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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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! Die Franzosen haben auch Kapitalüberschuß, aber keinen Menschenüber¬
schuß. Drum ist selbst in ihren eignen Kolonien der Handel meist in deutschen
und englischen Händen, und wenn man irgendwo französische Firmen findet,
wie an der Küste von Mozambique, so sind die Angestellten meist Schweizer,
mit denen sich auch recht gut deutsch reden läßt. Aber auch das französische
Kapital muß hinaus ins feindliche Leben, und weil es ohne Menschen geht,
so geht es in großen Massen an große Unternehmungen, z. B. nach Panama,
wagt viel und verliert viel.

Wie steht es nun bei uns? Auch wir haben Kapitalüberschuß. Geld ist
da, und Arbeitslose sind da, aber die Geschäfte wollen doch nicht gehen. Divi¬
denden und Zinsfuß sinken; und wenn wir auch noch nicht so weit sind, daß
die Staatspapiere, als die sichersten und gesuchteste" Papiere, nur 1 Prozent
zahlen wie in England, so sehen doch alle kleinen Rentner mit Schrecken:
der Weg führt dahin! Es giebt eine Menge kleiner Rentner bei uns, die un¬
gefähr 2000 Mark Zinsen jährlich haben. Selbst diese und ebenso die größern
begnügen sich nicht für alle ihre Papiere mit einem Zinsfuß von Prozent,
sie wollen mehr haben, sie kaufen also Brauereipapiere und treiben deren Kurs,
oder sie erleichtern den Besitzern des Bodens das Schuldenmachen, oder
-- und das wird immer häufiger werden -- sie kaufen Griechen, Portugiesen,
Argentinier, Türkenlose, d. h. sie gehen außer Landes, aber wie die Franzosen
zu fremder Arbeit.

Freilich machen es nicht alle Deutschen so. Unser Vaterland hat von
jeher zwei ungleich große "Hälften" gehabt, eine kontinentale, die speist, wohnt
und spricht wie die Franzosen, und die Waterkant, die in allen diesen Dingen
den Engländern ähnelt. So machen es auch schon die Hamburger und die
Bremer wie die Engländer, sie gehen selber hinüber, gründen Handelshäuser,
Filialen, Plantagen und Fabriken mit eignem Geld und eigner Arbeit. Wie¬
viel Kapital mag es wohl sein, was von den Hamburgern und Bremern
außer Landes getragen wird? Viel oder wenig? Das ist von hier aus schwer
zu sagen. Denn es geht in die englischen Kolonien, hilft diesen mit zu Blüte
und Reichtum, verschwindet aber für die Augen des Geographie lernenden
Deutschen. Kapland. Ostindien, Australien sind englische Kolonien, heißt es
da. Die Anschauung lehrt es aber anders; man mag hinkommen, wohin man
will, nach allen Küstenplützen der Erde, überall findet man zwar das mäch¬
tige englische Kapital, aber ebenso findet man überall daneben eine angesehene,
wohlhabende deutsche Kolonie, manchmal klein, manchmal groß, manchmal
ebenso groß wie die englische, überall aber wachsend, ihrer Zukunft sicher,
dagegen fast nirgends eine bedeutende französische; überall deutschen und eng¬
lischen Handel, nirgends französischen. Es kann also nicht gering sein, das
deutsche Vermögen im Auslande; wie groß könnte es aber erst sein, wenn auch
das übrige Kapital vernünftige Wege ginge! , ^


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! Die Franzosen haben auch Kapitalüberschuß, aber keinen Menschenüber¬
schuß. Drum ist selbst in ihren eignen Kolonien der Handel meist in deutschen
und englischen Händen, und wenn man irgendwo französische Firmen findet,
wie an der Küste von Mozambique, so sind die Angestellten meist Schweizer,
mit denen sich auch recht gut deutsch reden läßt. Aber auch das französische
Kapital muß hinaus ins feindliche Leben, und weil es ohne Menschen geht,
so geht es in großen Massen an große Unternehmungen, z. B. nach Panama,
wagt viel und verliert viel.

Wie steht es nun bei uns? Auch wir haben Kapitalüberschuß. Geld ist
da, und Arbeitslose sind da, aber die Geschäfte wollen doch nicht gehen. Divi¬
denden und Zinsfuß sinken; und wenn wir auch noch nicht so weit sind, daß
die Staatspapiere, als die sichersten und gesuchteste» Papiere, nur 1 Prozent
zahlen wie in England, so sehen doch alle kleinen Rentner mit Schrecken:
der Weg führt dahin! Es giebt eine Menge kleiner Rentner bei uns, die un¬
gefähr 2000 Mark Zinsen jährlich haben. Selbst diese und ebenso die größern
begnügen sich nicht für alle ihre Papiere mit einem Zinsfuß von Prozent,
sie wollen mehr haben, sie kaufen also Brauereipapiere und treiben deren Kurs,
oder sie erleichtern den Besitzern des Bodens das Schuldenmachen, oder
— und das wird immer häufiger werden — sie kaufen Griechen, Portugiesen,
Argentinier, Türkenlose, d. h. sie gehen außer Landes, aber wie die Franzosen
zu fremder Arbeit.

Freilich machen es nicht alle Deutschen so. Unser Vaterland hat von
jeher zwei ungleich große „Hälften" gehabt, eine kontinentale, die speist, wohnt
und spricht wie die Franzosen, und die Waterkant, die in allen diesen Dingen
den Engländern ähnelt. So machen es auch schon die Hamburger und die
Bremer wie die Engländer, sie gehen selber hinüber, gründen Handelshäuser,
Filialen, Plantagen und Fabriken mit eignem Geld und eigner Arbeit. Wie¬
viel Kapital mag es wohl sein, was von den Hamburgern und Bremern
außer Landes getragen wird? Viel oder wenig? Das ist von hier aus schwer
zu sagen. Denn es geht in die englischen Kolonien, hilft diesen mit zu Blüte
und Reichtum, verschwindet aber für die Augen des Geographie lernenden
Deutschen. Kapland. Ostindien, Australien sind englische Kolonien, heißt es
da. Die Anschauung lehrt es aber anders; man mag hinkommen, wohin man
will, nach allen Küstenplützen der Erde, überall findet man zwar das mäch¬
tige englische Kapital, aber ebenso findet man überall daneben eine angesehene,
wohlhabende deutsche Kolonie, manchmal klein, manchmal groß, manchmal
ebenso groß wie die englische, überall aber wachsend, ihrer Zukunft sicher,
dagegen fast nirgends eine bedeutende französische; überall deutschen und eng¬
lischen Handel, nirgends französischen. Es kann also nicht gering sein, das
deutsche Vermögen im Auslande; wie groß könnte es aber erst sein, wenn auch
das übrige Kapital vernünftige Wege ginge! , ^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/117>, abgerufen am 25.11.2024.