Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Soviel ist gewiß, wenn wir nicht die große Getreidezufuhr vom Auslande Im Jahre 1391 regnete es den ganzen Sommer hindurch, sodaß die Ernte für 1000 Kilo Rogqen ... 220 bis 240 Mark " 1000 " Weizen ... 250 " 300 " " 1000 " Hafer ... 170 " 180 " " 1000 " Kartoffeln . . 80 " 100 " haben konnten, zu verkaufen, rechnete der größte Teil darauf, daß im nächsten Im Jahre 1893 war ^infolge der Dürre die Haferernte etwas geringer als Maßgebliches und Unmaßgebliches Soviel ist gewiß, wenn wir nicht die große Getreidezufuhr vom Auslande Im Jahre 1391 regnete es den ganzen Sommer hindurch, sodaß die Ernte für 1000 Kilo Rogqen ... 220 bis 240 Mark „ 1000 „ Weizen ... 250 „ 300 „ „ 1000 „ Hafer ... 170 „ 180 „ „ 1000 „ Kartoffeln . . 80 „ 100 „ haben konnten, zu verkaufen, rechnete der größte Teil darauf, daß im nächsten Im Jahre 1893 war ^infolge der Dürre die Haferernte etwas geringer als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221907"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_826"> Soviel ist gewiß, wenn wir nicht die große Getreidezufuhr vom Auslande<lb/> hätten und nur auf unsre Herren Grundbesitzer angewiesen wären, so würden diese<lb/> die Preise auf eine unerhörte Höhe bringen und uns womöglich verhungern lassen,<lb/> wenn sie Aussicht auf noch bessern Gewinn hätten. Wir können Gott danken, daß<lb/> er dafür sorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Herren reden<lb/> immer von den Spekulanten in Berlin, während sie selbst fortwährend spekuliren,<lb/> natürlich stets verkehrt, und dadurch zurückkommen. Ich führe folgende Bei¬<lb/> spiele an.</p><lb/> <p xml:id="ID_827"> Im Jahre 1391 regnete es den ganzen Sommer hindurch, sodaß die Ernte<lb/> vollständig naß, ausgewachsen und fast verdorben einkam. Die Kartoffeln waren<lb/> sehr schlecht geraten, Rußland hatte die Ausfuhr verboten, und alle Getreide und<lb/> Futtersacheu, auch Kartoffeln, waren unerhört teuer. Anstatt nun bei diesen teuern<lb/> Zeiten ihr feucht eingefahrnes Getreide, wofür sie</p><lb/> <list> <item> für 1000 Kilo Rogqen ... 220 bis 240 Mark</item> <item> „ 1000 „ Weizen ... 250 „ 300 „</item> <item> „ 1000 „ Hafer ... 170 „ 180 „</item> <item> „ 1000 „ Kartoffeln . . 80 „ 100 „</item> </list><lb/> <p xml:id="ID_828"> haben konnten, zu verkaufen, rechnete der größte Teil darauf, daß im nächsten<lb/> Frühjahr die Preise womöglich doppelt so hoch sein würden. Grund genug, ihr<lb/> nasses Korn festzuhalten und die naß und schlecht eingekommneu Kartoffeln selbst<lb/> zu überwintern. Im folgenden Frühjahr waren aber infolge der Zufuhren von<lb/> Amerika, Kleinasien, der Türkei usw. die Preise schou wesentlich billiger, und da<lb/> das auswärtige Korn viel trockner und besser war, als unsre naß eingekommne<lb/> Ernte, so bekamen die Landleute längst nicht mehr die Preise vom verflossenen<lb/> Herbst. Dazu waren die Kartoffeln in den Mieter vielfach verfault, das Korn<lb/> wesentlich leichter geworden. Aber noch immer glaubte ein großer Teil der Bauern,<lb/> die Steigerung müsse unbedingt noch kommen. Statt dessen gingen aber die Preise<lb/> immer mehr zurück, sodaß im Herbst 1892 das nun vielfach verschimmelte und<lb/> leichter gewordne Korn nur die Hälfte vom vergangnen Herbst wert war. Viele<lb/> Landleute haben daun ihr Korn noch bis zum Sommer 1893 liegen lassen, dann<lb/> aber noch weniger erreicht. Dazu kam, daß viele Landleute im Herbst .1391<lb/> — weil ihnen ihr Korn zum Verfüttern zu teuer war — ihr Vieh verkauften,<lb/> und zwar infolge des starken Angebots zu Spottpreisen. Schweine kosteten „fast<lb/> nichts." In diesem Jahre haben also die Bauern infolge ihrer eignen superkluger<lb/> Spekulation sehr großen Schaden gehabt. Im Jahre 1392 fingen sie bis zum<lb/> Sommer 1893 wieder an, ihren Viehstand zu vermehren. Im Sommer 1893<lb/> kam eine dreimonatige Dürre, die Futterpreise stiegen stark, und die Ernteaussichten<lb/> waren schwach. Dies veranlaßte wieder viele Bauern, ihr Vieh billig zu verkaufen.<lb/> Gleich nachher bekamen wir fruchtbares Regenwetter, die Ernte wurde noch ganz<lb/> gut, und seitdem sind die Kornpreise fast ununterbrochen gefallen. Die Bauern<lb/> haben nun ihren Viehstand wieder vervollständigt und dafür wohl viel Geld aus¬<lb/> gegeben. Nun find in den letzten Jahren infolge der Neuanschaffung von Vieh<lb/> die Viehpreise sehr hoch gewesen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die Landleute<lb/> nun wieder zu viel Vieh anschaffen und es zu fest halten. Dann kommt der Rück¬<lb/> schlag, und sie können das fette Vieh dann zu demselben Preise verkaufen, wofür<lb/> sie es mager eingekauft haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Im Jahre 1893 war ^infolge der Dürre die Haferernte etwas geringer als<lb/> sonst, die Haferpreise waren deshalb in der Erntezeit und bis Ende 1393 sehr<lb/> hoch. Hätten nun die Bauern ihren Hafer verkauft, so hätten sie ein gutes Geschäft</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Soviel ist gewiß, wenn wir nicht die große Getreidezufuhr vom Auslande
hätten und nur auf unsre Herren Grundbesitzer angewiesen wären, so würden diese
die Preise auf eine unerhörte Höhe bringen und uns womöglich verhungern lassen,
wenn sie Aussicht auf noch bessern Gewinn hätten. Wir können Gott danken, daß
er dafür sorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Herren reden
immer von den Spekulanten in Berlin, während sie selbst fortwährend spekuliren,
natürlich stets verkehrt, und dadurch zurückkommen. Ich führe folgende Bei¬
spiele an.
