Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Kampf in den Gstmarken

eine Schöpfung aus der Zeit des Fürsten Bismarck, ist begründet mit einem
Kapital von hundert Millionen Mark, die der Staat zur Verfügung gestellt
hat. Das Geld ist bereits zum größer" Teile verwendet. Mit ihm hat die
Ansiedlungskommission Grundbesitz angekauft, fast nur Großgrundbesitz, und zwar
überwiegend polnischen Großgrundbesitz oder solchen deutschen, der in der
deutschen Hand noch nicht befestigt war. Diesen Großgrundbesitz verwaltet die
Ansiedlungskommission eine Zeit lang, bis er sich zum mittlern und kleinen
landwirtschaftlichen Betrieb eignet, und thut ihn dann, meist zu Rente, aus
an deutsche Bauern in größern und kleinern Höfen in reicher Abstufung, aber
doch so, daß der mittlere Besitz und Betrieb in der Mehrheit ist, und die Größe
einer Ansiedlungsstelle durchschnittlich etwa sechzig bis siebzig Morgen beträgt.

Die Ansiedlungskommission leistet die tüchtigste Arbeit, die dauerhafteste
Besiedlung, die in der Welt gefunden wird. Man kann annehmen, daß, wenn
die hundert Millionen ausgegeben sind, mit ihnen etwa 40000 Deutsche an¬
gesiedelt sein werden, alles in allem gerechnet, nämlich Erwachsene und Kinder.
Diese 40000 Deutschen werden, so darf man weiter rechnen, ein Achtzigstel des
Bodens von Westpreußen und Posen einnehmen. Die Ansiedlung ist so wurzel
echt, daß man diesen geradezu angesetzten Ansiedlern noch andre zurechnen und
auf das Guthaben der Ansiedlungskommission setzen darf, diese andern gleichsam
lieferbar in den Ostmarken nach einer Reihe von Jahren. Denn der Vorhut der
geradezu angesetzten Ansiedler kommen andre nach und siedeln sich in der Nähe
einer Hauptansiedlung in den umliegenden Dörfern an oder schieben sich in die
Hauptansiedlung selbst ein, indem die Stellen verkleinert werden.

Trotz alledem wird die treue und aufopfernde Thätigkeit der Ansiedlungs¬
kommission die Wagschale zu Gunsten der deutschen Bewohner in den Ostmarken
nicht wesentlich senken. Denn die von ihr geförderten Zahlen sind zu niedrig;
sie werden überschwemmt von der Bevölkeruugswelle, die in Deutschland vou
Osten nach Westen geht und viel deutsches Blut aus den Ostmarken mit sich
führt. Wohl wären die hundert Millionen imstande, diese Strömung umzu¬
kehren und die Welle gleichsam bergauf zu treiben, wenn die mit dem Geld
arbeitende Behörde nicht zu schwerfällig, zu beamtenmäßig wirtschaftete, statt,
wie sie sollte, geschäftsmäßig, kaufmännisch, bartartig. Denn, volkswirtschaftlich
betrachtet, ist doch die Ansiedlungskommission eine staatliche Landbank mit einem
Grundkapital von hundert Millionen Mark. Die Ansiedlungskommission aber,
wie sie. ist, gleicht einem übersorgsamen Gärtner, dessen gütiges Herz es nicht
erträgt, wenn einer seiner lieben Pflänzlinge vergeht. Wenn sonst ein Gärtner
einen großen Obstgarten anlegt, so weiß er, daß ihm zuerst jedes Jahr ein
Teil der heranwachsenden Bäume erkrankt, verkommt, abstirbt. Rechnet der
Gärtner aber schlecht und liebt er seine Bäume zu sehr, so kann er wohl solches
Absterben und Verkommen verhindern; wenn er nämlich neben jeden Baum
einen Wärter stellt, der ihn das ganze Jahr hegt und pflegt und abraupt usw.


