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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Zur Hilfslehrerfrage in Preußen

Nvrmalctats die späte, recht späte Einlösung eines längst fälligen Wechsels,
der nicht einmal zum vollen Werte ausgezahlt wurde; denn auch jetzt noch nehmen
die akademisch gebildeten Lehrer uuter allen Beamtengruppen gleicher Bildungs¬
stufe hinsichtlich des Gehalts die unterste Stellung ein. Keine Klasse, die
Archivbeamten ausgenommen,^) bezieht einen gleich niedrigen Anfangsgehalt
(2100 Mark), keine Klasse hat eine gleich lange Dienstzeit bis zur Erreichung
des höchsten Gehalts (27 Jahre), bei keiner Klasse erfolgen die Alterszulagen
nach lungern als dreijährigen Zwischenrüumen, wie das bei den Lehrern vom
fünfzehnten Dienstjahre an geschieht, bei keiner Klasse ist so wie bei den Lehrern
der Grundsatz der Alterszulage durch Einführung der sogenannten festen Zu¬
lage zum Nachteil der Empfänger durchbrochen. Die Gleichstellung mit den
Richtern erster Instanz ist also keineswegs erreicht. Da mit der Aufbesserung
der äußern Lage gleichzeitig die Ansprüche an Arbeitszeit und Arbeitskraft ge¬
steigert wurden, so erhält die Neuregelung der Gehaltsverhültnisse den Cha¬
rakter eines Tauschgeschäfts, bei dem -- das sei offen zugestanden -- nicht
nur der Staat, sondern auch die höhere Lehrerschaft gewann; sie hat dies
selbst dankbar anerkannt. Eine einseitige Bevorzugung vermag sie freilich im
Gegensatz zum Kultusminister darin nicht zu erkennen. Während bei den fest
angestellten Lehrern gegen früher von einem Gewinn geredet werden konnte,
hat sich die Lage der Hilfslehrer und Kandidaten von Jahr zu Jahr trauriger
gestaltet, ohne daß bis jetzt der Staat durchgreifende Maßregeln zur Besei¬
tigung der schweren Übelstände getroffen hätte. Die Gleichstellung der höhern
Lehrer mit den Richter" erfordert die Gleichstellung der Hilfslehrer und an¬
stellungsfähigen Kandidaten mit den Hilfsrichtern und Assessoren, zumal da
die Vorbereitung für den Beruf auf beiden Seiten an Geist, Zeit und Geld
die gleichen Ansprüche stellt. Jede Anfeindung der Juristen liegt uns natür¬
lich fern, ja wir beklagen es, daß es ihnen eine gehässige Polemik nicht selten
erschwert, zu den berechtigten Forderungen der höhern Lehrerschaft unbefangen
Stellung zu nehmen. Für die jüngern Juristen bestehen jetzt gewiß keine
idyllischen Zustände, aber die Lage der Hilfslehrer ist noch viel betrübender.
Sehen wir, wie es sich mit der zngestcmdnen Gleichstellung verhält.

In der höhern Justizlaufbahn erhalten die, die dauernd die vollen Pflichten
und die volle Verantwortlichkeit eiues Amtes übernehmen, auch den mit diesem
Amte verbundnen Gehalt (2400 Mark), die Hilfslehrer bleiben hinter der
untersten Gehaltsstufe (2100 Mark), die wieder 300 Mark niedriger ist als
die der Juristen, um 600 oder 300 Mark zurück. Der kommissarisch beschäf¬
tigte Assessor erhält 200 Mark für den Monat, der Hilfslehrer 125 Mark-
Die Benachteiligung springt hier so in die Augen, daß unter den Abgeord¬
neten sogar der Landgerichtsrat Kirsch für eine Gleichstellung der Hilfslehrer



Bergl. die Abteilung "Maßgebliches" in diesem Hefte.
Zur Hilfslehrerfrage in Preußen

Nvrmalctats die späte, recht späte Einlösung eines längst fälligen Wechsels,
der nicht einmal zum vollen Werte ausgezahlt wurde; denn auch jetzt noch nehmen
die akademisch gebildeten Lehrer uuter allen Beamtengruppen gleicher Bildungs¬
stufe hinsichtlich des Gehalts die unterste Stellung ein. Keine Klasse, die
Archivbeamten ausgenommen,^) bezieht einen gleich niedrigen Anfangsgehalt
(2100 Mark), keine Klasse hat eine gleich lange Dienstzeit bis zur Erreichung
des höchsten Gehalts (27 Jahre), bei keiner Klasse erfolgen die Alterszulagen
nach lungern als dreijährigen Zwischenrüumen, wie das bei den Lehrern vom
fünfzehnten Dienstjahre an geschieht, bei keiner Klasse ist so wie bei den Lehrern
der Grundsatz der Alterszulage durch Einführung der sogenannten festen Zu¬
lage zum Nachteil der Empfänger durchbrochen. Die Gleichstellung mit den
Richtern erster Instanz ist also keineswegs erreicht. Da mit der Aufbesserung
der äußern Lage gleichzeitig die Ansprüche an Arbeitszeit und Arbeitskraft ge¬
steigert wurden, so erhält die Neuregelung der Gehaltsverhültnisse den Cha¬
rakter eines Tauschgeschäfts, bei dem — das sei offen zugestanden — nicht
nur der Staat, sondern auch die höhere Lehrerschaft gewann; sie hat dies
selbst dankbar anerkannt. Eine einseitige Bevorzugung vermag sie freilich im
Gegensatz zum Kultusminister darin nicht zu erkennen. Während bei den fest
angestellten Lehrern gegen früher von einem Gewinn geredet werden konnte,
hat sich die Lage der Hilfslehrer und Kandidaten von Jahr zu Jahr trauriger
gestaltet, ohne daß bis jetzt der Staat durchgreifende Maßregeln zur Besei¬
tigung der schweren Übelstände getroffen hätte. Die Gleichstellung der höhern
Lehrer mit den Richter» erfordert die Gleichstellung der Hilfslehrer und an¬
stellungsfähigen Kandidaten mit den Hilfsrichtern und Assessoren, zumal da
die Vorbereitung für den Beruf auf beiden Seiten an Geist, Zeit und Geld
die gleichen Ansprüche stellt. Jede Anfeindung der Juristen liegt uns natür¬
lich fern, ja wir beklagen es, daß es ihnen eine gehässige Polemik nicht selten
erschwert, zu den berechtigten Forderungen der höhern Lehrerschaft unbefangen
Stellung zu nehmen. Für die jüngern Juristen bestehen jetzt gewiß keine
idyllischen Zustände, aber die Lage der Hilfslehrer ist noch viel betrübender.
Sehen wir, wie es sich mit der zngestcmdnen Gleichstellung verhält.

