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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Ivar Dürer ein Papist?

als Gespenst bezeichnet worden, ist keineswegs notwendig anzunehmen (!). Erst
ein Mißbrauch oder eine abergläubische Ausschreitung, somit ein Gegensatz Wider
die heilige Schrift, stempelt es dazu (also ein hypothetisches Gespenst!). Auch
giebt der Schreiber zu, daß von seiten des Bischofs den Gefahren entgegen¬
getreten worden ist(!), freilich wegen des Interesses des Rates, der das Opfer
der Stndtkirche einzog (?), ohne besondern Erfolg. Ja wir sehen sogar den
Verfasser für die reine Heiligenverehrung eifern. So bekunden diese Worte
die innige Marienverehrung Altdorfers." ,

Es ist die Tinte nicht wert, solche Ungereimtheiten zu widerlegen. Wohl
aber muß ich uoch eine schöne Bemerkung wiedergeben, die Herr Weber
gegen Zuckers Ausnutzung dieser Stelle macht. Zucker hatte ganz richtig ge¬
sagt: "Im Besitz dieses Holzschnittes war Dürer, der empört über eine solche
Verehrung der Maria unter das Blatt schrieb: Dies Gespenst usw. Darunter
steht als Unterschrift dann das bekannte Monogramm des Künstlers." Hier
wirft sich nun Herr Weber zum Anwalt Dürers auf und sagt mit dein Brustton
tiefster Überzeugung: "Wir müssen entschieden gegen die hier dem ehrlichen
Dürer zugemutete Unredlichkeit Verwahrung einlegen. Dürer klagte wiederholt,
daß man fremde Werke mit seinem Namen bezeichne. Und nun sollte er selbst
auf das Werk eines andern Meisters eine Inschrift und sein Monogramm gesetzt
haben. Nein der redliche Dürer steht einem solchen Unterfangen fern." Ein
köstliches Bild: der Dürerbiograph Anton Weber, der in sittlicher Entrüstung
für den "ehrlichen," "redlichen" Dürer eintritt. Wäre Herr Weber, als er
seine Biographie schrieb, nur halb so "ehrlich" und "redlich" wie Dürer ge¬
wesen, als er diese Worte schrieb, so hätte er sich sagen müssen, daß sich Dürer
mit diesem Monogramm nicht als Schöpfer des Holzschnitts, sondern mir als
Urheber der Bemerkung über das "Gespenst," das er darstellt, bezeichnen wollte.
Auf was für stumpfsinnige Leser muß Herr Weber rechnen, wenn er es wagt,
ihnen eine solche Verdrehung der Thatsachen zu bieten!

Aber nicht nur 1523, sondern auch noch 1526 ist Dürer ein guter
Lutheraner gewesen. Das beweisen die Unterschriften seiner vier Apostel in
der Münchner Pinakothek, die er damals dem Rat der Stadt Nürnberg zum
Geschenk machte. Daß Dürer gerade in den letzten Jahren seines Lebens be¬
sonders gern Apostel oder Evangelisten dargestellt hat -- es sind deren in
Malerei, Zeichnung und Kupferstich mehrere erhalten --, erklärt sich natür¬
lich nur aus seiner und seiner Mitbürger evangelischen Geistesrichtung wäh¬
rend dieser Zeit. Wenn er diese Apostelbilder dem Rate der Stadt Nürn¬
berg zum Geschenk macht, so kann das, da der Rat der Stadt Nürnberg gut
lutherisch war und die Reformation schon seit zwei Jahren eingeführt hatte,
selbstverständlich nur einen spezifisch lutherischen Sinn haben. Damit ist
durchaus nicht gesagt, daß nicht einzelne Ratsherren noch dem alten Glauben
angehangen, und daß Dürer mit diesen ebenso gut verkehrt hätte, wie mit den


Grenzboten I 1896 ZS
Ivar Dürer ein Papist?

als Gespenst bezeichnet worden, ist keineswegs notwendig anzunehmen (!). Erst
ein Mißbrauch oder eine abergläubische Ausschreitung, somit ein Gegensatz Wider
die heilige Schrift, stempelt es dazu (also ein hypothetisches Gespenst!). Auch
giebt der Schreiber zu, daß von seiten des Bischofs den Gefahren entgegen¬
getreten worden ist(!), freilich wegen des Interesses des Rates, der das Opfer
der Stndtkirche einzog (?), ohne besondern Erfolg. Ja wir sehen sogar den
Verfasser für die reine Heiligenverehrung eifern. So bekunden diese Worte
die innige Marienverehrung Altdorfers." ,

Es ist die Tinte nicht wert, solche Ungereimtheiten zu widerlegen. Wohl
aber muß ich uoch eine schöne Bemerkung wiedergeben, die Herr Weber
gegen Zuckers Ausnutzung dieser Stelle macht. Zucker hatte ganz richtig ge¬
sagt: „Im Besitz dieses Holzschnittes war Dürer, der empört über eine solche
Verehrung der Maria unter das Blatt schrieb: Dies Gespenst usw. Darunter
steht als Unterschrift dann das bekannte Monogramm des Künstlers." Hier
wirft sich nun Herr Weber zum Anwalt Dürers auf und sagt mit dein Brustton
tiefster Überzeugung: „Wir müssen entschieden gegen die hier dem ehrlichen
Dürer zugemutete Unredlichkeit Verwahrung einlegen. Dürer klagte wiederholt,
daß man fremde Werke mit seinem Namen bezeichne. Und nun sollte er selbst
auf das Werk eines andern Meisters eine Inschrift und sein Monogramm gesetzt
haben. Nein der redliche Dürer steht einem solchen Unterfangen fern." Ein
köstliches Bild: der Dürerbiograph Anton Weber, der in sittlicher Entrüstung
für den „ehrlichen," „redlichen" Dürer eintritt. Wäre Herr Weber, als er
seine Biographie schrieb, nur halb so „ehrlich" und „redlich" wie Dürer ge¬
wesen, als er diese Worte schrieb, so hätte er sich sagen müssen, daß sich Dürer
mit diesem Monogramm nicht als Schöpfer des Holzschnitts, sondern mir als
Urheber der Bemerkung über das „Gespenst," das er darstellt, bezeichnen wollte.
Auf was für stumpfsinnige Leser muß Herr Weber rechnen, wenn er es wagt,
ihnen eine solche Verdrehung der Thatsachen zu bieten!

