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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais

der Festtafel gewesen ist, und wie der Maire von Nancy ihm, dem damaligen
Minister von Luxemburg, in den wärmsten Ausdrücken "für die sympathische
Haltung des Landes während des Krieges" öffentlichen Dank unter dem Jubel
der Festgenosseu ausgesprochen hat.

Im Januar 1871 traf ein höherer preußischer Offizier aus dem Haupt¬
quartier zu Versailles in Luxemburg ein, der einen Brief des Königs an
den Prinzen-Statthalter überbrachte, worin in bittern Worten über die feind¬
selige Haltung des Landes und über die Bildung von Vereinen zur Be¬
günstigung französischer Gefangnen geklagt wurde. Servais erzählt, der
Prinz sei höchlichst überrascht gewesen, und auch er, der Minister, habe keine
Aufschlüsse geben können. Gleich darauf kam eine Note des Bundeskanzlers
vom 6. Januar 1871, die die Beschwerde näher begründete und die Ankunft
eines Bevollmächtigten in Aussicht stellte, der mit der Regierung über die
Maßregeln verhandeln sollte, zu denen die Vorgänge Anlaß geben könnten.
Die luxemburgische Regierung erklärte sich mit dieser Absicht einverstanden und
beeilte sich, die Einzelheiten der Beschwerde sorgfältig untersuchen zu lassen.
Die Beschwerden konnten nicht bewiesen werden; das Ergebnis wurde nach Ver¬
sailles und an die Garantiemächte berichtet.

Am 26. Januar 1871 erschien der Bevollmächtigte aus Versailles, der
damalige Regierungspräsident von Trier, Herr von Ernsthausen, in Luxem¬
burg, wies eine Vollmacht zur Verhandlung wegen der vorgekvmmnen Ver¬
letzungen der Neutralität vor und stellte nun Berichterstattung nach Ver¬
sailles in Aussicht. Man hatte in Luxemburg ein Ultimatum befürchtet.
Servais rühmt, wie Herr von Erusthausen seine Aufgabe erfüllt habe. Er
verlangte zunächst mündlich, daß der Betrieb der Wilhelm-Luxemburgbahnen
Deutschland überlassen würde, außerdem die Post- und die Tclegraphenverwal-
tung, oder daß eine Entschädigung von zwei Millionen Thalern gezahlt würde, daß
die Jnternirung aller französischen Soldaten, die das Gebiet des Großherzog-
tnms betraten, streng durchgeführt, daß dein französischen Konsul das Lxsciuawr
entzogen, und daß gegen zwei Gendarmen, die den Übertritt zweier franzö¬
sischen Soldaten über die Grenze begünstigt hatten, vorgegangen würde. Von
den Vereinen, von denen in der Note vom 3. Dezember 1870 die Rede ge¬
wesen war, schwieg Herr von Erusthausen.

Im Auftrage des Prinzen-Statthalters wurde Fortsetzung der seither
schon bethätigten Jnternirung und die Untersuchung des Falles von Be¬
günstigung des Übertritts französischer Militärs zugesichert, ebenso die Ver¬
abschiedung des französischen Vertreters, die besonders lebhaft verlangt worden
war; dagegen wurde die Überlassung der Wilhelm-Luxemburgbahnen, der
Post und der Telegraphie mit der größten Entschiedenheit abgelehnt; die
luxemburgische Regierung verpflichtete sich nnr, gegen die sranzöstsche Ostbahn¬
gesellschaft auf Vertragsauflösung zu klagen, wie es schon durch Note vom


Grenzboten I 1896 24
Aus den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais

der Festtafel gewesen ist, und wie der Maire von Nancy ihm, dem damaligen
Minister von Luxemburg, in den wärmsten Ausdrücken „für die sympathische
Haltung des Landes während des Krieges" öffentlichen Dank unter dem Jubel
der Festgenosseu ausgesprochen hat.

Im Januar 1871 traf ein höherer preußischer Offizier aus dem Haupt¬
quartier zu Versailles in Luxemburg ein, der einen Brief des Königs an
den Prinzen-Statthalter überbrachte, worin in bittern Worten über die feind¬
selige Haltung des Landes und über die Bildung von Vereinen zur Be¬
günstigung französischer Gefangnen geklagt wurde. Servais erzählt, der
Prinz sei höchlichst überrascht gewesen, und auch er, der Minister, habe keine
Aufschlüsse geben können. Gleich darauf kam eine Note des Bundeskanzlers
vom 6. Januar 1871, die die Beschwerde näher begründete und die Ankunft
eines Bevollmächtigten in Aussicht stellte, der mit der Regierung über die
Maßregeln verhandeln sollte, zu denen die Vorgänge Anlaß geben könnten.
Die luxemburgische Regierung erklärte sich mit dieser Absicht einverstanden und
beeilte sich, die Einzelheiten der Beschwerde sorgfältig untersuchen zu lassen.
Die Beschwerden konnten nicht bewiesen werden; das Ergebnis wurde nach Ver¬
sailles und an die Garantiemächte berichtet.

Am 26. Januar 1871 erschien der Bevollmächtigte aus Versailles, der
damalige Regierungspräsident von Trier, Herr von Ernsthausen, in Luxem¬
burg, wies eine Vollmacht zur Verhandlung wegen der vorgekvmmnen Ver¬
letzungen der Neutralität vor und stellte nun Berichterstattung nach Ver¬
sailles in Aussicht. Man hatte in Luxemburg ein Ultimatum befürchtet.
Servais rühmt, wie Herr von Erusthausen seine Aufgabe erfüllt habe. Er
verlangte zunächst mündlich, daß der Betrieb der Wilhelm-Luxemburgbahnen
Deutschland überlassen würde, außerdem die Post- und die Tclegraphenverwal-
tung, oder daß eine Entschädigung von zwei Millionen Thalern gezahlt würde, daß
die Jnternirung aller französischen Soldaten, die das Gebiet des Großherzog-
tnms betraten, streng durchgeführt, daß dein französischen Konsul das Lxsciuawr
entzogen, und daß gegen zwei Gendarmen, die den Übertritt zweier franzö¬
sischen Soldaten über die Grenze begünstigt hatten, vorgegangen würde. Von
den Vereinen, von denen in der Note vom 3. Dezember 1870 die Rede ge¬
wesen war, schwieg Herr von Erusthausen.

Im Auftrage des Prinzen-Statthalters wurde Fortsetzung der seither
schon bethätigten Jnternirung und die Untersuchung des Falles von Be¬
günstigung des Übertritts französischer Militärs zugesichert, ebenso die Ver¬
abschiedung des französischen Vertreters, die besonders lebhaft verlangt worden
war; dagegen wurde die Überlassung der Wilhelm-Luxemburgbahnen, der
Post und der Telegraphie mit der größten Entschiedenheit abgelehnt; die
luxemburgische Regierung verpflichtete sich nnr, gegen die sranzöstsche Ostbahn¬
gesellschaft auf Vertragsauflösung zu klagen, wie es schon durch Note vom


Grenzboten I 1896 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/193>, abgerufen am 01.09.2024.