Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

daß man sich hüten muß, die in einem Gewerbebetriebe beschäftigten Arbeiter
und Gehilfen zu hindern, daß sie die bei ihrer Ausbildung gewonnenen
Kenntnisse und Erfahrungen künftig, wenn sie sich selbständig machen wollen,
verwerten. Das würde allen gesunden Fortschritt unterbinden, denn solcher
ist nur möglich, wenn die spätere Generation die Erfahrungen der vorher-
gegangnen beherzigt und benutzt. Es würde auch gegen die Grundsätze der
Urheberschutzgesetze verstoßen, die mit Bedacht jede Erfindung nur für eine
gewisse Zeit schützen, dann aber ihre Verwertung im Interesse der Allgemein¬
heit freigeben. Der Entwurf verbietet daher mit Recht, daß die Angestellten
des Geschäfts zum Zwecke des Wettbewerbs während der Zeit ihres Dienst¬
vertrags die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preisgeben. Dagegen muß
unbedingt gefordert werden, daß die Angestellten nach ihrem Austritt aus dem
Geschäft zu dieser Geheimhaltung höchstens etwa noch zwei Jahre verpflichtet
werden können, wenn sie nicht gänzlich in die Abhängigkeit ihrer Dienstherrn
geraten sollen. Hierin war der erste Entwurf besser. Zu billigen ist wieder,
daß selbständige Gewerbtreibende dann bestraft werden sollen, wenn sie sich
das Geheimnis durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung oder
durch einen Vertrauensbruch von Angestellten des Gegners verschafft haben.

Von der die Erwerbsthätigkeit des Gewerbtreibenden in unlautrer Weise
hindernden Thätigkeit des Wettbewerbers wird in § 6 nur die Herabsetzung
des Gewerbtreibenden oder seiner gewerblichen Leistungen erwähnt. Vielleicht
hätte hier die Ningbildung und das Boykottiren nicht ganz übergangen werden
sollen. § 6 bildet eine Erweiterung der Strafvorschrift im Z 187 des Straf¬
gesetzbuchs; dieser verbietet die Gefährdung des Kredits, hier soll die Geführ¬
dung des Geschäftsbetriebs überhaupt getroffen werden. Diese Erweiterung
kommt sicher dem Bedürfnis entgegen; doch ist auch hier wieder die Fassung
des Entwurfs zu eng. Sie beschränkt sich nämlich auf solche Gewerbtreibende,
die ihr Gewerbe durch ein Erwerbsgeschüft, also durch eine bestimmte nach
außen zur Erscheinung kommende Einrichtung ausüben. Denn nur bei solchen
kann man, wie der Entwurf thut, von einem "Inhaber" und "Leiter" eines
"Geschäfts" reden. Weshalb die zahlreichen übrigen Gewerbtreibenden, die
man nicht als "Inhaber eines Geschäfts" bezeichnen kann, von dem Schutze
gegen unlautre Herabsetzung ihrer gewerblichen Leistungen ausgeschlossen
werden sollen, ist nicht einzusehen. Nach dem Entwurf bleibt die Herab¬
setzung der Leistungen eines Arztes, eines Künstlers, namentlich der Personen,
die eine Kunst gewerbsmäßig ausüben, wie kleine Privatmustker, Stuben-
maler u. a., wenn sie nicht zugleich eine persönliche Beleidigung enthält,
"ach wie vor straflos und verpflichtet uicht zum Schadenersatz. Der Ver¬
fasser des Entwurfs macht sich zu wenig von der Vorstellung frei, daß es
sich nicht nur um Wettbewerb im Handel mit Waren, sondern um den
Schutz jeder gewerblichen Leistung handelt, auch wenn sie sich nicht in


Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

daß man sich hüten muß, die in einem Gewerbebetriebe beschäftigten Arbeiter
und Gehilfen zu hindern, daß sie die bei ihrer Ausbildung gewonnenen
Kenntnisse und Erfahrungen künftig, wenn sie sich selbständig machen wollen,
verwerten. Das würde allen gesunden Fortschritt unterbinden, denn solcher
ist nur möglich, wenn die spätere Generation die Erfahrungen der vorher-
gegangnen beherzigt und benutzt. Es würde auch gegen die Grundsätze der
Urheberschutzgesetze verstoßen, die mit Bedacht jede Erfindung nur für eine
gewisse Zeit schützen, dann aber ihre Verwertung im Interesse der Allgemein¬
heit freigeben. Der Entwurf verbietet daher mit Recht, daß die Angestellten
des Geschäfts zum Zwecke des Wettbewerbs während der Zeit ihres Dienst¬
vertrags die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preisgeben. Dagegen muß
unbedingt gefordert werden, daß die Angestellten nach ihrem Austritt aus dem
Geschäft zu dieser Geheimhaltung höchstens etwa noch zwei Jahre verpflichtet
werden können, wenn sie nicht gänzlich in die Abhängigkeit ihrer Dienstherrn
geraten sollen. Hierin war der erste Entwurf besser. Zu billigen ist wieder,
daß selbständige Gewerbtreibende dann bestraft werden sollen, wenn sie sich
das Geheimnis durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung oder
durch einen Vertrauensbruch von Angestellten des Gegners verschafft haben.