Der Kampf in den Gstmarken

eine Schöpfung aus der Zeit des Fürsten Bismarck, ist begründet mit einem
Kapital von hundert Millionen Mark, die der Staat zur Verfügung gestellt
hat. Das Geld ist bereits zum größer» Teile verwendet. Mit ihm hat die
Ansiedlungskommission Grundbesitz angekauft, fast nur Großgrundbesitz, und zwar
überwiegend polnischen Großgrundbesitz oder solchen deutschen, der in der
deutschen Hand noch nicht befestigt war. Diesen Großgrundbesitz verwaltet die
Ansiedlungskommission eine Zeit lang, bis er sich zum mittlern und kleinen
landwirtschaftlichen Betrieb eignet, und thut ihn dann, meist zu Rente, aus
an deutsche Bauern in größern und kleinern Höfen in reicher Abstufung, aber
doch so, daß der mittlere Besitz und Betrieb in der Mehrheit ist, und die Größe
einer Ansiedlungsstelle durchschnittlich etwa sechzig bis siebzig Morgen beträgt.

Die Ansiedlungskommission leistet die tüchtigste Arbeit, die dauerhafteste
Besiedlung, die in der Welt gefunden wird. Man kann annehmen, daß, wenn
die hundert Millionen ausgegeben sind, mit ihnen etwa 40000 Deutsche an¬
gesiedelt sein werden, alles in allem gerechnet, nämlich Erwachsene und Kinder.
Diese 40000 Deutschen werden, so darf man weiter rechnen, ein Achtzigstel des
Bodens von Westpreußen und Posen einnehmen. Die Ansiedlung ist so wurzel
echt, daß man diesen geradezu angesetzten Ansiedlern noch andre zurechnen und
auf das Guthaben der Ansiedlungskommission setzen darf, diese andern gleichsam
lieferbar in den Ostmarken nach einer Reihe von Jahren. Denn der Vorhut der
geradezu angesetzten Ansiedler kommen andre nach und siedeln sich in der Nähe
einer Hauptansiedlung in den umliegenden Dörfern an oder schieben sich in die
Hauptansiedlung selbst ein, indem die Stellen verkleinert werden.

