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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Wandlungen des Ich im Zeitenstrome

eorum M-oolio xioxrio se cluodu8 tostidus geschlossen werden dürfe, und daß
jede Ehe, die ohne diese Zeugenschaft eingegangen wird, ungiltig sein soll.
Aber diese Vorschrift gilt nur für die Gegenden, wo die Beschlüsse des Tri-
dentinums verkündigt worden sind, d.h. für die katholischen Lander; in den
rein oder überwiegend protestantischen Ländern wird angenommen, daß wegen
nicht vollzogner Verkündigung die Bestimmung keine Kraft habe, Ehen von
Katholiken daher, die ohne jene Zeugenschaft geschlossen werden, nach wie vor
giltig seien. Demnach sind in solchen Gegenden auch die gemischten Ehen
giltig, die in der evangelischen Kirche geschlossen werden; nicht etwa weil der
evangelischen Einsegnung die eheschließende Kraft zugestanden würde, eine solche
Kraft hat auch die katholische Einsegnung nicht, sondern weil eben die An¬
wesenheit des katholischen Pfarres nicht erforderlich ist. Nur insofern ist die
evangelische Trauung auch vom katholischen Standpunkt aus von Wert, als
ja dadurch ebenfalls, sowie durch das Zeugnis des Standesbeamten, jenem
Übelstande abgeholfen wird, dem die tridentinische Bestimmung abhelfen sollte,
dem Maugel der öffentlichen Beurkundung bei formlos abgeschlossenen Ehen.
Dieser Rechtszustand ist von Benedikt XIV. für die Niederlande ausdrücklich
anerkannt worden, und auf Anfragen aus der Diözese Vreslau ist die Antwort
ergangen, daß das Breve des genannten Papstes auch für die dortigen ge¬
mischten Ehen gelte. Für die ehemals rein protestantischen Provinzen Branden¬
burg und Pommern, die erst vor einigen Jahrzehnten als Delegaturbezirk der
Diözese angegliedert worden sind, versteht es sich von selbst. Sauers Hand¬
buch für Pfarrer, das über diese Verhältnisse Auskunft giebt, ist mir ab¬
handen gekommen, ich kann daher die erwähnten Entscheidungen der römischen
Kurie uicht anführen. Die Realencyklopädie von Herzog und Pult und
Schuttes Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts enthalten aber wenigstens das
allgemeine. In der Encyklopädie (4. Band, S. 79) schreibt Scheurl: "Nach
dem Recht der katholischen Kirche kann durch die bürgerliche Eheschließung
eine Ehe, welche zugleich rg,rum und Iizg'itimum matriinoniuin wäre, nur da
zustande kommen, wo das tridentinische Dekret nicht publizirt ist; wo dieses
publizirt oder ohne Publikation in Übung ist, kann die bürgerlich geschlossene
Ehe '! erst dadurch ratum eng-trimoniuro. werden, daß die Schließung in der
hierin vorgeschriebnen Form nachfolgt. Solange dies nicht geschieht, haben
die geistlichen Gerichte, als Gewissensgerichte, die Ehe als mit dem iinpecli-
inemwm o1g.na"Z8kinn^i8 behaftet zu behandeln." Und Schulte a.a.O. Seite 447:
"In denjenigen Gegenden und Pfarreien, wo das angegebne Dekret des Kon¬
zils von Trient weder besonders publizirt noch durch Observanz in Gebrauch
ist, gilt das vortridentinische kanonische Recht. Zur Giltigkeit der Ehe ist
dort jnur^ notwendig der wirklich zustande gekommne oonse-usus, sei er dnrch
vsrbg, <1<z xm"Z86uti erklärt (8xcm8g,1ig. ü" xrg,Wemti), oder sei zu einem Ver¬
löbnis der Lonouditus getreten,"