Von der die Erwerbsthätigkeit des Gewerbtreibenden in unlautrer Weise
hindernden Thätigkeit des Wettbewerbers wird in § 6 nur die Herabsetzung
des Gewerbtreibenden oder seiner gewerblichen Leistungen erwähnt. Vielleicht
hätte hier die Ningbildung und das Boykottiren nicht ganz übergangen werden
sollen. § 6 bildet eine Erweiterung der Strafvorschrift im Z 187 des Straf¬
gesetzbuchs; dieser verbietet die Gefährdung des Kredits, hier soll die Geführ¬
dung des Geschäftsbetriebs überhaupt getroffen werden. Diese Erweiterung
kommt sicher dem Bedürfnis entgegen; doch ist auch hier wieder die Fassung
des Entwurfs zu eng. Sie beschränkt sich nämlich auf solche Gewerbtreibende,
die ihr Gewerbe durch ein Erwerbsgeschüft, also durch eine bestimmte nach
außen zur Erscheinung kommende Einrichtung ausüben. Denn nur bei solchen
kann man, wie der Entwurf thut, von einem „Inhaber" und „Leiter" eines
„Geschäfts" reden. Weshalb die zahlreichen übrigen Gewerbtreibenden, die
man nicht als „Inhaber eines Geschäfts" bezeichnen kann, von dem Schutze
gegen unlautre Herabsetzung ihrer gewerblichen Leistungen ausgeschlossen
werden sollen, ist nicht einzusehen. Nach dem Entwurf bleibt die Herab¬
setzung der Leistungen eines Arztes, eines Künstlers, namentlich der Personen,
die eine Kunst gewerbsmäßig ausüben, wie kleine Privatmustker, Stuben-
maler u. a., wenn sie nicht zugleich eine persönliche Beleidigung enthält,
»ach wie vor straflos und verpflichtet uicht zum Schadenersatz. Der Ver¬
fasser des Entwurfs macht sich zu wenig von der Vorstellung frei, daß es
sich nicht nur um Wettbewerb im Handel mit Waren, sondern um den
Schutz jeder gewerblichen Leistung handelt, auch wenn sie sich nicht in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221821"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_549" prev="#ID_548"> daß man sich hüten muß, die in einem Gewerbebetriebe beschäftigten Arbeiter<lb/>
und Gehilfen zu hindern, daß sie die bei ihrer Ausbildung gewonnenen<lb/>
Kenntnisse und Erfahrungen künftig, wenn sie sich selbständig machen wollen,<lb/>
verwerten. Das würde allen gesunden Fortschritt unterbinden, denn solcher<lb/>
ist nur möglich, wenn die spätere Generation die Erfahrungen der vorher-<lb/>
gegangnen beherzigt und benutzt. Es würde auch gegen die Grundsätze der<lb/>
Urheberschutzgesetze verstoßen, die mit Bedacht jede Erfindung nur für eine<lb/>
gewisse Zeit schützen, dann aber ihre Verwertung im Interesse der Allgemein¬<lb/>
heit freigeben. Der Entwurf verbietet daher mit Recht, daß die Angestellten<lb/>
des Geschäfts zum Zwecke des Wettbewerbs während der Zeit ihres Dienst¬<lb/>
vertrags die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preisgeben. Dagegen muß<lb/>
unbedingt gefordert werden, daß die Angestellten nach ihrem Austritt aus dem<lb/>
Geschäft zu dieser Geheimhaltung höchstens etwa noch zwei Jahre verpflichtet<lb/>
werden können, wenn sie nicht gänzlich in die Abhängigkeit ihrer Dienstherrn<lb/>
geraten sollen. Hierin war der erste Entwurf besser. Zu billigen ist wieder,<lb/>
daß selbständige Gewerbtreibende dann bestraft werden sollen, wenn sie sich<lb/>
das Geheimnis durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung oder<lb/>
durch einen Vertrauensbruch von Angestellten des Gegners verschafft haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_550" next="#ID_551"> Von der die Erwerbsthätigkeit des Gewerbtreibenden in unlautrer Weise<lb/>
hindernden Thätigkeit des Wettbewerbers wird in § 6 nur die Herabsetzung<lb/>
des Gewerbtreibenden oder seiner gewerblichen Leistungen erwähnt. Vielleicht<lb/>
hätte hier die Ningbildung und das Boykottiren nicht ganz übergangen werden<lb/>
sollen. § 6 bildet eine Erweiterung der Strafvorschrift im Z 187 des Straf¬<lb/>
gesetzbuchs; dieser verbietet die Gefährdung des Kredits, hier soll die Geführ¬<lb/>
dung des Geschäftsbetriebs überhaupt getroffen werden. Diese Erweiterung<lb/>
kommt sicher dem Bedürfnis entgegen; doch ist auch hier wieder die Fassung<lb/>
des Entwurfs zu eng. Sie beschränkt sich nämlich auf solche Gewerbtreibende,<lb/>
die ihr Gewerbe durch ein Erwerbsgeschüft, also durch eine bestimmte nach<lb/>
außen zur Erscheinung kommende Einrichtung ausüben. Denn nur bei solchen<lb/>