Trotz alledem wird die treue und aufopfernde Thätigkeit der Ansiedlungs¬
kommission die Wagschale zu Gunsten der deutschen Bewohner in den Ostmarken
nicht wesentlich senken. Denn die von ihr geförderten Zahlen sind zu niedrig;
sie werden überschwemmt von der Bevölkeruugswelle, die in Deutschland vou
Osten nach Westen geht und viel deutsches Blut aus den Ostmarken mit sich
führt. Wohl wären die hundert Millionen imstande, diese Strömung umzu¬
kehren und die Welle gleichsam bergauf zu treiben, wenn die mit dem Geld
arbeitende Behörde nicht zu schwerfällig, zu beamtenmäßig wirtschaftete, statt,
wie sie sollte, geschäftsmäßig, kaufmännisch, bartartig. Denn, volkswirtschaftlich
betrachtet, ist doch die Ansiedlungskommission eine staatliche Landbank mit einem
Grundkapital von hundert Millionen Mark. Die Ansiedlungskommission aber,
wie sie. ist, gleicht einem übersorgsamen Gärtner, dessen gütiges Herz es nicht
erträgt, wenn einer seiner lieben Pflänzlinge vergeht. Wenn sonst ein Gärtner
einen großen Obstgarten anlegt, so weiß er, daß ihm zuerst jedes Jahr ein
Teil der heranwachsenden Bäume erkrankt, verkommt, abstirbt. Rechnet der
Gärtner aber schlecht und liebt er seine Bäume zu sehr, so kann er wohl solches
Absterben und Verkommen verhindern; wenn er nämlich neben jeden Baum
einen Wärter stellt, der ihn das ganze Jahr hegt und pflegt und abraupt usw.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222056"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Kampf in den Gstmarken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1380" prev="#ID_1379"> eine Schöpfung aus der Zeit des Fürsten Bismarck, ist begründet mit einem<lb/>
Kapital von hundert Millionen Mark, die der Staat zur Verfügung gestellt<lb/>
hat. Das Geld ist bereits zum größer» Teile verwendet. Mit ihm hat die<lb/>
Ansiedlungskommission Grundbesitz angekauft, fast nur Großgrundbesitz, und zwar<lb/>
überwiegend polnischen Großgrundbesitz oder solchen deutschen, der in der<lb/>
deutschen Hand noch nicht befestigt war. Diesen Großgrundbesitz verwaltet die<lb/>
Ansiedlungskommission eine Zeit lang, bis er sich zum mittlern und kleinen<lb/>
landwirtschaftlichen Betrieb eignet, und thut ihn dann, meist zu Rente, aus<lb/>
an deutsche Bauern in größern und kleinern Höfen in reicher Abstufung, aber<lb/>
doch so, daß der mittlere Besitz und Betrieb in der Mehrheit ist, und die Größe<lb/>
einer Ansiedlungsstelle durchschnittlich etwa sechzig bis siebzig Morgen beträgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1381"> Die Ansiedlungskommission leistet die tüchtigste Arbeit, die dauerhafteste<lb/>
Besiedlung, die in der Welt gefunden wird. Man kann annehmen, daß, wenn<lb/>
die hundert Millionen ausgegeben sind, mit ihnen etwa 40000 Deutsche an¬<lb/>
gesiedelt sein werden, alles in allem gerechnet, nämlich Erwachsene und Kinder.<lb/>
Diese 40000 Deutschen werden, so darf man weiter rechnen, ein Achtzigstel des<lb/>
Bodens von Westpreußen und Posen einnehmen. Die Ansiedlung ist so wurzel<lb/>
echt, daß man diesen geradezu angesetzten Ansiedlern noch andre zurechnen und<lb/>
auf das Guthaben der Ansiedlungskommission setzen darf, diese andern gleichsam<lb/>
lieferbar in den Ostmarken nach einer Reihe von Jahren. Denn der Vorhut der<lb/>
geradezu angesetzten Ansiedler kommen andre nach und siedeln sich in der Nähe<lb/>
einer Hauptansiedlung in den umliegenden Dörfern an oder schieben sich in die<lb/>
Hauptansiedlung selbst ein, indem die Stellen verkleinert werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1382" next="#ID_1383"> Trotz alledem wird die treue und aufopfernde Thätigkeit der Ansiedlungs¬<lb/>
kommission die Wagschale zu Gunsten der deutschen Bewohner in den Ostmarken<lb/>
nicht wesentlich senken. Denn die von ihr geförderten Zahlen sind zu niedrig;<lb/>
sie werden überschwemmt von der Bevölkeruugswelle, die in Deutschland vou<lb/>
Osten nach Westen geht und viel deutsches Blut aus den Ostmarken mit sich<lb/>
führt. Wohl wären die hundert Millionen imstande, diese Strömung umzu¬<lb/>
kehren und die Welle gleichsam bergauf zu treiben, wenn die mit dem Geld<lb/>
arbeitende Behörde nicht zu schwerfällig, zu beamtenmäßig wirtschaftete, statt,<lb/>
