Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
war Dürer ein Papist?

lutherisch gesinnten. Er war eben kein Heißsporn und glaubte wahrscheinlich,
man könne mit einander verkehren, ohne in Dingen des Glaubens derselben
Meinung zu sein. Wenn sich nun unter diesen Bildern Unterschriften befanden,
in denen Aussprüche der betreffenden Apostel und Evangelisten verwendet sind,
die gegen die "falschen Propheten" eifern, die "durch Geiz mit erdichteten
Worten Hantiren," gegen die "Schriftgelehrten, die gern in langen Kleidern
gehen und lassen sich gern grüßen auf dem Markt und sitzen gern obenan in
den Schulen," gegen die "geizigen stolzen und hoffärtigen Lästerer," gegen den
"Widerchrist, von welchem ihr habt gehört, daß er kommt und ist jetzt schon
in der Welt," so gehört die ganze Verblendung konfessioneller Polemik dazu,
zu leugnen, daß diese Bemerkungen nur gegen das Papsttum und allenfalls
noch gegen die Schwarmgeister und andre vom Rat der Stadt Nürnberg
bekämpfte Sekten jener Zeit gerichtet sein können. Aber Herr Weber behauptet
ja Seite 79, die Unterschriften stammten gar nicht von Dürer, sondern von
Neudörfer. Dabei verschweigt er nur leider die Hauptsache, nämlich daß sie
der Schreibmeister Neudörfer nach seiner eignen Aussage in Dürers "Stube,"
also selbstverständlich mit Dürers Wissen und Willen und nach seiner Angabe
geschrieben hat. Wenn er nach solchen unredlichen Mätzchen dann die Worte:
"Denn Gott will nit zu seinem Wort gethan noch von dannen genommen
haben" als "eine Warnung des Nürnberger Rats auffassen und gegen Luther (!)
deuten" will, so hat das genau denselben Wert, wie wenn er behauptet, der
Text dieser Unterschriften sei nicht aus der Übersetzung Luthers entnommen.
Das Beispiel, das er Seite 82 anführt, um zu beweisen, daß die Luthersche
Übersetzung "durch Redewendungen, Formen und Schreibweise gänzlich ver¬
schieden" davon sei, stimmt wörtlich (bis auf kleine Verstellungen einzelner Worte)
mit den Aufschriften überein. Herr Weber konnte nicht treffender nachweisen,
daß die Aufschriften genau (bis auf ein paar gleichgiltige Varianten) aus
Luthers Bibelübersetzung von 1522 entnommen sind. Die Jesuiten am Hofe
des Kurfürsten Maximilian in München wußten viel besser als Herr Weber,
was sie von den Unterschriften der vier Apostel zu halten hatten. Sie sorgten
bei dem Ankauf der Bilder durch den Kurfürsten dafür, daß sie abgesägt und
wieder nach Nürnberg zurückgeschickt wurden.

Endlich das letzte Zeugnis aus Dürers eignem Munde, die Äußerung in
dem Briefe an den englischen Hofastronomen Niklas Kratzer vom Jahre 1524:
"Item des christlichen Glaubens halben müssen wir in Schmach und Gefahr
stehn, denn man schmäht uns, heißt uns Ketzer. Aber Gott verleih uns sein
Gnad und stark uns in seinem Wort, denn wir müssen Gott mehr gehorsam
sein denn den Menschen. So ist es besser, Leib und Gut verlorn, denn daß
von Gott unser Leib und Seel in das höllisch Feuer versenkt würd. Darum
mach uns Gott beständig im Guten und erkennst unser Widerpart, die armen
elenden blinden Leut, auf daß sie nit in ihrem Jrrsal verderben."


war Dürer ein Papist?