Im Jahre 1391 regnete es den ganzen Sommer hindurch, sodaß die Ernte
vollständig naß, ausgewachsen und fast verdorben einkam. Die Kartoffeln waren
sehr schlecht geraten, Rußland hatte die Ausfuhr verboten, und alle Getreide und
Futtersacheu, auch Kartoffeln, waren unerhört teuer. Anstatt nun bei diesen teuern
Zeiten ihr feucht eingefahrnes Getreide, wofür sie
für 1000 Kilo Rogqen ... 220 bis 240 Mark
„ 1000 „ Weizen ... 250 „ 300 „
„ 1000 „ Hafer ... 170 „ 180 „
„ 1000 „ Kartoffeln . . 80 „ 100 „
haben konnten, zu verkaufen, rechnete der größte Teil darauf, daß im nächsten
Frühjahr die Preise womöglich doppelt so hoch sein würden. Grund genug, ihr
nasses Korn festzuhalten und die naß und schlecht eingekommneu Kartoffeln selbst
zu überwintern. Im folgenden Frühjahr waren aber infolge der Zufuhren von
Amerika, Kleinasien, der Türkei usw. die Preise schou wesentlich billiger, und da
das auswärtige Korn viel trockner und besser war, als unsre naß eingekommne
Ernte, so bekamen die Landleute längst nicht mehr die Preise vom verflossenen
Herbst. Dazu waren die Kartoffeln in den Mieter vielfach verfault, das Korn
wesentlich leichter geworden. Aber noch immer glaubte ein großer Teil der Bauern,
die Steigerung müsse unbedingt noch kommen. Statt dessen gingen aber die Preise
immer mehr zurück, sodaß im Herbst 1892 das nun vielfach verschimmelte und
leichter gewordne Korn nur die Hälfte vom vergangnen Herbst wert war. Viele
Landleute haben daun ihr Korn noch bis zum Sommer 1893 liegen lassen, dann
aber noch weniger erreicht. Dazu kam, daß viele Landleute im Herbst .1391
— weil ihnen ihr Korn zum Verfüttern zu teuer war — ihr Vieh verkauften,
und zwar infolge des starken Angebots zu Spottpreisen. Schweine kosteten „fast
nichts." In diesem Jahre haben also die Bauern infolge ihrer eignen superkluger
Spekulation sehr großen Schaden gehabt. Im Jahre 1392 fingen sie bis zum
Sommer 1893 wieder an, ihren Viehstand zu vermehren. Im Sommer 1893
kam eine dreimonatige Dürre, die Futterpreise stiegen stark, und die Ernteaussichten
waren schwach. Dies veranlaßte wieder viele Bauern, ihr Vieh billig zu verkaufen.
Gleich nachher bekamen wir fruchtbares Regenwetter, die Ernte wurde noch ganz
gut, und seitdem sind die Kornpreise fast ununterbrochen gefallen. Die Bauern
haben nun ihren Viehstand wieder vervollständigt und dafür wohl viel Geld aus¬
gegeben. Nun find in den letzten Jahren infolge der Neuanschaffung von Vieh
die Viehpreise sehr hoch gewesen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die Landleute
nun wieder zu viel Vieh anschaffen und es zu fest halten. Dann kommt der Rück¬
schlag, und sie können das fette Vieh dann zu demselben Preise verkaufen, wofür
sie es mager eingekauft haben.
Im Jahre 1893 war ^infolge der Dürre die Haferernte etwas geringer als
sonst, die Haferpreise waren deshalb in der Erntezeit und bis Ende 1393 sehr
hoch. Hätten nun die Bauern ihren Hafer verkauft, so hätten sie ein gutes Geschäft
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