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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Die Kunst

Partei breittritt, so hat diese kein Recht, zu klage"; versäumt sie ja doch nicht,
sich zu entschädigen. Und so kommt durch diese Art Arbeitsteilung ein an¬
nähernd richtiges Bild der Wirklichkeit zustande, was für den beobachtenden
Gelehrten wie für den praktischen Politiker immerhin von Wert ist.

Auch in der Unterhaltung mit meinen Pfarrkindern legte ich die Worte
auf die Goldwage. Sie waren ja meistens bäuerlich einfältig und harmlos,
mir auch wohl nicht abgeneigt; aber ein paar gingen doch fleißig zum Propst
Hübner, um Bericht zu erstatte" und sich Verhaltungsmaßregeln zu holen;
besonders der Schmied, ein kluger Man" und auch sonst ein Mustermensch.
Er that ab und zu eine wohlüberlegte Frage und schaute mich dabei mit
forschenden Blicken an. Was meinen Sie wohl, sagte er das einemal, ob es
zur Revolution kommen wird? (nämlich wegen der Maigesetze). Die ist bei
unsrer Militärverfassung nicht möglich, erwiderte ich. Das ist richtig, bemerkte
er, sie ist nicht möglich. Auch einige von den Schulkindern stellten mir Fallen.
Es waren gute Kinder; ich bin, mit Ausnahme eines einzigen Falles, die
ganze" vier Jahre nie auch nur in die Versuchung gekommen, zum Stock zu
greife", aber in diesem Punkte waren sie von den Eltern dresstrt. Als ich
einmal Beispiele von Unglauben aufzählen ließ, sagte der eine Knabe: wenn
manche nicht glauben wollen, daß der heilige Vater unfehlbar ist, und alle
sahen mich neugierig an; ich weiß nicht mehr, wie ich mich dabei verhalten
habe. Also ich nahm mich in acht, und zwei Aufforderungen, die Leitung
altkatholischer Gemeinden zu übernehmen, eine aus Breslau und eine aus
Anfsig in Böhmen, lehnte ich ab. Aber was kommen soll, kommt doch.

(Fortsetzung folgt)




Die Kunst Theodor Duimchen Lrzählung von(Schluß)

s war nur wenige Tage später, ein wundervoller tauiger
Sommermorgen. Erika saß mit Onkel und Tante unter der
Veranda beim ersten Frühstück. Onkel Moller war schon fertig,
er rauchte seine Morgencigarre und wartete auf die Zeitungen
und auf Herrn Biermcm, der ihn zum vorgeschriebnen Spazier¬
gange abholen wollte.

Erika wußte, daß am Tage vorher die Entscheidung gefallen war, die
über ihr Lebensglück entschied. Vielleicht stand es schon im Amtsblatt, wer


Die Kunst

Partei breittritt, so hat diese kein Recht, zu klage»; versäumt sie ja doch nicht,
sich zu entschädigen. Und so kommt durch diese Art Arbeitsteilung ein an¬
nähernd richtiges Bild der Wirklichkeit zustande, was für den beobachtenden
Gelehrten wie für den praktischen Politiker immerhin von Wert ist.

Auch in der Unterhaltung mit meinen Pfarrkindern legte ich die Worte
auf die Goldwage. Sie waren ja meistens bäuerlich einfältig und harmlos,
mir auch wohl nicht abgeneigt; aber ein paar gingen doch fleißig zum Propst
Hübner, um Bericht zu erstatte» und sich Verhaltungsmaßregeln zu holen;
besonders der Schmied, ein kluger Man» und auch sonst ein Mustermensch.
Er that ab und zu eine wohlüberlegte Frage und schaute mich dabei mit
forschenden Blicken an. Was meinen Sie wohl, sagte er das einemal, ob es
zur Revolution kommen wird? (nämlich wegen der Maigesetze). Die ist bei
unsrer Militärverfassung nicht möglich, erwiderte ich. Das ist richtig, bemerkte
er, sie ist nicht möglich. Auch einige von den Schulkindern stellten mir Fallen.
Es waren gute Kinder; ich bin, mit Ausnahme eines einzigen Falles, die
ganze» vier Jahre nie auch nur in die Versuchung gekommen, zum Stock zu
greife», aber in diesem Punkte waren sie von den Eltern dresstrt. Als ich
einmal Beispiele von Unglauben aufzählen ließ, sagte der eine Knabe: wenn
manche nicht glauben wollen, daß der heilige Vater unfehlbar ist, und alle
sahen mich neugierig an; ich weiß nicht mehr, wie ich mich dabei verhalten
habe. Also ich nahm mich in acht, und zwei Aufforderungen, die Leitung
altkatholischer Gemeinden zu übernehmen, eine aus Breslau und eine aus
Anfsig in Böhmen, lehnte ich ab. Aber was kommen soll, kommt doch.

