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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

Der Begriff des unlautern Wettbewerbs im Gewerbe ergiebt sich erstens
aus dem Begriff des Wettbewerbs überhaupt, zweitens aus dem Begriffe der
Erwerbsthätigkeit. Denn die Erwerbsthätigkeit mehrerer Gewerbtreibenden des¬
selben Gewerbes ist es ja, die mit einander in Wettbewerb steht. Das Ziel,
wonach jeder Gewerbtreibende strebt, ist Absatz und Verwertung seiner gewerb¬
lichen Leistungen, Kundschaft. Sind nun die von einem Gewerbtreibenden zu
verwertenden gewerblichen Leistungen gleicher oder verwandter Art, dienen sie
zur Befriedigung derselben Bedürfnisse wie die eines andern Gewerbtreibenden,
so wenden sich beide, um den Absatz ihrer Leistungen zu erlangen, an Menschen
mit denselben Bedürfnissen. Ist dann weiter noch der Kreis von Personen,
an die die Gewerbtreibenden ihre Leistungen absetzen wollen, ein und derselbe,
wohnen z. B. die Personen in derselben Stadt, in demselben Lande, nicht etwa
die einen in China, die andern in Deutschland, so strebt jeder, dieselben Per¬
sonen zu seiner Kundschaft zu gewinnen. Mit dem gegenseitigen Streben nach
einem einzigen Ziel, das nur dem einen von beiden zufallen kann, ist aber der
Wettbewerb gegeben. Daß aber ein solcher Wettbewerb heutzutage besteht, wo
infolge der Übervölkerung nicht nur einer, sondern eine große Anzahl Gewerb-
treibender für Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse eines und desselben
Personenkreises sorgt, ist eine Thatsache.

Wie nun jeder Wettbewerb begrifflich eine Vergleichung, ein Abmessen
der nach dem gemeinsamen Ziele strebenden Kräfte enthält und unlauter wird,
wenn andre als zur Vergleichung gestellten Kräfte, sei es, um die Thätigkeit
des Gegners zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu fördern, in den
Wettkampf eingeführt werden, so ist dies auch beim Wettbewerb zwischen den
gewerblichen Thätigkeiten der Fall. Erschöpft sich diese aber in der Verschaffung
von Kundschaft, so ergiebt sich daraus, daß als lauterer Wettbewerb uur solche
Erwerbsthätigkeit anerkannt werden kann, die in der Verschaffung von Kund¬
schaft durch eigne Arbeitskraft ihre Grenze findet. In dem Begriff der Kund¬
schaft liegt aber nun. daß die Abnahme der gewerblichen Leistungen in den
freien Willen der Abnehmer gestellt sein muß. Jede Gegenleistung für eine
nbgenommne gewerbliche Leistung, die nicht im freien Willen der Abnehmer
ihren Grund hat, erhält die Natur eines Tributs, einer Steuer an den
Leistenden und vernichtet damit den Begriff der Kundschaft. Bezeichnend
nennen deshalb die Engländer Kundschaft tu" goocwill ok g, tracls. Hieraus
folgt, daß jeder Wettbewerb im Gewerbe unlauter wird, wenn, sei es, um die
Thätigkeit des Mitbewerbers zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu
fördern, eine Thätigkeit angewendet wird, die nicht eigne Arbeitsthätigkeit ist
und die freie Entschließung des Abnehmers, ob er Kunde werden will oder
nicht, beeinflußt. Eine unlautre, den eignen Erwerb fördernde Thätigkeit ist
sonach die täuschende Reklame und die Benutzung fremder Arbeitsthätigkeit,
sei es dadurch, daß man zwischen ihr und der eignen bei der Kundschaft Ver-


Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

Der Begriff des unlautern Wettbewerbs im Gewerbe ergiebt sich erstens
aus dem Begriff des Wettbewerbs überhaupt, zweitens aus dem Begriffe der
Erwerbsthätigkeit. Denn die Erwerbsthätigkeit mehrerer Gewerbtreibenden des¬
selben Gewerbes ist es ja, die mit einander in Wettbewerb steht. Das Ziel,
wonach jeder Gewerbtreibende strebt, ist Absatz und Verwertung seiner gewerb¬
lichen Leistungen, Kundschaft. Sind nun die von einem Gewerbtreibenden zu
verwertenden gewerblichen Leistungen gleicher oder verwandter Art, dienen sie
zur Befriedigung derselben Bedürfnisse wie die eines andern Gewerbtreibenden,
so wenden sich beide, um den Absatz ihrer Leistungen zu erlangen, an Menschen
mit denselben Bedürfnissen. Ist dann weiter noch der Kreis von Personen,
an die die Gewerbtreibenden ihre Leistungen absetzen wollen, ein und derselbe,
wohnen z. B. die Personen in derselben Stadt, in demselben Lande, nicht etwa
die einen in China, die andern in Deutschland, so strebt jeder, dieselben Per¬
sonen zu seiner Kundschaft zu gewinnen. Mit dem gegenseitigen Streben nach
einem einzigen Ziel, das nur dem einen von beiden zufallen kann, ist aber der
Wettbewerb gegeben. Daß aber ein solcher Wettbewerb heutzutage besteht, wo
infolge der Übervölkerung nicht nur einer, sondern eine große Anzahl Gewerb-
treibender für Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse eines und desselben
Personenkreises sorgt, ist eine Thatsache.