In der höhern Justizlaufbahn erhalten die, die dauernd die vollen Pflichten
und die volle Verantwortlichkeit eiues Amtes übernehmen, auch den mit diesem
Amte verbundnen Gehalt (2400 Mark), die Hilfslehrer bleiben hinter der
untersten Gehaltsstufe (2100 Mark), die wieder 300 Mark niedriger ist als
die der Juristen, um 600 oder 300 Mark zurück. Der kommissarisch beschäf¬
tigte Assessor erhält 200 Mark für den Monat, der Hilfslehrer 125 Mark-
Die Benachteiligung springt hier so in die Augen, daß unter den Abgeord¬
neten sogar der Landgerichtsrat Kirsch für eine Gleichstellung der Hilfslehrer



Bergl. die Abteilung „Maßgebliches" in diesem Hefte.
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[0222] Zur Hilfslehrerfrage in Preußen Nvrmalctats die späte, recht späte Einlösung eines längst fälligen Wechsels, der nicht einmal zum vollen Werte ausgezahlt wurde; denn auch jetzt noch nehmen die akademisch gebildeten Lehrer uuter allen Beamtengruppen gleicher Bildungs¬ stufe hinsichtlich des Gehalts die unterste Stellung ein. Keine Klasse, die Archivbeamten ausgenommen,^) bezieht einen gleich niedrigen Anfangsgehalt (2100 Mark), keine Klasse hat eine gleich lange Dienstzeit bis zur Erreichung des höchsten Gehalts (27 Jahre), bei keiner Klasse erfolgen die Alterszulagen nach lungern als dreijährigen Zwischenrüumen, wie das bei den Lehrern vom fünfzehnten Dienstjahre an geschieht, bei keiner Klasse ist so wie bei den Lehrern der Grundsatz der Alterszulage durch Einführung der sogenannten festen Zu¬ lage zum Nachteil der Empfänger durchbrochen. Die Gleichstellung mit den Richtern erster Instanz ist also keineswegs erreicht. Da mit der Aufbesserung der äußern Lage gleichzeitig die Ansprüche an Arbeitszeit und Arbeitskraft ge¬ steigert wurden, so erhält die Neuregelung der Gehaltsverhültnisse den Cha¬ rakter eines Tauschgeschäfts, bei dem — das sei offen zugestanden — nicht nur der Staat, sondern auch die höhere Lehrerschaft gewann; sie hat dies selbst dankbar anerkannt. Eine einseitige Bevorzugung vermag sie freilich im Gegensatz zum Kultusminister darin nicht zu erkennen. Während bei den fest angestellten Lehrern gegen früher von einem Gewinn geredet werden konnte, hat sich die Lage der Hilfslehrer und Kandidaten von Jahr zu Jahr trauriger gestaltet, ohne daß bis jetzt der Staat durchgreifende Maßregeln zur Besei¬ tigung der schweren Übelstände getroffen hätte. Die Gleichstellung der höhern Lehrer mit den Richter» erfordert die Gleichstellung der Hilfslehrer und an¬ stellungsfähigen Kandidaten mit den Hilfsrichtern und Assessoren, zumal da die Vorbereitung für den Beruf auf beiden Seiten an Geist, Zeit und Geld die gleichen Ansprüche stellt. Jede Anfeindung der Juristen liegt uns natür¬ lich fern, ja wir beklagen es, daß es ihnen eine gehässige Polemik nicht selten erschwert, zu den berechtigten Forderungen der höhern Lehrerschaft unbefangen Stellung zu nehmen. Für die jüngern Juristen bestehen jetzt gewiß keine idyllischen Zustände, aber die Lage der Hilfslehrer ist noch viel betrübender. Sehen wir, wie es sich mit der zngestcmdnen Gleichstellung verhält. In der höhern Justizlaufbahn erhalten die, die dauernd die vollen Pflichten und die volle Verantwortlichkeit eiues Amtes übernehmen, auch den mit diesem Amte verbundnen Gehalt (2400 Mark), die Hilfslehrer bleiben hinter der untersten Gehaltsstufe (2100 Mark), die wieder 300 Mark niedriger ist als die der Juristen, um 600 oder 300 Mark zurück. Der kommissarisch beschäf¬ tigte Assessor erhält 200 Mark für den Monat, der Hilfslehrer 125 Mark- Die Benachteiligung springt hier so in die Augen, daß unter den Abgeord¬ neten sogar der Landgerichtsrat Kirsch für eine Gleichstellung der Hilfslehrer Bergl. die Abteilung „Maßgebliches" in diesem Hefte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/222>, abgerufen am 01.09.2024.