wie sie sollte, geschäftsmäßig, kaufmännisch, bartartig. Denn, volkswirtschaftlich<lb/>
betrachtet, ist doch die Ansiedlungskommission eine staatliche Landbank mit einem<lb/>
Grundkapital von hundert Millionen Mark. Die Ansiedlungskommission aber,<lb/>
wie sie. ist, gleicht einem übersorgsamen Gärtner, dessen gütiges Herz es nicht<lb/>
erträgt, wenn einer seiner lieben Pflänzlinge vergeht. Wenn sonst ein Gärtner<lb/>
einen großen Obstgarten anlegt, so weiß er, daß ihm zuerst jedes Jahr ein<lb/>
Teil der heranwachsenden Bäume erkrankt, verkommt, abstirbt. Rechnet der<lb/>
Gärtner aber schlecht und liebt er seine Bäume zu sehr, so kann er wohl solches<lb/>
Absterben und Verkommen verhindern; wenn er nämlich neben jeden Baum<lb/>
einen Wärter stellt, der ihn das ganze Jahr hegt und pflegt und abraupt usw.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0410] Der Kampf in den Gstmarken eine Schöpfung aus der Zeit des Fürsten Bismarck, ist begründet mit einem Kapital von hundert Millionen Mark, die der Staat zur Verfügung gestellt hat. Das Geld ist bereits zum größer» Teile verwendet. Mit ihm hat die Ansiedlungskommission Grundbesitz angekauft, fast nur Großgrundbesitz, und zwar überwiegend polnischen Großgrundbesitz oder solchen deutschen, der in der deutschen Hand noch nicht befestigt war. Diesen Großgrundbesitz verwaltet die Ansiedlungskommission eine Zeit lang, bis er sich zum mittlern und kleinen landwirtschaftlichen Betrieb eignet, und thut ihn dann, meist zu Rente, aus an deutsche Bauern in größern und kleinern Höfen in reicher Abstufung, aber doch so, daß der mittlere Besitz und Betrieb in der Mehrheit ist, und die Größe einer Ansiedlungsstelle durchschnittlich etwa sechzig bis siebzig Morgen beträgt. Die Ansiedlungskommission leistet die tüchtigste Arbeit, die dauerhafteste Besiedlung, die in der Welt gefunden wird. Man kann annehmen, daß, wenn die hundert Millionen ausgegeben sind, mit ihnen etwa 40000 Deutsche an¬ gesiedelt sein werden, alles in allem gerechnet, nämlich Erwachsene und Kinder. Diese 40000 Deutschen werden, so darf man weiter rechnen, ein Achtzigstel des Bodens von Westpreußen und Posen einnehmen. Die Ansiedlung ist so wurzel echt, daß man diesen geradezu angesetzten Ansiedlern noch andre zurechnen und auf das Guthaben der Ansiedlungskommission setzen darf, diese andern gleichsam lieferbar in den Ostmarken nach einer Reihe von Jahren. Denn der Vorhut der geradezu angesetzten Ansiedler kommen andre nach und siedeln sich in der Nähe einer Hauptansiedlung in den umliegenden Dörfern an oder schieben sich in die Hauptansiedlung selbst ein, indem die Stellen verkleinert werden. Trotz alledem wird die treue und aufopfernde Thätigkeit der Ansiedlungs¬ kommission die Wagschale zu Gunsten der deutschen Bewohner in den Ostmarken nicht wesentlich senken. Denn die von ihr geförderten Zahlen sind zu niedrig; sie werden überschwemmt von der Bevölkeruugswelle, die in Deutschland vou Osten nach Westen geht und viel deutsches Blut aus den Ostmarken mit sich führt. Wohl wären die hundert Millionen imstande, diese Strömung umzu¬ kehren und die Welle gleichsam bergauf zu treiben, wenn die mit dem Geld arbeitende Behörde nicht zu schwerfällig, zu beamtenmäßig wirtschaftete, statt, wie sie sollte, geschäftsmäßig, kaufmännisch, bartartig. Denn, volkswirtschaftlich betrachtet, ist doch die Ansiedlungskommission eine staatliche Landbank mit einem Grundkapital von hundert Millionen Mark. Die Ansiedlungskommission aber, wie sie. ist, gleicht einem übersorgsamen Gärtner, dessen gütiges Herz es nicht erträgt, wenn einer seiner lieben Pflänzlinge vergeht. Wenn sonst ein Gärtner einen großen Obstgarten anlegt, so weiß er, daß ihm zuerst jedes Jahr ein Teil der heranwachsenden Bäume erkrankt, verkommt, abstirbt. Rechnet der Gärtner aber schlecht und liebt er seine Bäume zu sehr, so kann er wohl solches Absterben und Verkommen verhindern; wenn er nämlich neben jeden Baum einen Wärter stellt, der ihn das ganze Jahr hegt und pflegt und abraupt usw.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/410
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/410>, abgerufen am 01.09.2024.