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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Englische Vündnisbestrebungen

le gewaltig die Ereignisse der letzten zwei Monate die öffentliche
Meinung in England mit Bezug auf die auswärtigen Beziehungen
des Königreichs aufgerüttelt haben, und wie begierig verantwort¬
liche und unverantwortliche Politiker nach Bündnissen und son¬
stigen Schutzmitteln gegen die von allen Seiten drohenden Ge¬
fahren ausspähen, dafür liefern die Februarnummern aller bedeutenden englischen
Monatsschriften die Beweise. Die sorgfältigere und leidenschaftslosere Be¬
handlung der Streitfragen, wie sie sich in hervorragenden Zeitschrift"!, findet,
verleiht natürlich dem Gesagten einen größern Wert, als ihn die flüchtig hin-
geworfnen Sätze, die in der Tagespreise der Drang des Augenblicks hervor¬
bringt, für sich beanspruchen können. Und da diese zahlreichen und eingehenden
Besprechungen Ziele und Bestrebungen Englands betreffen, von denen Deutsch¬
land sehr wesentlich berührt wird, so lohnt es der Mühe, in dem reichen
Material Umschau zu halten, um einen Einblick zu gewinnen in die Gedanken,
Hoffnungen und Pläne, die zur Zeit in der englischen Volksseele lebendig sind.

An Mannichfaltigkeit fehlt es nicht. Die Stellung Englands zum Drei¬
bunde, seine Beziehungen zu Frankreich und Rußland, die armenische Frage,
die amerikanischen Schwierigkeiten, die Verwicklung im Transvaal, die- Fähig¬
keit Großbritanniens, die Seeherrschaft zu behaupten und die Landung feind¬
licher Truppen zu verhindern, die Anschaffung von Mundvorräten im Fall
mich langen Krieges, die verhältnismäßige Kriegstüchtigkeit der Miliz und
der Freiwilligen -- alle diese Gegenstände werden mit dem lebhaften Interesse
behandelt, das einer unmittelbaren Bedrängnis entspringt. Nirgends findet
sich hier ein Wiederhall von Lord Salisburhs selbstgefälliger Annahme, daß
Großbritannien, wenn es nur innerlich geeinigt sei, seine Jsolirung nach außen
als gleichgiltig ansehen könne und es mit der ganzen Welt aufzunehmen im-


Grenzboten I 1896 45


Englische Vündnisbestrebungen

le gewaltig die Ereignisse der letzten zwei Monate die öffentliche
Meinung in England mit Bezug auf die auswärtigen Beziehungen
des Königreichs aufgerüttelt haben, und wie begierig verantwort¬
liche und unverantwortliche Politiker nach Bündnissen und son¬
stigen Schutzmitteln gegen die von allen Seiten drohenden Ge¬
fahren ausspähen, dafür liefern die Februarnummern aller bedeutenden englischen
Monatsschriften die Beweise. Die sorgfältigere und leidenschaftslosere Be¬
handlung der Streitfragen, wie sie sich in hervorragenden Zeitschrift«!, findet,
verleiht natürlich dem Gesagten einen größern Wert, als ihn die flüchtig hin-
geworfnen Sätze, die in der Tagespreise der Drang des Augenblicks hervor¬
bringt, für sich beanspruchen können. Und da diese zahlreichen und eingehenden
Besprechungen Ziele und Bestrebungen Englands betreffen, von denen Deutsch¬
land sehr wesentlich berührt wird, so lohnt es der Mühe, in dem reichen
Material Umschau zu halten, um einen Einblick zu gewinnen in die Gedanken,
Hoffnungen und Pläne, die zur Zeit in der englischen Volksseele lebendig sind.

An Mannichfaltigkeit fehlt es nicht. Die Stellung Englands zum Drei¬
bunde, seine Beziehungen zu Frankreich und Rußland, die armenische Frage,
die amerikanischen Schwierigkeiten, die Verwicklung im Transvaal, die- Fähig¬
keit Großbritanniens, die Seeherrschaft zu behaupten und die Landung feind¬
licher Truppen zu verhindern, die Anschaffung von Mundvorräten im Fall
mich langen Krieges, die verhältnismäßige Kriegstüchtigkeit der Miliz und
der Freiwilligen — alle diese Gegenstände werden mit dem lebhaften Interesse
behandelt, das einer unmittelbaren Bedrängnis entspringt. Nirgends findet
sich hier ein Wiederhall von Lord Salisburhs selbstgefälliger Annahme, daß
Großbritannien, wenn es nur innerlich geeinigt sei, seine Jsolirung nach außen
als gleichgiltig ansehen könne und es mit der ganzen Welt aufzunehmen im-


Grenzboten I 1896 45
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[0361] [Abbildung] Englische Vündnisbestrebungen le gewaltig die Ereignisse der letzten zwei Monate die öffentliche Meinung in England mit Bezug auf die auswärtigen Beziehungen des Königreichs aufgerüttelt haben, und wie begierig verantwort¬ liche und unverantwortliche Politiker nach Bündnissen und son¬ stigen Schutzmitteln gegen die von allen Seiten drohenden Ge¬ fahren ausspähen, dafür liefern die Februarnummern aller bedeutenden englischen Monatsschriften die Beweise. Die sorgfältigere und leidenschaftslosere Be¬ handlung der Streitfragen, wie sie sich in hervorragenden Zeitschrift«!, findet, verleiht natürlich dem Gesagten einen größern Wert, als ihn die flüchtig hin- geworfnen Sätze, die in der Tagespreise der Drang des Augenblicks hervor¬ bringt, für sich beanspruchen können. Und da diese zahlreichen und eingehenden Besprechungen Ziele und Bestrebungen Englands betreffen, von denen Deutsch¬ land sehr wesentlich berührt wird, so lohnt es der Mühe, in dem reichen Material Umschau zu halten, um einen Einblick zu gewinnen in die Gedanken, Hoffnungen und Pläne, die zur Zeit in der englischen Volksseele lebendig sind. An Mannichfaltigkeit fehlt es nicht. Die Stellung Englands zum Drei¬ bunde, seine Beziehungen zu Frankreich und Rußland, die armenische Frage, die amerikanischen Schwierigkeiten, die Verwicklung im Transvaal, die- Fähig¬ keit Großbritanniens, die Seeherrschaft zu behaupten und die Landung feind¬ licher Truppen zu verhindern, die Anschaffung von Mundvorräten im Fall mich langen Krieges, die verhältnismäßige Kriegstüchtigkeit der Miliz und der Freiwilligen — alle diese Gegenstände werden mit dem lebhaften Interesse behandelt, das einer unmittelbaren Bedrängnis entspringt. Nirgends findet sich hier ein Wiederhall von Lord Salisburhs selbstgefälliger Annahme, daß Großbritannien, wenn es nur innerlich geeinigt sei, seine Jsolirung nach außen als gleichgiltig ansehen könne und es mit der ganzen Welt aufzunehmen im- Grenzboten I 1896 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/361>, abgerufen am 01.09.2024.