Wie nun jeder Wettbewerb begrifflich eine Vergleichung, ein Abmessen
der nach dem gemeinsamen Ziele strebenden Kräfte enthält und unlauter wird,
wenn andre als zur Vergleichung gestellten Kräfte, sei es, um die Thätigkeit
des Gegners zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu fördern, in den
Wettkampf eingeführt werden, so ist dies auch beim Wettbewerb zwischen den
gewerblichen Thätigkeiten der Fall. Erschöpft sich diese aber in der Verschaffung
von Kundschaft, so ergiebt sich daraus, daß als lauterer Wettbewerb uur solche
Erwerbsthätigkeit anerkannt werden kann, die in der Verschaffung von Kund¬
schaft durch eigne Arbeitskraft ihre Grenze findet. In dem Begriff der Kund¬
schaft liegt aber nun. daß die Abnahme der gewerblichen Leistungen in den
freien Willen der Abnehmer gestellt sein muß. Jede Gegenleistung für eine
nbgenommne gewerbliche Leistung, die nicht im freien Willen der Abnehmer
ihren Grund hat, erhält die Natur eines Tributs, einer Steuer an den
Leistenden und vernichtet damit den Begriff der Kundschaft. Bezeichnend
nennen deshalb die Engländer Kundschaft tu« goocwill ok g, tracls. Hieraus
folgt, daß jeder Wettbewerb im Gewerbe unlauter wird, wenn, sei es, um die
Thätigkeit des Mitbewerbers zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu
fördern, eine Thätigkeit angewendet wird, die nicht eigne Arbeitsthätigkeit ist
und die freie Entschließung des Abnehmers, ob er Kunde werden will oder
nicht, beeinflußt. Eine unlautre, den eignen Erwerb fördernde Thätigkeit ist
sonach die täuschende Reklame und die Benutzung fremder Arbeitsthätigkeit,
sei es dadurch, daß man zwischen ihr und der eignen bei der Kundschaft Ver-


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[0171] Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb Der Begriff des unlautern Wettbewerbs im Gewerbe ergiebt sich erstens aus dem Begriff des Wettbewerbs überhaupt, zweitens aus dem Begriffe der Erwerbsthätigkeit. Denn die Erwerbsthätigkeit mehrerer Gewerbtreibenden des¬ selben Gewerbes ist es ja, die mit einander in Wettbewerb steht. Das Ziel, wonach jeder Gewerbtreibende strebt, ist Absatz und Verwertung seiner gewerb¬ lichen Leistungen, Kundschaft. Sind nun die von einem Gewerbtreibenden zu verwertenden gewerblichen Leistungen gleicher oder verwandter Art, dienen sie zur Befriedigung derselben Bedürfnisse wie die eines andern Gewerbtreibenden, so wenden sich beide, um den Absatz ihrer Leistungen zu erlangen, an Menschen mit denselben Bedürfnissen. Ist dann weiter noch der Kreis von Personen, an die die Gewerbtreibenden ihre Leistungen absetzen wollen, ein und derselbe, wohnen z. B. die Personen in derselben Stadt, in demselben Lande, nicht etwa die einen in China, die andern in Deutschland, so strebt jeder, dieselben Per¬ sonen zu seiner Kundschaft zu gewinnen. Mit dem gegenseitigen Streben nach einem einzigen Ziel, das nur dem einen von beiden zufallen kann, ist aber der Wettbewerb gegeben. Daß aber ein solcher Wettbewerb heutzutage besteht, wo infolge der Übervölkerung nicht nur einer, sondern eine große Anzahl Gewerb- treibender für Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse eines und desselben Personenkreises sorgt, ist eine Thatsache. Wie nun jeder Wettbewerb begrifflich eine Vergleichung, ein Abmessen der nach dem gemeinsamen Ziele strebenden Kräfte enthält und unlauter wird, wenn andre als zur Vergleichung gestellten Kräfte, sei es, um die Thätigkeit des Gegners zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu fördern, in den Wettkampf eingeführt werden, so ist dies auch beim Wettbewerb zwischen den gewerblichen Thätigkeiten der Fall. Erschöpft sich diese aber in der Verschaffung von Kundschaft, so ergiebt sich daraus, daß als lauterer Wettbewerb uur solche Erwerbsthätigkeit anerkannt werden kann, die in der Verschaffung von Kund¬ schaft durch eigne Arbeitskraft ihre Grenze findet. In dem Begriff der Kund¬ schaft liegt aber nun. daß die Abnahme der gewerblichen Leistungen in den freien Willen der Abnehmer gestellt sein muß. Jede Gegenleistung für eine nbgenommne gewerbliche Leistung, die nicht im freien Willen der Abnehmer ihren Grund hat, erhält die Natur eines Tributs, einer Steuer an den Leistenden und vernichtet damit den Begriff der Kundschaft. Bezeichnend nennen deshalb die Engländer Kundschaft tu« goocwill ok g, tracls. Hieraus folgt, daß jeder Wettbewerb im Gewerbe unlauter wird, wenn, sei es, um die Thätigkeit des Mitbewerbers zu hindern, sei es, um die eigne Thätigkeit zu fördern, eine Thätigkeit angewendet wird, die nicht eigne Arbeitsthätigkeit ist und die freie Entschließung des Abnehmers, ob er Kunde werden will oder nicht, beeinflußt. Eine unlautre, den eignen Erwerb fördernde Thätigkeit ist sonach die täuschende Reklame und die Benutzung fremder Arbeitsthätigkeit, sei es dadurch, daß man zwischen ihr und der eignen bei der Kundschaft Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/171>, abgerufen am 01.09.2024.