Wandlungen des Ich im Zeitenstrome

eorum M-oolio xioxrio se cluodu8 tostidus geschlossen werden dürfe, und daß
jede Ehe, die ohne diese Zeugenschaft eingegangen wird, ungiltig sein soll.
Aber diese Vorschrift gilt nur für die Gegenden, wo die Beschlüsse des Tri-
dentinums verkündigt worden sind, d.h. für die katholischen Lander; in den
rein oder überwiegend protestantischen Ländern wird angenommen, daß wegen
nicht vollzogner Verkündigung die Bestimmung keine Kraft habe, Ehen von
Katholiken daher, die ohne jene Zeugenschaft geschlossen werden, nach wie vor
giltig seien. Demnach sind in solchen Gegenden auch die gemischten Ehen
giltig, die in der evangelischen Kirche geschlossen werden; nicht etwa weil der
evangelischen Einsegnung die eheschließende Kraft zugestanden würde, eine solche
Kraft hat auch die katholische Einsegnung nicht, sondern weil eben die An¬
wesenheit des katholischen Pfarres nicht erforderlich ist. Nur insofern ist die
evangelische Trauung auch vom katholischen Standpunkt aus von Wert, als
ja dadurch ebenfalls, sowie durch das Zeugnis des Standesbeamten, jenem
Übelstande abgeholfen wird, dem die tridentinische Bestimmung abhelfen sollte,
dem Maugel der öffentlichen Beurkundung bei formlos abgeschlossenen Ehen.
Dieser Rechtszustand ist von Benedikt XIV. für die Niederlande ausdrücklich
anerkannt worden, und auf Anfragen aus der Diözese Vreslau ist die Antwort
ergangen, daß das Breve des genannten Papstes auch für die dortigen ge¬
mischten Ehen gelte. Für die ehemals rein protestantischen Provinzen Branden¬
burg und Pommern, die erst vor einigen Jahrzehnten als Delegaturbezirk der
Diözese angegliedert worden sind, versteht es sich von selbst. Sauers Hand¬
buch für Pfarrer, das über diese Verhältnisse Auskunft giebt, ist mir ab¬
handen gekommen, ich kann daher die erwähnten Entscheidungen der römischen
Kurie uicht anführen. Die Realencyklopädie von Herzog und Pult und
Schuttes Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts enthalten aber wenigstens das
allgemeine. In der Encyklopädie (4. Band, S. 79) schreibt Scheurl: „Nach
dem Recht der katholischen Kirche kann durch die bürgerliche Eheschließung
eine Ehe, welche zugleich rg,rum und Iizg'itimum matriinoniuin wäre, nur da
zustande kommen, wo das tridentinische Dekret nicht publizirt ist; wo dieses
publizirt oder ohne Publikation in Übung ist, kann die bürgerlich geschlossene
Ehe '! erst dadurch ratum eng-trimoniuro. werden, daß die Schließung in der
hierin vorgeschriebnen Form nachfolgt. Solange dies nicht geschieht, haben
die geistlichen Gerichte, als Gewissensgerichte, die Ehe als mit dem iinpecli-
inemwm o1g.na«Z8kinn^i8 behaftet zu behandeln." Und Schulte a.a.O. Seite 447:
„In denjenigen Gegenden und Pfarreien, wo das angegebne Dekret des Kon¬
zils von Trient weder besonders publizirt noch durch Observanz in Gebrauch
ist, gilt das vortridentinische kanonische Recht. Zur Giltigkeit der Ehe ist
dort jnur^ notwendig der wirklich zustande gekommne oonse-usus, sei er dnrch
vsrbg, <1<z xm«Z86uti erklärt (8xcm8g,1ig. ü« xrg,Wemti), oder sei zu einem Ver¬
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[0334] Wandlungen des Ich im Zeitenstrome eorum M-oolio xioxrio se cluodu8 tostidus geschlossen werden dürfe, und daß jede Ehe, die ohne diese Zeugenschaft eingegangen wird, ungiltig sein soll. Aber diese Vorschrift gilt nur für die Gegenden, wo die Beschlüsse des Tri- dentinums verkündigt worden sind, d.h. für die katholischen Lander; in den rein oder überwiegend protestantischen Ländern wird angenommen, daß wegen nicht vollzogner Verkündigung die Bestimmung keine Kraft habe, Ehen von Katholiken daher, die ohne jene Zeugenschaft geschlossen werden, nach wie vor giltig seien. Demnach sind in solchen Gegenden auch die gemischten Ehen giltig, die in der evangelischen Kirche geschlossen werden; nicht etwa weil der evangelischen Einsegnung die eheschließende Kraft zugestanden würde, eine solche Kraft hat auch die katholische Einsegnung nicht, sondern weil eben die An¬ wesenheit des katholischen Pfarres nicht erforderlich ist. Nur insofern ist die evangelische Trauung auch vom katholischen Standpunkt aus von Wert, als ja dadurch ebenfalls, sowie durch das Zeugnis des Standesbeamten, jenem Übelstande abgeholfen wird, dem die tridentinische Bestimmung abhelfen sollte, dem Maugel der öffentlichen Beurkundung bei formlos abgeschlossenen Ehen. Dieser Rechtszustand ist von Benedikt XIV. für die Niederlande ausdrücklich anerkannt worden, und auf Anfragen aus der Diözese Vreslau ist die Antwort ergangen, daß das Breve des genannten Papstes auch für die dortigen ge¬ mischten Ehen gelte. Für die ehemals rein protestantischen Provinzen Branden¬ burg und Pommern, die erst vor einigen Jahrzehnten als Delegaturbezirk der Diözese angegliedert worden sind, versteht es sich von selbst. Sauers Hand¬ buch für Pfarrer, das über diese Verhältnisse Auskunft giebt, ist mir ab¬ handen gekommen, ich kann daher die erwähnten Entscheidungen der römischen Kurie uicht anführen. Die Realencyklopädie von Herzog und Pult und Schuttes Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts enthalten aber wenigstens das allgemeine. In der Encyklopädie (4. Band, S. 79) schreibt Scheurl: „Nach dem Recht der katholischen Kirche kann durch die bürgerliche Eheschließung eine Ehe, welche zugleich rg,rum und Iizg'itimum matriinoniuin wäre, nur da zustande kommen, wo das tridentinische Dekret nicht publizirt ist; wo dieses publizirt oder ohne Publikation in Übung ist, kann die bürgerlich geschlossene Ehe '! erst dadurch ratum eng-trimoniuro. werden, daß die Schließung in der hierin vorgeschriebnen Form nachfolgt. Solange dies nicht geschieht, haben die geistlichen Gerichte, als Gewissensgerichte, die Ehe als mit dem iinpecli- inemwm o1g.na«Z8kinn^i8 behaftet zu behandeln." Und Schulte a.a.O. Seite 447: „In denjenigen Gegenden und Pfarreien, wo das angegebne Dekret des Kon¬ zils von Trient weder besonders publizirt noch durch Observanz in Gebrauch ist, gilt das vortridentinische kanonische Recht. Zur Giltigkeit der Ehe ist dort jnur^ notwendig der wirklich zustande gekommne oonse-usus, sei er dnrch vsrbg, <1<z xm«Z86uti erklärt (8xcm8g,1ig. ü« xrg,Wemti), oder sei zu einem Ver¬ löbnis der Lonouditus getreten,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/334>, abgerufen am 06.10.2024.