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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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von den Berliner Theatern

kein Heusels Wohnung und findet dort ein gastliches Duch. Der Mann braucht
Berlin zur Ausnützung eines Patents, um Erzgüsse im Ganzen herzustellen. Aber
auch Geld hat er nötig und hat keins in der Tasche. Fräulein Olga will es
schaffen, Heyne soll es borgen. Hierum dreht sich vorwiegend die Handlung oder
das Wünschen und Hoffen!dieser drei Menschen. Olga mochte alles für Wehlaut
thun, denn sie liebt ihn; der Mann aus Amerika aber ist skeptisch, und seiue
Taschen bleiben zugeknöpft. Einen ehrlich gemeinten Heiratscmtrng, den er seiner
Jugendgespielin macht, läßt sie ohne bestimmte Antwort. Glücklicher ist Ebert, der
Student. Bertha ans Graudenz entfacht seine Sinne, und schon scheinen die Dinge
wie in der "Jugend" gehen zu wolle". Da kommt Olga über die mit einander
Kosenden, es fällt das Wort Braut, und alsbald ist das Verhältnis fertig, das
man eine Verlobung nennt. Das soll wohl eine Verspottung der Art sein, wie
heute manchmal solche Verlöbnisse zustande kommen; Liebe ist bei der Sache nicht
im Spiele; das Mädchen aus Graudenz erklärt sogar, Liebe sei Unsinn; "Pupa"
habe "Mama" auch ohne Liebe genommen, und es gehe recht gut so. Armes
Graudenz!

Soweit ist es nun drei Akte gegangen, und keineswegs ohne hübsch getönte
Stimmungen, ohne humoristische Lichter, ohne sicheres Auseinanderhalten der
-- wenn auch zum Teil unsympathischen und verzerrten -- Gestalten. Da fühlt
der Dichter den Drang nach so etwas wie Romantik., Wir kommen in den
Raum, wo Weylands Schmelzofen erglüht, damit seine Gußerfindung erprobt
werde. Hier enthaltnen sich einige Leute, die gern in ihren Erinnerungen kramen,
daß vor Jahr und Tag schon einmal ein Dichter (Herr Bürger-Lnbliner) mit
solch einem Glühofen Effekt zu machen versucht hat. "Gold und Eisen" hieß
damals der Rahmen der Schmelzgeschichte, bei der es aber, wenn wir nicht irren,
etwas amüsanter zuging als! bei Herrn Halbe. Es ist ja müßig, solches Sicherinner"
und Vergleichen; aber da die Modernen durchaus modern sein wollen, so ist es
vielleicht manchmal angebracht, zu sagen, daß ihre technischen Mittelchen nicht immer
neu sind.

Angesichts des Weylandschen Glühofens unterhält man sich nur von Geld
und Liebe. Heyne, der Amerikaner, soll das erste geben, er thut es aber uicht,
weil er das zweite zwischen dem Erzgießer und Olga Vorhäute" glaubt. Es bedarf
erst der "Lebenswerte," um ihn anders zu stimmen. Zu dieser kommt es, indem
Weyland der Olga endgiltig einen Korb giebt, Heyne sich von der Vortrefflichkeit
seines vermeintlichen Nebenbuhlers überzeugt und dem Patent mit seinen Mitteln
beispringt, der Student Ebert eine Erbschaft macht, sich von Weyland ab "wendet"
und Verlobter der Bertha bleibt, Olga endlich sich weinend vor das Bild ihres
toten Bräutigams begiebt und uns im Ungewissen läßt, ob sie den Heyne noch
freien wird oder nicht. Weylands Erfindung aber triumphirt. Ein zweiter Ben-
venuto Cellini, sieht er den Guß der Form entspringen: der borghesische Fechter
steht tadellos da. Weyland und Heyne nehmen ihn als Zeichen, daß sie fortan
Kämpfer sein werden.

