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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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eilauftg .in freundschaftlichen Verkehr erfahren, bohren sich ein und wirken
UMu mehr gegen ihn, als eine lange Rede eines Gegners in der Sitzung,

^cel, °us wird sich schon machen lassen, erwiderte Herr Bierman. ich werde
"und dieser Tage einmal darum kümmern.

^hun is.e das, Herr Bierman, aber hübsch vorsichtig. Ich kann nicht
^"he vorgehen, ich bin seit Monaten hier und kann jetzt nicht
nachträglich in Dresden Besuche machen. Aber noch eins, Sie werden ja
?,? ^ andre Einladung annehmen. Wollen Sie diese Gastsreund-
Ichnst vielleicht hier mit einem Herrendiner oder so etwas erwidern? Da könnte
ich dann auch dabei sein. Die Herren sehen dann Vanrile durch die Atmo¬
sphäre, mit der wir ihn umgeben haben, und das wird dem "Meisterwerke"
acht förderlich sein, das sie zu beurteilen haben: Menschen sind Menschen.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Hausagrarier und Genossenschaften.

Die Welt ist ein wunderlich Ding,
alle Dinge in der Welt sind wunderlich, aber das wunderlichste von allen ist von
jeher die Rechtspflege gewesen, und unsre moderne deutsche Justiz weiß deu Ruhm
höchster Wunderlichkeit mit staunenswertem Erfolge zu behaupten. Sie destillirt
aus der Spitzmarke: "Gnade, wem Gnade gebührt," eine Majestätsbeleidigung
und aus einem Gedankenstrich ein andres Verbrechen -- wir haben vergessen,
welches -- heraus und bringt den Thäter so schrecklicher Dinge ins Gefängnis,
aber den Berliner Bcmschmindler, der die Handiverker Jahr für Jahr um Mil¬
lionen betrügt und sogar die Krankenkassengclder der Arbeiter veruntreut, vermag
sie nicht zu fassen. Haben da die Gesetzgeber deu dummen Einfall gehabt, Laien¬
gerichte einzusetzen, Gewerbegerichte, die ohne allen juristischen Verstand täppisch
zugegriffen und gesagt haben: O, das ist ganz einfach; die Strohmänner, die keinen
Pfennig Geld in der Tasche haben, die kümmern uns nicht; wir fassen die Herren,
die hinter ihnen stehen, die die Rente ziehen von den unbezahlten Häusern! Aber
glücklicherweise haben die dummen Gesetzgeber noch soviel Ehrfurcht vor der aka¬
demischen Justitia gehabt, daß sie die Berufung von den Gewerbegerichten an einen
gelehrten Gerichtshof zulassen, und der hat zu den Handwerkern und Arbeitern
gesagt: Na, das wäre was schönes! Nee, Kinder, ihr kriegt nichts! Warum seid
ihr so dumm und habt die Arbeit angenommen! Warum seid ihr so dumm, sagt
der Laienverstand den Börsenspielern, die hineingefallen sind; der Juristenverstand sagt
es zu Handwerkern und Gesellen, die nicht gespielt, sondern gearbeitet haben, bei
denen es geheißen hat: Friß Vogel, oder stirb! Nimm Arbeit an, oder verdirb!
Der Laienverstand meint, das sei doch so einfach wie möglich, daß eine zwar ab¬
gelieferte, aber noch nicht bezahlte Ware, solange sie noch nicht bezahlt ist, dem
Verkäufer gehört, mit doppeltem Rechte gehört, wenn der Verkäufer zugleich ihr
Schöpfer ist, daß demnach ein auf die moderne Weise gebautes Haus (bei der alt-


eilauftg .in freundschaftlichen Verkehr erfahren, bohren sich ein und wirken
UMu mehr gegen ihn, als eine lange Rede eines Gegners in der Sitzung,

^cel, °us wird sich schon machen lassen, erwiderte Herr Bierman. ich werde
»und dieser Tage einmal darum kümmern.

^hun is.e das, Herr Bierman, aber hübsch vorsichtig. Ich kann nicht
^"he vorgehen, ich bin seit Monaten hier und kann jetzt nicht
nachträglich in Dresden Besuche machen. Aber noch eins, Sie werden ja
?,? ^ andre Einladung annehmen. Wollen Sie diese Gastsreund-
Ichnst vielleicht hier mit einem Herrendiner oder so etwas erwidern? Da könnte
ich dann auch dabei sein. Die Herren sehen dann Vanrile durch die Atmo¬
sphäre, mit der wir ihn umgeben haben, und das wird dem „Meisterwerke"
acht förderlich sein, das sie zu beurteilen haben: Menschen sind Menschen.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Hausagrarier und Genossenschaften.

Die Welt ist ein wunderlich Ding,
alle Dinge in der Welt sind wunderlich, aber das wunderlichste von allen ist von
jeher die Rechtspflege gewesen, und unsre moderne deutsche Justiz weiß deu Ruhm
höchster Wunderlichkeit mit staunenswertem Erfolge zu behaupten. Sie destillirt
aus der Spitzmarke: „Gnade, wem Gnade gebührt," eine Majestätsbeleidigung
und aus einem Gedankenstrich ein andres Verbrechen — wir haben vergessen,
welches — heraus und bringt den Thäter so schrecklicher Dinge ins Gefängnis,
aber den Berliner Bcmschmindler, der die Handiverker Jahr für Jahr um Mil¬
lionen betrügt und sogar die Krankenkassengclder der Arbeiter veruntreut, vermag
sie nicht zu fassen. Haben da die Gesetzgeber deu dummen Einfall gehabt, Laien¬
gerichte einzusetzen, Gewerbegerichte, die ohne allen juristischen Verstand täppisch
zugegriffen und gesagt haben: O, das ist ganz einfach; die Strohmänner, die keinen
Pfennig Geld in der Tasche haben, die kümmern uns nicht; wir fassen die Herren,
die hinter ihnen stehen, die die Rente ziehen von den unbezahlten Häusern! Aber
glücklicherweise haben die dummen Gesetzgeber noch soviel Ehrfurcht vor der aka¬
demischen Justitia gehabt, daß sie die Berufung von den Gewerbegerichten an einen
gelehrten Gerichtshof zulassen, und der hat zu den Handwerkern und Arbeitern
gesagt: Na, das wäre was schönes! Nee, Kinder, ihr kriegt nichts! Warum seid
ihr so dumm und habt die Arbeit angenommen! Warum seid ihr so dumm, sagt
der Laienverstand den Börsenspielern, die hineingefallen sind; der Juristenverstand sagt
es zu Handwerkern und Gesellen, die nicht gespielt, sondern gearbeitet haben, bei
denen es geheißen hat: Friß Vogel, oder stirb! Nimm Arbeit an, oder verdirb!
Der Laienverstand meint, das sei doch so einfach wie möglich, daß eine zwar ab¬
gelieferte, aber noch nicht bezahlte Ware, solange sie noch nicht bezahlt ist, dem
Verkäufer gehört, mit doppeltem Rechte gehört, wenn der Verkäufer zugleich ihr
Schöpfer ist, daß demnach ein auf die moderne Weise gebautes Haus (bei der alt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/251>, abgerufen am 01.09.2024.