Aber nicht nur 1523, sondern auch noch 1526 ist Dürer ein guter
Lutheraner gewesen. Das beweisen die Unterschriften seiner vier Apostel in
der Münchner Pinakothek, die er damals dem Rat der Stadt Nürnberg zum
Geschenk machte. Daß Dürer gerade in den letzten Jahren seines Lebens be¬
sonders gern Apostel oder Evangelisten dargestellt hat — es sind deren in
Malerei, Zeichnung und Kupferstich mehrere erhalten —, erklärt sich natür¬
lich nur aus seiner und seiner Mitbürger evangelischen Geistesrichtung wäh¬
rend dieser Zeit. Wenn er diese Apostelbilder dem Rate der Stadt Nürn¬
berg zum Geschenk macht, so kann das, da der Rat der Stadt Nürnberg gut
lutherisch war und die Reformation schon seit zwei Jahren eingeführt hatte,
selbstverständlich nur einen spezifisch lutherischen Sinn haben. Damit ist
durchaus nicht gesagt, daß nicht einzelne Ratsherren noch dem alten Glauben
angehangen, und daß Dürer mit diesen ebenso gut verkehrt hätte, wie mit den


Grenzboten I 1896 ZS
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[0281] Ivar Dürer ein Papist? als Gespenst bezeichnet worden, ist keineswegs notwendig anzunehmen (!). Erst ein Mißbrauch oder eine abergläubische Ausschreitung, somit ein Gegensatz Wider die heilige Schrift, stempelt es dazu (also ein hypothetisches Gespenst!). Auch giebt der Schreiber zu, daß von seiten des Bischofs den Gefahren entgegen¬ getreten worden ist(!), freilich wegen des Interesses des Rates, der das Opfer der Stndtkirche einzog (?), ohne besondern Erfolg. Ja wir sehen sogar den Verfasser für die reine Heiligenverehrung eifern. So bekunden diese Worte die innige Marienverehrung Altdorfers." , Es ist die Tinte nicht wert, solche Ungereimtheiten zu widerlegen. Wohl aber muß ich uoch eine schöne Bemerkung wiedergeben, die Herr Weber gegen Zuckers Ausnutzung dieser Stelle macht. Zucker hatte ganz richtig ge¬ sagt: „Im Besitz dieses Holzschnittes war Dürer, der empört über eine solche Verehrung der Maria unter das Blatt schrieb: Dies Gespenst usw. Darunter steht als Unterschrift dann das bekannte Monogramm des Künstlers." Hier wirft sich nun Herr Weber zum Anwalt Dürers auf und sagt mit dein Brustton tiefster Überzeugung: „Wir müssen entschieden gegen die hier dem ehrlichen Dürer zugemutete Unredlichkeit Verwahrung einlegen. Dürer klagte wiederholt, daß man fremde Werke mit seinem Namen bezeichne. Und nun sollte er selbst auf das Werk eines andern Meisters eine Inschrift und sein Monogramm gesetzt haben. Nein der redliche Dürer steht einem solchen Unterfangen fern." Ein köstliches Bild: der Dürerbiograph Anton Weber, der in sittlicher Entrüstung für den „ehrlichen," „redlichen" Dürer eintritt. Wäre Herr Weber, als er seine Biographie schrieb, nur halb so „ehrlich" und „redlich" wie Dürer ge¬ wesen, als er diese Worte schrieb, so hätte er sich sagen müssen, daß sich Dürer mit diesem Monogramm nicht als Schöpfer des Holzschnitts, sondern mir als Urheber der Bemerkung über das „Gespenst," das er darstellt, bezeichnen wollte. Auf was für stumpfsinnige Leser muß Herr Weber rechnen, wenn er es wagt, ihnen eine solche Verdrehung der Thatsachen zu bieten! Aber nicht nur 1523, sondern auch noch 1526 ist Dürer ein guter Lutheraner gewesen. Das beweisen die Unterschriften seiner vier Apostel in der Münchner Pinakothek, die er damals dem Rat der Stadt Nürnberg zum Geschenk machte. Daß Dürer gerade in den letzten Jahren seines Lebens be¬ sonders gern Apostel oder Evangelisten dargestellt hat — es sind deren in Malerei, Zeichnung und Kupferstich mehrere erhalten —, erklärt sich natür¬ lich nur aus seiner und seiner Mitbürger evangelischen Geistesrichtung wäh¬ rend dieser Zeit. Wenn er diese Apostelbilder dem Rate der Stadt Nürn¬ berg zum Geschenk macht, so kann das, da der Rat der Stadt Nürnberg gut lutherisch war und die Reformation schon seit zwei Jahren eingeführt hatte, selbstverständlich nur einen spezifisch lutherischen Sinn haben. Damit ist durchaus nicht gesagt, daß nicht einzelne Ratsherren noch dem alten Glauben angehangen, und daß Dürer mit diesen ebenso gut verkehrt hätte, wie mit den Grenzboten I 1896 ZS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/281>, abgerufen am 26.11.2024.