Die zwei Akte, in denen das zuletzt Erzählte geschieht, verflachen sich gegen
deu Schluß hin immer mehr. Herr Halbe hat zuletzt wohl das Bedürfnis nach
Handlung gehabt; und so bringt er denn im letzten Akt ein technisch mehr als
schülerhaftes Herein und Hinaus seiner Leute, ein Verwechseln und Verschwinden,
ein Schüßlein Eifersucht durch ein vergessenes Tüchlein, ein Liedlein am Klavier,
einen trinkseligen Berliner Hauswirt, der es auch auf Olga abgesehen hat, und
ewiges mehr. Alle treffen einander in Weylands Werkstatt, die im Hinterhause


von den Berliner Theatern

kein Heusels Wohnung und findet dort ein gastliches Duch. Der Mann braucht
Berlin zur Ausnützung eines Patents, um Erzgüsse im Ganzen herzustellen. Aber
auch Geld hat er nötig und hat keins in der Tasche. Fräulein Olga will es
schaffen, Heyne soll es borgen. Hierum dreht sich vorwiegend die Handlung oder
das Wünschen und Hoffen!dieser drei Menschen. Olga mochte alles für Wehlaut
thun, denn sie liebt ihn; der Mann aus Amerika aber ist skeptisch, und seiue
Taschen bleiben zugeknöpft. Einen ehrlich gemeinten Heiratscmtrng, den er seiner
Jugendgespielin macht, läßt sie ohne bestimmte Antwort. Glücklicher ist Ebert, der
Student. Bertha ans Graudenz entfacht seine Sinne, und schon scheinen die Dinge
wie in der „Jugend" gehen zu wolle». Da kommt Olga über die mit einander
Kosenden, es fällt das Wort Braut, und alsbald ist das Verhältnis fertig, das
man eine Verlobung nennt. Das soll wohl eine Verspottung der Art sein, wie
heute manchmal solche Verlöbnisse zustande kommen; Liebe ist bei der Sache nicht
im Spiele; das Mädchen aus Graudenz erklärt sogar, Liebe sei Unsinn; „Pupa"
habe „Mama" auch ohne Liebe genommen, und es gehe recht gut so. Armes
Graudenz!

Soweit ist es nun drei Akte gegangen, und keineswegs ohne hübsch getönte
Stimmungen, ohne humoristische Lichter, ohne sicheres Auseinanderhalten der
— wenn auch zum Teil unsympathischen und verzerrten — Gestalten. Da fühlt
der Dichter den Drang nach so etwas wie Romantik., Wir kommen in den
Raum, wo Weylands Schmelzofen erglüht, damit seine Gußerfindung erprobt
werde. Hier enthaltnen sich einige Leute, die gern in ihren Erinnerungen kramen,
daß vor Jahr und Tag schon einmal ein Dichter (Herr Bürger-Lnbliner) mit
solch einem Glühofen Effekt zu machen versucht hat. „Gold und Eisen" hieß
damals der Rahmen der Schmelzgeschichte, bei der es aber, wenn wir nicht irren,
etwas amüsanter zuging als! bei Herrn Halbe. Es ist ja müßig, solches Sicherinner»
und Vergleichen; aber da die Modernen durchaus modern sein wollen, so ist es
vielleicht manchmal angebracht, zu sagen, daß ihre technischen Mittelchen nicht immer
neu sind.

Angesichts des Weylandschen Glühofens unterhält man sich nur von Geld
und Liebe. Heyne, der Amerikaner, soll das erste geben, er thut es aber uicht,
weil er das zweite zwischen dem Erzgießer und Olga Vorhäute» glaubt. Es bedarf
erst der „Lebenswerte," um ihn anders zu stimmen. Zu dieser kommt es, indem
Weyland der Olga endgiltig einen Korb giebt, Heyne sich von der Vortrefflichkeit
seines vermeintlichen Nebenbuhlers überzeugt und dem Patent mit seinen Mitteln
beispringt, der Student Ebert eine Erbschaft macht, sich von Weyland ab „wendet"
und Verlobter der Bertha bleibt, Olga endlich sich weinend vor das Bild ihres
toten Bräutigams begiebt und uns im Ungewissen läßt, ob sie den Heyne noch
freien wird oder nicht. Weylands Erfindung aber triumphirt. Ein zweiter Ben-
venuto Cellini, sieht er den Guß der Form entspringen: der borghesische Fechter
steht tadellos da. Weyland und Heyne nehmen ihn als Zeichen, daß sie fortan
Kämpfer sein werden.