lutherisch gesinnten. Er war eben kein Heißsporn und glaubte wahrscheinlich,
man könne mit einander verkehren, ohne in Dingen des Glaubens derselben
Meinung zu sein. Wenn sich nun unter diesen Bildern Unterschriften befanden,
in denen Aussprüche der betreffenden Apostel und Evangelisten verwendet sind,
die gegen die „falschen Propheten" eifern, die „durch Geiz mit erdichteten
Worten Hantiren," gegen die „Schriftgelehrten, die gern in langen Kleidern
gehen und lassen sich gern grüßen auf dem Markt und sitzen gern obenan in
den Schulen," gegen die „geizigen stolzen und hoffärtigen Lästerer," gegen den
„Widerchrist, von welchem ihr habt gehört, daß er kommt und ist jetzt schon
in der Welt," so gehört die ganze Verblendung konfessioneller Polemik dazu,
zu leugnen, daß diese Bemerkungen nur gegen das Papsttum und allenfalls
noch gegen die Schwarmgeister und andre vom Rat der Stadt Nürnberg
bekämpfte Sekten jener Zeit gerichtet sein können. Aber Herr Weber behauptet
ja Seite 79, die Unterschriften stammten gar nicht von Dürer, sondern von
Neudörfer. Dabei verschweigt er nur leider die Hauptsache, nämlich daß sie
der Schreibmeister Neudörfer nach seiner eignen Aussage in Dürers „Stube,"
also selbstverständlich mit Dürers Wissen und Willen und nach seiner Angabe
geschrieben hat. Wenn er nach solchen unredlichen Mätzchen dann die Worte:
„Denn Gott will nit zu seinem Wort gethan noch von dannen genommen
haben" als „eine Warnung des Nürnberger Rats auffassen und gegen Luther (!)
deuten" will, so hat das genau denselben Wert, wie wenn er behauptet, der
Text dieser Unterschriften sei nicht aus der Übersetzung Luthers entnommen.
Das Beispiel, das er Seite 82 anführt, um zu beweisen, daß die Luthersche
Übersetzung „durch Redewendungen, Formen und Schreibweise gänzlich ver¬
schieden" davon sei, stimmt wörtlich (bis auf kleine Verstellungen einzelner Worte)
mit den Aufschriften überein. Herr Weber konnte nicht treffender nachweisen,
daß die Aufschriften genau (bis auf ein paar gleichgiltige Varianten) aus
Luthers Bibelübersetzung von 1522 entnommen sind. Die Jesuiten am Hofe
des Kurfürsten Maximilian in München wußten viel besser als Herr Weber,
was sie von den Unterschriften der vier Apostel zu halten hatten. Sie sorgten
bei dem Ankauf der Bilder durch den Kurfürsten dafür, daß sie abgesägt und
wieder nach Nürnberg zurückgeschickt wurden.

