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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Gesetzentwurf gegen unlciutern Wettbewerb

einem stofflichen Erzeugnis verkörpert und Ware geworden ist.*) Nicht ohne
Einfluß ist dabei augenscheinlich der jetzt in der Gerichtssprache, namentlich
der preußischen, einreißende gespreizte Sprachgebrauch geblieben, statt von einem
Bäcker, einem Fleischer, einem Schuster, von dem "Inhaber einer Bückerei,"
dem "Inhaber eines Fleisch- und Wurstwarengeschäfts," dem "Inhaber eines
Schuhwarenlagers" usw. zu reden. Das klingt natürlich großartiger. Wenn
aber diese Gespreiztheit in die Gesetzessprache eintritt, so kann das, wie man
sieht, sehr gefährlich werden. Denn nicht jeder Gewerbtreibende hat immer
auch ein "Geschäft," eine zum Gewerbebetrieb geschaffne dauernde besondre
Veranstaltung und Einrichtung, als deren Inhaber er bezeichnet werden kann.
So beraubt man diese Leute einer Sprachdnmmheit zuliebe der Wohlthat des
Rechtsschutzes. Deshalb sollte der Entwurf, der so lautet: Wer zu Zwecken
des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines andern, über die Person
des Inhabers oder Leiters des Geschäfts usw. Behauptungen aufstellt, die ge¬
eignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu
schädigen usw. so abgeändert werden: Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über
einen andern Gewerbtreibenden oder dessen gewerbliche Leistungen usw.

Mit den Vorschriften des Entwurfs über die Nechtsverfolgung kann man
sich wieder einverstanden erklären. Es ist gewiß richtig, wenn die Strafverfol¬
gung mit Ausnahme eines einzigen, nur ans gewerbepolizeilichen Gebiete
liegenden Falles von der Stellung eines Antrags abhängig gemacht, diese
selbst auf den Weg der Privatklage, wie schon jetzt bei Beleidigungen, ver¬
wiesen und die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten von Amts wegen nur
dann verpflichtet wird, wenn dies ein besondres öffentliches Interesse notwendig
macht. Auch das ist mit Freuden zu begrüßen, daß zur Stellung des Straf¬
antrags wie zur zivilrechtlichen Verfolgung auf künftige Unterlassung der ein¬
zelnen unlautern Wettbewerbshandlung nicht nur der einzelne geschädigte Ge¬
werbtreibende, sondern auch die zur Förderung gewerblicher Interessen be¬
stehenden Verbände befugt sein sollen. Hierdurch wird sicher das Ehrgefühl
des ganzen Standes und das Bewußtsein einer gemeinschaftlichen Geschäftsehre
befestigt und dem Einzelnen unter Umständen das Risiko eines Prozesses er¬
spart werden.



*) Der Entwurf braucht überall das Wort Leistung, um damit konkrete gewerbliche
Erzeugnisse zu bezeichnen. Das ist aber doch gegen den Sprachgebrauch. Leistung bedeutet
etwas Abstraktes. Ein Dutzend Hemden in einem Tage zu nahen ist eine Leistung, aber die
Hemden selbst sind keine Leistung, sondern ein Erzeugnis der Leistung. Nun will der Ent¬
wurf allerdings auch Leistungen im abstrakte" Sinne schützen. Wir haben ja aber in unsrer
Sprache das allerschönste Wort, das beides bezeichnet. Welches das ist? Nun, einfach
Arbeit! Ein Dutzend Hemden zu nähen ist eine Arbeit, aber auch die Hemden selbst sind
eine Arbeit. Seit Menschengedenken wird Arbeit so im abstrakten wie im konkreten Sinne
gebraucht. Warum geht man diesem einfachen und jedermann verständlichen Wort aus dem
D. R. Wege?
Der Gesetzentwurf gegen unlciutern Wettbewerb

einem stofflichen Erzeugnis verkörpert und Ware geworden ist.*) Nicht ohne
Einfluß ist dabei augenscheinlich der jetzt in der Gerichtssprache, namentlich
der preußischen, einreißende gespreizte Sprachgebrauch geblieben, statt von einem
Bäcker, einem Fleischer, einem Schuster, von dem „Inhaber einer Bückerei,"
dem „Inhaber eines Fleisch- und Wurstwarengeschäfts," dem „Inhaber eines
Schuhwarenlagers" usw. zu reden. Das klingt natürlich großartiger. Wenn
aber diese Gespreiztheit in die Gesetzessprache eintritt, so kann das, wie man
sieht, sehr gefährlich werden. Denn nicht jeder Gewerbtreibende hat immer
auch ein „Geschäft," eine zum Gewerbebetrieb geschaffne dauernde besondre
Veranstaltung und Einrichtung, als deren Inhaber er bezeichnet werden kann.
So beraubt man diese Leute einer Sprachdnmmheit zuliebe der Wohlthat des
Rechtsschutzes. Deshalb sollte der Entwurf, der so lautet: Wer zu Zwecken
des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines andern, über die Person
des Inhabers oder Leiters des Geschäfts usw. Behauptungen aufstellt, die ge¬
eignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu
schädigen usw. so abgeändert werden: Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über
einen andern Gewerbtreibenden oder dessen gewerbliche Leistungen usw.