(Fortsetzung folgt)




Die Kunst Theodor Duimchen Lrzählung von(Schluß)

s war nur wenige Tage später, ein wundervoller tauiger
Sommermorgen. Erika saß mit Onkel und Tante unter der
Veranda beim ersten Frühstück. Onkel Moller war schon fertig,
er rauchte seine Morgencigarre und wartete auf die Zeitungen
und auf Herrn Biermcm, der ihn zum vorgeschriebnen Spazier¬
gange abholen wollte.

Erika wußte, daß am Tage vorher die Entscheidung gefallen war, die
über ihr Lebensglück entschied. Vielleicht stand es schon im Amtsblatt, wer


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[0342] Die Kunst Partei breittritt, so hat diese kein Recht, zu klage»; versäumt sie ja doch nicht, sich zu entschädigen. Und so kommt durch diese Art Arbeitsteilung ein an¬ nähernd richtiges Bild der Wirklichkeit zustande, was für den beobachtenden Gelehrten wie für den praktischen Politiker immerhin von Wert ist. Auch in der Unterhaltung mit meinen Pfarrkindern legte ich die Worte auf die Goldwage. Sie waren ja meistens bäuerlich einfältig und harmlos, mir auch wohl nicht abgeneigt; aber ein paar gingen doch fleißig zum Propst Hübner, um Bericht zu erstatte» und sich Verhaltungsmaßregeln zu holen; besonders der Schmied, ein kluger Man» und auch sonst ein Mustermensch. Er that ab und zu eine wohlüberlegte Frage und schaute mich dabei mit forschenden Blicken an. Was meinen Sie wohl, sagte er das einemal, ob es zur Revolution kommen wird? (nämlich wegen der Maigesetze). Die ist bei unsrer Militärverfassung nicht möglich, erwiderte ich. Das ist richtig, bemerkte er, sie ist nicht möglich. Auch einige von den Schulkindern stellten mir Fallen. Es waren gute Kinder; ich bin, mit Ausnahme eines einzigen Falles, die ganze» vier Jahre nie auch nur in die Versuchung gekommen, zum Stock zu greife», aber in diesem Punkte waren sie von den Eltern dresstrt. Als ich einmal Beispiele von Unglauben aufzählen ließ, sagte der eine Knabe: wenn manche nicht glauben wollen, daß der heilige Vater unfehlbar ist, und alle sahen mich neugierig an; ich weiß nicht mehr, wie ich mich dabei verhalten habe. Also ich nahm mich in acht, und zwei Aufforderungen, die Leitung altkatholischer Gemeinden zu übernehmen, eine aus Breslau und eine aus Anfsig in Böhmen, lehnte ich ab. Aber was kommen soll, kommt doch. (Fortsetzung folgt) Die Kunst Theodor Duimchen Lrzählung von(Schluß) s war nur wenige Tage später, ein wundervoller tauiger Sommermorgen. Erika saß mit Onkel und Tante unter der Veranda beim ersten Frühstück. Onkel Moller war schon fertig, er rauchte seine Morgencigarre und wartete auf die Zeitungen und auf Herrn Biermcm, der ihn zum vorgeschriebnen Spazier¬ gange abholen wollte. Erika wußte, daß am Tage vorher die Entscheidung gefallen war, die über ihr Lebensglück entschied. Vielleicht stand es schon im Amtsblatt, wer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/342>, abgerufen am 25.11.2024.