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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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vor, daß er aus Gcldrücksichteu diesen maßlosen Heiligenkultus nicht abgestellt
habe. Was hat Weber dagegen zu erwidern? Die Bemerkung ist nach seiner
Meinung "unklar, in einem geradezu entsetzlichen Stil verfaßt und schlecht ge¬
schrieben" -- natürlich, sie ist das rote Tuch, das ihn zum Zorn reizt. Ich
kann ihm aber versichern, daß sie sehr klar, ganz in Dürers Stil und dabei
durchaus deutlich in Dürers Schriftzügen geschrieben ist. Es ist nicht daran
zu zweifeln, daß Dürer selbst in eigner Person nicht nur die Worte, sondern
auch die Jahreszahl und das Monogramm auf das Blatt gesetzt hat. Das
hindert aber Herrn Weber, der von der Aufschrift nichts weiß, als was er in
Büchern davon gelesen hat, durchaus nicht, sie Dürer einfach abzusprechen.
Er weiß auch ganz genau, von wem sie stammt, nämlich -- von dem Regens-
burger Maler Albrecht Altdorfer. Diesen Altdorfer braucht er nämlich, weil
er ein ähnliches Monogramm hat wie Dürer. Sein Monogramm muß ihm die
Brücke zum Beweis bieten. Und zwar sehr einfach. Die ganze Zeichnung (es
handelt sich gar nicht um eine Zeichnung, sondern um einen Holzschnitt) ist nicht
von Ostendorfer, sondern von Altdorfer gefertigt. Altdorfer selbst hat sein
Zeichen daruntergesetzt und die angeführte Bemerkung hinzugefügt. In dieses
Zeichen, ein offnes ^, hat dann eine spätere Hand das v hineingeschrieben
und so ein Monogramm Dürers daraus gemacht. Herr Weber ahnt nicht,
welche Fülle von Dummheiten er in diese eine Kombination zusammengedrängt
hat. Die Frage über den Urheber des betreffenden Holzschnitts, der gewöhn¬
lich auf Ostendorfer zurückgeführt wird, soll hier nicht erörtert werden. Mag
er herrühren, von wem er will, jedenfalls kann die Aufschrift nicht von Albrecht
Altdorfer sein. Denn erstens ist das Zeichen Altdorfers gar kein ^, sondern
ein ^ mit einem kleinern ^ darin, von dem hier keine Spur vorhanden ist.
Zweitens war Altdorfer, der Stadtbaumeister von Regensburg, gar kein Feind,
sondern ein ausgesprochner Freund des Regensburger Marienkultus. Ja er
ist sogar der Künstler, der die meisten oder fast alle mit diesem Kultus zusammen¬
hängenden Kunstwerke geschaffen hat, Holzschnitte, Radirungen, Votivgemälde,
Ablaßbriefe, Fahnen, Vorhänge, Medaillen usw.*) Diese Werke wurden in den
Jahren der fanatischen Begeisterung für die schöne Maria, also 1519 bis 1522,
von den Wallfahrern in großer Zahl gekauft, erst 1523 nahm die Begeiste¬
rung ab. Und dieser selbe Altdorfer, der sonst der künstlerische Hauptvertreter
dieses ganzen Heiligenkultus ist, der die schöne Maria selbst 1519 auf seinen
Holzschnitten mit den Worten anredet: totg, xulolirg. hö g-wies, ins-i und "ganz
schön bist du, mein Freundin, und ein Makel ist nit in dir," der sollte sie
1523 auf seinem eignen Holzschnitt als ein Gespenst bezeichnet und sich gegen
diesen Kultus ausgesprochen haben? Aber das thut ja nach Herrn Webers An¬
sicht der Schreiber dieser Worte gar nicht. "Daß das Muttergottesbild an sich



*) Vergl. M. Friedländer, A, Altdorfer S. 61 ff.