Mit den Vorschriften des Entwurfs über die Nechtsverfolgung kann man
sich wieder einverstanden erklären. Es ist gewiß richtig, wenn die Strafverfol¬
gung mit Ausnahme eines einzigen, nur ans gewerbepolizeilichen Gebiete
liegenden Falles von der Stellung eines Antrags abhängig gemacht, diese
selbst auf den Weg der Privatklage, wie schon jetzt bei Beleidigungen, ver¬
wiesen und die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten von Amts wegen nur
dann verpflichtet wird, wenn dies ein besondres öffentliches Interesse notwendig
macht. Auch das ist mit Freuden zu begrüßen, daß zur Stellung des Straf¬
antrags wie zur zivilrechtlichen Verfolgung auf künftige Unterlassung der ein¬
zelnen unlautern Wettbewerbshandlung nicht nur der einzelne geschädigte Ge¬
werbtreibende, sondern auch die zur Förderung gewerblicher Interessen be¬
stehenden Verbände befugt sein sollen. Hierdurch wird sicher das Ehrgefühl
des ganzen Standes und das Bewußtsein einer gemeinschaftlichen Geschäftsehre
befestigt und dem Einzelnen unter Umständen das Risiko eines Prozesses er¬
spart werden.



*) Der Entwurf braucht überall das Wort Leistung, um damit konkrete gewerbliche
Erzeugnisse zu bezeichnen. Das ist aber doch gegen den Sprachgebrauch. Leistung bedeutet
etwas Abstraktes. Ein Dutzend Hemden in einem Tage zu nahen ist eine Leistung, aber die
Hemden selbst sind keine Leistung, sondern ein Erzeugnis der Leistung. Nun will der Ent¬
wurf allerdings auch Leistungen im abstrakte» Sinne schützen. Wir haben ja aber in unsrer
Sprache das allerschönste Wort, das beides bezeichnet. Welches das ist? Nun, einfach
Arbeit! Ein Dutzend Hemden zu nähen ist eine Arbeit, aber auch die Hemden selbst sind
eine Arbeit. Seit Menschengedenken wird Arbeit so im abstrakten wie im konkreten Sinne
gebraucht. Warum geht man diesem einfachen und jedermann verständlichen Wort aus dem
D. R. Wege?
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[0176] Der Gesetzentwurf gegen unlciutern Wettbewerb einem stofflichen Erzeugnis verkörpert und Ware geworden ist.*) Nicht ohne Einfluß ist dabei augenscheinlich der jetzt in der Gerichtssprache, namentlich der preußischen, einreißende gespreizte Sprachgebrauch geblieben, statt von einem Bäcker, einem Fleischer, einem Schuster, von dem „Inhaber einer Bückerei," dem „Inhaber eines Fleisch- und Wurstwarengeschäfts," dem „Inhaber eines Schuhwarenlagers" usw. zu reden. Das klingt natürlich großartiger. Wenn aber diese Gespreiztheit in die Gesetzessprache eintritt, so kann das, wie man sieht, sehr gefährlich werden. Denn nicht jeder Gewerbtreibende hat immer auch ein „Geschäft," eine zum Gewerbebetrieb geschaffne dauernde besondre Veranstaltung und Einrichtung, als deren Inhaber er bezeichnet werden kann. So beraubt man diese Leute einer Sprachdnmmheit zuliebe der Wohlthat des Rechtsschutzes. Deshalb sollte der Entwurf, der so lautet: Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines andern, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts usw. Behauptungen aufstellt, die ge¬ eignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen usw. so abgeändert werden: Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über einen andern Gewerbtreibenden oder dessen gewerbliche Leistungen usw. Mit den Vorschriften des Entwurfs über die Nechtsverfolgung kann man sich wieder einverstanden erklären. Es ist gewiß richtig, wenn die Strafverfol¬ gung mit Ausnahme eines einzigen, nur ans gewerbepolizeilichen Gebiete liegenden Falles von der Stellung eines Antrags abhängig gemacht, diese selbst auf den Weg der Privatklage, wie schon jetzt bei Beleidigungen, ver¬ wiesen und die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten von Amts wegen nur dann verpflichtet wird, wenn dies ein besondres öffentliches Interesse notwendig macht. Auch das ist mit Freuden zu begrüßen, daß zur Stellung des Straf¬ antrags wie zur zivilrechtlichen Verfolgung auf künftige Unterlassung der ein¬ zelnen unlautern Wettbewerbshandlung nicht nur der einzelne geschädigte Ge¬ werbtreibende, sondern auch die zur Förderung gewerblicher Interessen be¬ stehenden Verbände befugt sein sollen. Hierdurch wird sicher das Ehrgefühl des ganzen Standes und das Bewußtsein einer gemeinschaftlichen Geschäftsehre befestigt und dem Einzelnen unter Umständen das Risiko eines Prozesses er¬ spart werden. *) Der Entwurf braucht überall das Wort Leistung, um damit konkrete gewerbliche Erzeugnisse zu bezeichnen. Das ist aber doch gegen den Sprachgebrauch. Leistung bedeutet etwas Abstraktes. Ein Dutzend Hemden in einem Tage zu nahen ist eine Leistung, aber die Hemden selbst sind keine Leistung, sondern ein Erzeugnis der Leistung. Nun will der Ent¬ wurf allerdings auch Leistungen im abstrakte» Sinne schützen. Wir haben ja aber in unsrer Sprache das allerschönste Wort, das beides bezeichnet. Welches das ist? Nun, einfach Arbeit! Ein Dutzend Hemden zu nähen ist eine Arbeit, aber auch die Hemden selbst sind eine Arbeit. Seit Menschengedenken wird Arbeit so im abstrakten wie im konkreten Sinne gebraucht. Warum geht man diesem einfachen und jedermann verständlichen Wort aus dem D. R. Wege?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/176>, abgerufen am 29.11.2024.