Endlich das letzte Zeugnis aus Dürers eignem Munde, die Äußerung in
dem Briefe an den englischen Hofastronomen Niklas Kratzer vom Jahre 1524:
„Item des christlichen Glaubens halben müssen wir in Schmach und Gefahr
stehn, denn man schmäht uns, heißt uns Ketzer. Aber Gott verleih uns sein
Gnad und stark uns in seinem Wort, denn wir müssen Gott mehr gehorsam
sein denn den Menschen. So ist es besser, Leib und Gut verlorn, denn daß
von Gott unser Leib und Seel in das höllisch Feuer versenkt würd. Darum
mach uns Gott beständig im Guten und erkennst unser Widerpart, die armen
elenden blinden Leut, auf daß sie nit in ihrem Jrrsal verderben."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221928"/>
          <fw type="header" place="top"> war Dürer ein Papist?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_892" prev="#ID_891"> lutherisch gesinnten. Er war eben kein Heißsporn und glaubte wahrscheinlich,<lb/>
man könne mit einander verkehren, ohne in Dingen des Glaubens derselben<lb/>
Meinung zu sein. Wenn sich nun unter diesen Bildern Unterschriften befanden,<lb/>
in denen Aussprüche der betreffenden Apostel und Evangelisten verwendet sind,<lb/>
die gegen die &#x201E;falschen Propheten" eifern, die &#x201E;durch Geiz mit erdichteten<lb/>
Worten Hantiren," gegen die &#x201E;Schriftgelehrten, die gern in langen Kleidern<lb/>
gehen und lassen sich gern grüßen auf dem Markt und sitzen gern obenan in<lb/>
den Schulen," gegen die &#x201E;geizigen stolzen und hoffärtigen Lästerer," gegen den<lb/>
&#x201E;Widerchrist, von welchem ihr habt gehört, daß er kommt und ist jetzt schon<lb/>
in der Welt," so gehört die ganze Verblendung konfessioneller Polemik dazu,<lb/>
zu leugnen, daß diese Bemerkungen nur gegen das Papsttum und allenfalls<lb/>
noch gegen die Schwarmgeister und andre vom Rat der Stadt Nürnberg<lb/>
bekämpfte Sekten jener Zeit gerichtet sein können. Aber Herr Weber behauptet<lb/>
ja Seite 79, die Unterschriften stammten gar nicht von Dürer, sondern von<lb/>
Neudörfer. Dabei verschweigt er nur leider die Hauptsache, nämlich daß sie<lb/>
der Schreibmeister Neudörfer nach seiner eignen Aussage in Dürers &#x201E;Stube,"<lb/>
also selbstverständlich mit Dürers Wissen und Willen und nach seiner Angabe<lb/>
geschrieben hat. Wenn er nach solchen unredlichen Mätzchen dann die Worte:<lb/>
&#x201E;Denn Gott will nit zu seinem Wort gethan noch von dannen genommen<lb/>
haben" als &#x201E;eine Warnung des Nürnberger Rats auffassen und gegen Luther (!)<lb/>
deuten" will, so hat das genau denselben Wert, wie wenn er behauptet, der<lb/>
Text dieser Unterschriften sei nicht aus der Übersetzung Luthers entnommen.<lb/>
Das Beispiel, das er Seite 82 anführt, um zu beweisen, daß die Luthersche<lb/>
Übersetzung &#x201E;durch Redewendungen, Formen und Schreibweise gänzlich ver¬<lb/>
schieden" davon sei, stimmt wörtlich (bis auf kleine Verstellungen einzelner Worte)<lb/>
mit den Aufschriften überein. Herr Weber konnte nicht treffender nachweisen,<lb/>
daß die Aufschriften genau (bis auf ein paar gleichgiltige Varianten) aus<lb/>
Luthers Bibelübersetzung von 1522 entnommen sind. Die Jesuiten am Hofe<lb/>
des Kurfürsten Maximilian in München wußten viel besser als Herr Weber,<lb/>
was sie von den Unterschriften der vier Apostel zu halten hatten. Sie sorgten<lb/>
bei dem Ankauf der Bilder durch den Kurfürsten dafür, daß sie abgesägt und<lb/>
wieder nach Nürnberg zurückgeschickt wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_893"> Endlich das letzte Zeugnis aus Dürers eignem Munde, die Äußerung in<lb/>
dem Briefe an den englischen Hofastronomen Niklas Kratzer vom Jahre 1524:<lb/>
&#x201E;Item des christlichen Glaubens halben müssen wir in Schmach und Gefahr<lb/>
stehn, denn man schmäht uns, heißt uns Ketzer. Aber Gott verleih uns sein<lb/>
Gnad und stark uns in seinem Wort, denn wir müssen Gott mehr gehorsam<lb/>
sein denn den Menschen. So ist es besser, Leib und Gut verlorn, denn daß<lb/>
von Gott unser Leib und Seel in das höllisch Feuer versenkt würd. Darum<lb/>
mach uns Gott beständig im Guten und erkennst unser Widerpart, die armen<lb/>
elenden blinden Leut, auf daß sie nit in ihrem Jrrsal verderben."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0282] war Dürer ein Papist? lutherisch gesinnten. Er war eben kein Heißsporn und glaubte wahrscheinlich, man könne mit einander verkehren, ohne in Dingen des Glaubens derselben Meinung zu sein. Wenn sich nun unter diesen Bildern Unterschriften befanden, in denen Aussprüche der betreffenden Apostel und Evangelisten verwendet sind, die gegen die „falschen Propheten" eifern, die „durch Geiz mit erdichteten Worten Hantiren," gegen die „Schriftgelehrten, die gern in langen Kleidern gehen und lassen sich gern grüßen auf dem Markt und sitzen gern obenan in den Schulen," gegen die „geizigen stolzen und hoffärtigen Lästerer," gegen den „Widerchrist, von welchem ihr habt gehört, daß er kommt und ist jetzt schon in der Welt," so gehört die ganze Verblendung konfessioneller Polemik dazu, zu leugnen, daß diese Bemerkungen nur gegen das Papsttum und allenfalls noch gegen die Schwarmgeister und andre vom Rat der Stadt Nürnberg bekämpfte Sekten jener Zeit gerichtet sein können. Aber Herr Weber behauptet ja Seite 79, die Unterschriften stammten gar nicht von Dürer, sondern von Neudörfer. Dabei verschweigt er nur leider die Hauptsache, nämlich daß sie der Schreibmeister Neudörfer nach seiner eignen Aussage in Dürers „Stube," also selbstverständlich mit Dürers Wissen und Willen und nach seiner Angabe geschrieben hat. Wenn er nach solchen unredlichen Mätzchen dann die Worte: „Denn Gott will nit zu seinem Wort gethan noch von dannen genommen haben" als „eine Warnung des Nürnberger Rats auffassen und gegen Luther (!) deuten" will, so hat das genau denselben Wert, wie wenn er behauptet, der Text dieser Unterschriften sei nicht aus der Übersetzung Luthers entnommen. Das Beispiel, das er Seite 82 anführt, um zu beweisen, daß die Luthersche Übersetzung „durch Redewendungen, Formen und Schreibweise gänzlich ver¬ schieden" davon sei, stimmt wörtlich (bis auf kleine Verstellungen einzelner Worte) mit den Aufschriften überein. Herr Weber konnte nicht treffender nachweisen, daß die Aufschriften genau (bis auf ein paar gleichgiltige Varianten) aus Luthers Bibelübersetzung von 1522 entnommen sind. Die Jesuiten am Hofe des Kurfürsten Maximilian in München wußten viel besser als Herr Weber, was sie von den Unterschriften der vier Apostel zu halten hatten. Sie sorgten bei dem Ankauf der Bilder durch den Kurfürsten dafür, daß sie abgesägt und wieder nach Nürnberg zurückgeschickt wurden. Endlich das letzte Zeugnis aus Dürers eignem Munde, die Äußerung in dem Briefe an den englischen Hofastronomen Niklas Kratzer vom Jahre 1524: „Item des christlichen Glaubens halben müssen wir in Schmach und Gefahr stehn, denn man schmäht uns, heißt uns Ketzer. Aber Gott verleih uns sein Gnad und stark uns in seinem Wort, denn wir müssen Gott mehr gehorsam sein denn den Menschen. So ist es besser, Leib und Gut verlorn, denn daß von Gott unser Leib und Seel in das höllisch Feuer versenkt würd. Darum mach uns Gott beständig im Guten und erkennst unser Widerpart, die armen elenden blinden Leut, auf daß sie nit in ihrem Jrrsal verderben."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/282
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/282>, abgerufen am 01.09.2024.