vor, daß er aus Gcldrücksichteu diesen maßlosen Heiligenkultus nicht abgestellt
habe. Was hat Weber dagegen zu erwidern? Die Bemerkung ist nach seiner
Meinung „unklar, in einem geradezu entsetzlichen Stil verfaßt und schlecht ge¬
schrieben" — natürlich, sie ist das rote Tuch, das ihn zum Zorn reizt. Ich
kann ihm aber versichern, daß sie sehr klar, ganz in Dürers Stil und dabei
durchaus deutlich in Dürers Schriftzügen geschrieben ist. Es ist nicht daran
zu zweifeln, daß Dürer selbst in eigner Person nicht nur die Worte, sondern
auch die Jahreszahl und das Monogramm auf das Blatt gesetzt hat. Das
hindert aber Herrn Weber, der von der Aufschrift nichts weiß, als was er in
Büchern davon gelesen hat, durchaus nicht, sie Dürer einfach abzusprechen.
Er weiß auch ganz genau, von wem sie stammt, nämlich — von dem Regens-
burger Maler Albrecht Altdorfer. Diesen Altdorfer braucht er nämlich, weil
er ein ähnliches Monogramm hat wie Dürer. Sein Monogramm muß ihm die
Brücke zum Beweis bieten. Und zwar sehr einfach. Die ganze Zeichnung (es
handelt sich gar nicht um eine Zeichnung, sondern um einen Holzschnitt) ist nicht
von Ostendorfer, sondern von Altdorfer gefertigt. Altdorfer selbst hat sein
Zeichen daruntergesetzt und die angeführte Bemerkung hinzugefügt. In dieses
Zeichen, ein offnes ^, hat dann eine spätere Hand das v hineingeschrieben
und so ein Monogramm Dürers daraus gemacht. Herr Weber ahnt nicht,
welche Fülle von Dummheiten er in diese eine Kombination zusammengedrängt
hat. Die Frage über den Urheber des betreffenden Holzschnitts, der gewöhn¬
lich auf Ostendorfer zurückgeführt wird, soll hier nicht erörtert werden. Mag
er herrühren, von wem er will, jedenfalls kann die Aufschrift nicht von Albrecht
Altdorfer sein. Denn erstens ist das Zeichen Altdorfers gar kein ^, sondern
ein ^ mit einem kleinern ^ darin, von dem hier keine Spur vorhanden ist.
Zweitens war Altdorfer, der Stadtbaumeister von Regensburg, gar kein Feind,
sondern ein ausgesprochner Freund des Regensburger Marienkultus. Ja er
ist sogar der Künstler, der die meisten oder fast alle mit diesem Kultus zusammen¬
hängenden Kunstwerke geschaffen hat, Holzschnitte, Radirungen, Votivgemälde,
Ablaßbriefe, Fahnen, Vorhänge, Medaillen usw.*) Diese Werke wurden in den
Jahren der fanatischen Begeisterung für die schöne Maria, also 1519 bis 1522,
von den Wallfahrern in großer Zahl gekauft, erst 1523 nahm die Begeiste¬
rung ab. Und dieser selbe Altdorfer, der sonst der künstlerische Hauptvertreter
dieses ganzen Heiligenkultus ist, der die schöne Maria selbst 1519 auf seinen
Holzschnitten mit den Worten anredet: totg, xulolirg. hö g-wies, ins-i und „ganz
schön bist du, mein Freundin, und ein Makel ist nit in dir," der sollte sie
1523 auf seinem eignen Holzschnitt als ein Gespenst bezeichnet und sich gegen
diesen Kultus ausgesprochen haben? Aber das thut ja nach Herrn Webers An¬
sicht der Schreiber dieser Worte gar nicht. „Daß das Muttergottesbild an sich



*) Vergl. M. Friedländer, A, Altdorfer S. 61 ff.
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[0280] vor, daß er aus Gcldrücksichteu diesen maßlosen Heiligenkultus nicht abgestellt habe. Was hat Weber dagegen zu erwidern? Die Bemerkung ist nach seiner Meinung „unklar, in einem geradezu entsetzlichen Stil verfaßt und schlecht ge¬ schrieben" — natürlich, sie ist das rote Tuch, das ihn zum Zorn reizt. Ich kann ihm aber versichern, daß sie sehr klar, ganz in Dürers Stil und dabei durchaus deutlich in Dürers Schriftzügen geschrieben ist. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß Dürer selbst in eigner Person nicht nur die Worte, sondern auch die Jahreszahl und das Monogramm auf das Blatt gesetzt hat. Das hindert aber Herrn Weber, der von der Aufschrift nichts weiß, als was er in Büchern davon gelesen hat, durchaus nicht, sie Dürer einfach abzusprechen. Er weiß auch ganz genau, von wem sie stammt, nämlich — von dem Regens- burger Maler Albrecht Altdorfer. Diesen Altdorfer braucht er nämlich, weil er ein ähnliches Monogramm hat wie Dürer. Sein Monogramm muß ihm die Brücke zum Beweis bieten. Und zwar sehr einfach. Die ganze Zeichnung (es handelt sich gar nicht um eine Zeichnung, sondern um einen Holzschnitt) ist nicht von Ostendorfer, sondern von Altdorfer gefertigt. Altdorfer selbst hat sein Zeichen daruntergesetzt und die angeführte Bemerkung hinzugefügt. In dieses Zeichen, ein offnes ^, hat dann eine spätere Hand das v hineingeschrieben und so ein Monogramm Dürers daraus gemacht. Herr Weber ahnt nicht, welche Fülle von Dummheiten er in diese eine Kombination zusammengedrängt hat. Die Frage über den Urheber des betreffenden Holzschnitts, der gewöhn¬ lich auf Ostendorfer zurückgeführt wird, soll hier nicht erörtert werden. Mag er herrühren, von wem er will, jedenfalls kann die Aufschrift nicht von Albrecht Altdorfer sein. Denn erstens ist das Zeichen Altdorfers gar kein ^, sondern ein ^ mit einem kleinern ^ darin, von dem hier keine Spur vorhanden ist. Zweitens war Altdorfer, der Stadtbaumeister von Regensburg, gar kein Feind, sondern ein ausgesprochner Freund des Regensburger Marienkultus. Ja er ist sogar der Künstler, der die meisten oder fast alle mit diesem Kultus zusammen¬ hängenden Kunstwerke geschaffen hat, Holzschnitte, Radirungen, Votivgemälde, Ablaßbriefe, Fahnen, Vorhänge, Medaillen usw.*) Diese Werke wurden in den Jahren der fanatischen Begeisterung für die schöne Maria, also 1519 bis 1522, von den Wallfahrern in großer Zahl gekauft, erst 1523 nahm die Begeiste¬ rung ab. Und dieser selbe Altdorfer, der sonst der künstlerische Hauptvertreter dieses ganzen Heiligenkultus ist, der die schöne Maria selbst 1519 auf seinen Holzschnitten mit den Worten anredet: totg, xulolirg. hö g-wies, ins-i und „ganz schön bist du, mein Freundin, und ein Makel ist nit in dir," der sollte sie 1523 auf seinem eignen Holzschnitt als ein Gespenst bezeichnet und sich gegen diesen Kultus ausgesprochen haben? Aber das thut ja nach Herrn Webers An¬ sicht der Schreiber dieser Worte gar nicht. „Daß das Muttergottesbild an sich *) Vergl. M. Friedländer, A, Altdorfer S. 61 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/280>, abgerufen am 26.11.2024.