Die zwei Akte, in denen das zuletzt Erzählte geschieht, verflachen sich gegen
deu Schluß hin immer mehr. Herr Halbe hat zuletzt wohl das Bedürfnis nach
Handlung gehabt; und so bringt er denn im letzten Akt ein technisch mehr als
schülerhaftes Herein und Hinaus seiner Leute, ein Verwechseln und Verschwinden,
ein Schüßlein Eifersucht durch ein vergessenes Tüchlein, ein Liedlein am Klavier,
einen trinkseligen Berliner Hauswirt, der es auch auf Olga abgesehen hat, und
ewiges mehr. Alle treffen einander in Weylands Werkstatt, die im Hinterhause


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[0292] von den Berliner Theatern kein Heusels Wohnung und findet dort ein gastliches Duch. Der Mann braucht Berlin zur Ausnützung eines Patents, um Erzgüsse im Ganzen herzustellen. Aber auch Geld hat er nötig und hat keins in der Tasche. Fräulein Olga will es schaffen, Heyne soll es borgen. Hierum dreht sich vorwiegend die Handlung oder das Wünschen und Hoffen!dieser drei Menschen. Olga mochte alles für Wehlaut thun, denn sie liebt ihn; der Mann aus Amerika aber ist skeptisch, und seiue Taschen bleiben zugeknöpft. Einen ehrlich gemeinten Heiratscmtrng, den er seiner Jugendgespielin macht, läßt sie ohne bestimmte Antwort. Glücklicher ist Ebert, der Student. Bertha ans Graudenz entfacht seine Sinne, und schon scheinen die Dinge wie in der „Jugend" gehen zu wolle». Da kommt Olga über die mit einander Kosenden, es fällt das Wort Braut, und alsbald ist das Verhältnis fertig, das man eine Verlobung nennt. Das soll wohl eine Verspottung der Art sein, wie heute manchmal solche Verlöbnisse zustande kommen; Liebe ist bei der Sache nicht im Spiele; das Mädchen aus Graudenz erklärt sogar, Liebe sei Unsinn; „Pupa" habe „Mama" auch ohne Liebe genommen, und es gehe recht gut so. Armes Graudenz! Soweit ist es nun drei Akte gegangen, und keineswegs ohne hübsch getönte Stimmungen, ohne humoristische Lichter, ohne sicheres Auseinanderhalten der — wenn auch zum Teil unsympathischen und verzerrten — Gestalten. Da fühlt der Dichter den Drang nach so etwas wie Romantik., Wir kommen in den Raum, wo Weylands Schmelzofen erglüht, damit seine Gußerfindung erprobt werde. Hier enthaltnen sich einige Leute, die gern in ihren Erinnerungen kramen, daß vor Jahr und Tag schon einmal ein Dichter (Herr Bürger-Lnbliner) mit solch einem Glühofen Effekt zu machen versucht hat. „Gold und Eisen" hieß damals der Rahmen der Schmelzgeschichte, bei der es aber, wenn wir nicht irren, etwas amüsanter zuging als! bei Herrn Halbe. Es ist ja müßig, solches Sicherinner» und Vergleichen; aber da die Modernen durchaus modern sein wollen, so ist es vielleicht manchmal angebracht, zu sagen, daß ihre technischen Mittelchen nicht immer neu sind. Angesichts des Weylandschen Glühofens unterhält man sich nur von Geld und Liebe. Heyne, der Amerikaner, soll das erste geben, er thut es aber uicht, weil er das zweite zwischen dem Erzgießer und Olga Vorhäute» glaubt. Es bedarf erst der „Lebenswerte," um ihn anders zu stimmen. Zu dieser kommt es, indem Weyland der Olga endgiltig einen Korb giebt, Heyne sich von der Vortrefflichkeit seines vermeintlichen Nebenbuhlers überzeugt und dem Patent mit seinen Mitteln beispringt, der Student Ebert eine Erbschaft macht, sich von Weyland ab „wendet" und Verlobter der Bertha bleibt, Olga endlich sich weinend vor das Bild ihres toten Bräutigams begiebt und uns im Ungewissen läßt, ob sie den Heyne noch freien wird oder nicht. Weylands Erfindung aber triumphirt. Ein zweiter Ben- venuto Cellini, sieht er den Guß der Form entspringen: der borghesische Fechter steht tadellos da. Weyland und Heyne nehmen ihn als Zeichen, daß sie fortan Kämpfer sein werden. Die zwei Akte, in denen das zuletzt Erzählte geschieht, verflachen sich gegen deu Schluß hin immer mehr. Herr Halbe hat zuletzt wohl das Bedürfnis nach Handlung gehabt; und so bringt er denn im letzten Akt ein technisch mehr als schülerhaftes Herein und Hinaus seiner Leute, ein Verwechseln und Verschwinden, ein Schüßlein Eifersucht durch ein vergessenes Tüchlein, ein Liedlein am Klavier, einen trinkseligen Berliner Hauswirt, der es auch auf Olga abgesehen hat, und ewiges mehr. Alle treffen einander in Weylands Werkstatt, die im Hinterhause

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/292>, abgerufen am 25.11.2024.