kann man, wie der Entwurf thut, von einem &#x201E;Inhaber" und &#x201E;Leiter" eines<lb/>
&#x201E;Geschäfts" reden. Weshalb die zahlreichen übrigen Gewerbtreibenden, die<lb/>
man nicht als &#x201E;Inhaber eines Geschäfts" bezeichnen kann, von dem Schutze<lb/>
gegen unlautre Herabsetzung ihrer gewerblichen Leistungen ausgeschlossen<lb/>
werden sollen, ist nicht einzusehen. Nach dem Entwurf bleibt die Herab¬<lb/>
setzung der Leistungen eines Arztes, eines Künstlers, namentlich der Personen,<lb/>
die eine Kunst gewerbsmäßig ausüben, wie kleine Privatmustker, Stuben-<lb/>
maler u. a., wenn sie nicht zugleich eine persönliche Beleidigung enthält,<lb/>
»ach wie vor straflos und verpflichtet uicht zum Schadenersatz. Der Ver¬<lb/>
fasser des Entwurfs macht sich zu wenig von der Vorstellung frei, daß es<lb/>
sich nicht nur um Wettbewerb im Handel mit Waren, sondern um den<lb/>
Schutz jeder gewerblichen Leistung handelt, auch wenn sie sich nicht in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb daß man sich hüten muß, die in einem Gewerbebetriebe beschäftigten Arbeiter und Gehilfen zu hindern, daß sie die bei ihrer Ausbildung gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen künftig, wenn sie sich selbständig machen wollen, verwerten. Das würde allen gesunden Fortschritt unterbinden, denn solcher ist nur möglich, wenn die spätere Generation die Erfahrungen der vorher- gegangnen beherzigt und benutzt. Es würde auch gegen die Grundsätze der Urheberschutzgesetze verstoßen, die mit Bedacht jede Erfindung nur für eine gewisse Zeit schützen, dann aber ihre Verwertung im Interesse der Allgemein¬ heit freigeben. Der Entwurf verbietet daher mit Recht, daß die Angestellten des Geschäfts zum Zwecke des Wettbewerbs während der Zeit ihres Dienst¬ vertrags die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preisgeben. Dagegen muß unbedingt gefordert werden, daß die Angestellten nach ihrem Austritt aus dem Geschäft zu dieser Geheimhaltung höchstens etwa noch zwei Jahre verpflichtet werden können, wenn sie nicht gänzlich in die Abhängigkeit ihrer Dienstherrn geraten sollen. Hierin war der erste Entwurf besser. Zu billigen ist wieder, daß selbständige Gewerbtreibende dann bestraft werden sollen, wenn sie sich das Geheimnis durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung oder durch einen Vertrauensbruch von Angestellten des Gegners verschafft haben. Von der die Erwerbsthätigkeit des Gewerbtreibenden in unlautrer Weise hindernden Thätigkeit des Wettbewerbers wird in § 6 nur die Herabsetzung des Gewerbtreibenden oder seiner gewerblichen Leistungen erwähnt. Vielleicht hätte hier die Ningbildung und das Boykottiren nicht ganz übergangen werden sollen. § 6 bildet eine Erweiterung der Strafvorschrift im Z 187 des Straf¬ gesetzbuchs; dieser verbietet die Gefährdung des Kredits, hier soll die Geführ¬ dung des Geschäftsbetriebs überhaupt getroffen werden. Diese Erweiterung kommt sicher dem Bedürfnis entgegen; doch ist auch hier wieder die Fassung des Entwurfs zu eng. Sie beschränkt sich nämlich auf solche Gewerbtreibende, die ihr Gewerbe durch ein Erwerbsgeschüft, also durch eine bestimmte nach außen zur Erscheinung kommende Einrichtung ausüben. Denn nur bei solchen kann man, wie der Entwurf thut, von einem „Inhaber" und „Leiter" eines „Geschäfts" reden. Weshalb die zahlreichen übrigen Gewerbtreibenden, die man nicht als „Inhaber eines Geschäfts" bezeichnen kann, von dem Schutze gegen unlautre Herabsetzung ihrer gewerblichen Leistungen ausgeschlossen werden sollen, ist nicht einzusehen. Nach dem Entwurf bleibt die Herab¬ setzung der Leistungen eines Arztes, eines Künstlers, namentlich der Personen, die eine Kunst gewerbsmäßig ausüben, wie kleine Privatmustker, Stuben- maler u. a., wenn sie nicht zugleich eine persönliche Beleidigung enthält, »ach wie vor straflos und verpflichtet uicht zum Schadenersatz. Der Ver¬ fasser des Entwurfs macht sich zu wenig von der Vorstellung frei, daß es sich nicht nur um Wettbewerb im Handel mit Waren, sondern um den Schutz jeder gewerblichen Leistung handelt, auch wenn sie sich nicht in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/175>, abgerufen am 01.09.2024.