr beliebten Boykottiruugsverfahren der Polen bedroht waren; jetzt will er zu ähnlichen Zwecken eine Gewerbebank neben der Landbank gründen. Der Verein führt ferner deutsche Ärzte und Rechtsanwälte in die Ostmarken; denn die polnischen Ärzte und Rechtsanwälte sind, neben den Geistlichen, die eifrigsten Wühler für die polnische Sache. Wir hoffen endlich, daß der H.K.T.-Verein durch deutsche Theateraufführuugen, deutsche Volksbibliotheken und Wanderredner den entsprechenden polnische» Bestrebungen entgegenwirken wird oder diese Dinge doch bereits für die Zu¬ kunft vorgesehen hat. Aber ebenso wenig wie die Ansiedlungskommission die natürliche ostwest-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/411>, abgerufen am 01.09.2024.