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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Profit durch Baisse.

Wie der Baissier auch bei fortwährend billigen
Preisen Geld verdienen, noch dazu viel Geld verdienen könne, wurde neulich in
diesen Blättern gefragt. Die Fragstelluug ist nicht ganz deutlich; sind fortwährend
fallende Preise oder andauernd gleich billige Preise gemeint? Wohl das zweite,
denn die Spekulation bei stetig fallenden Preisen ist so einleuchtend wie möglich.
Die dümmsten Kerle verfallen immer zuerst darauf. Sobald sich die Neigung zu.
fallenden Preisen deutlich zeigt, entschließt sich der Baissier "mit dem Markt zu
gehen," nach folgendem einfachen Schema. Wir nenneu den Stapelartikel den
Preis im Jnnnar p, den Preisabfall vom Januar bis zum Febuar u, den vom
Februar bis zum März u^, den vom März bis zum April usw. Der Baissier
verkauft nnn im Januar in Zentner ^ für Februarlieferung zu x Mark, im Februar
kauft er diese in Zentner zu x -- u Mark, während er gleichzeitig in Zentner für
Märzliefernng zum gleichen Preise von x -- u Mark verkauft. Fährt er so fort,
daun hat er Ende des Jahres in x (u u^ u^ -f- u^ u"' -j- n" u? -j- u^
u°->-u^) Mark verdient. Der Baissier verdient aber auch Geld, wenn der
Preis ein ganzes Jahr hindurch genau derselbe bleibt, der sogenannte Lokopreis
nämlich. Zwischen den Preisen für "Lolo" und für "Termin," namentlich für
sehr entfernte Termine, ist stets ein Unterschied, und da liegt die Lösung. Loko¬
preis ist der Tagespreis für wirkliche, greifbare, am Orte befindliche Ware, die
der Käufer das Recht und die Pflicht hat binnen angemessener Frist, sagen wir
binnen 8 bis 14 Tagen, abzufordern. Terminpreis dagegen ist der Tagespreis
für die in einem spätern Monat oder in einer Reihe späterer Monate jeden
Monat die gleiche Menge zu liefernde Ware. Den Zeitpunkt zur Lieferung inner¬
halb des fraglichen Monats wählt der Verkäufer, er "dient an," "kündigt." Ist
nun im Januar für ^ der Lokopreis x Mark, so ist der Preis für Termine, z. B.
für August-Dezember an demselben Tage stets höher. Selbstverständlich: wollte
jemand seiner Meinung, daß ^ vom August bis zum Dezember teurer sein werde,
einen geschttftspolitischen Ausdruck geben, so müßte er sich in Zentner ^ im Januar
kaufen, sie empfangen, lagern und dann zu deu vom August bis zum Dezember
herrschenden Preisen verkaufen. Das würde Empfangsspesen, Lagerkosten, Substanz-
Verlust, Zinsen, Feuerversicherung usw. kosten. Der Baissier verkauft nun den
Termin August-Dezember etwas billiger, als er sich durch wirkliche Lagerung Her¬
stellen läßt. Er kann ja schwimmende oder auf spätere Abladung gekaufte Ware
besitzen. Daß er solche habe, ist zum mindesten noch immer die Fiktion beim
Abschluß. Jedenfalls braucht er nie -- ganz seltne Ausnahmen kommen nicht in
Betracht -- August-Dezember, überhaupt einen entfernten Termin, ohne Aufschlag,
ohne "Report" zu verkaufe". Der Preis ist also für August-Dezember im Januar
x r Mark. Bleibt nun das ganze Jahr der Preis unverändert gleich niedrig,
so hat der Baissier am Eude des Jahres 5 x in x r Mark verdient. Hier ein
Beispiel: Petroleum wurde zur Faßzeit durch Lagerung unter Riedemann monat¬
lich um 12 bis 16 Pfennige für den Zentner teurer. Vom Januar bis zum
Oktober -- als dem mittelsten und also Rechnungsmonat des August-Dezember¬
termins -- sind neun Monate. Das würde einen Report von 1,36 Mark be¬
deuten. Im Terminhandel wird, nehmen wir an, eine Mark bezahlt, und der
Lokopreis im Januar ist 8 Mark. Unser Freund verkauft nun 5000 Barrels August-
Dezember zu 9 Mark, hat also monatlich 14 000 Zentner zu 9 Mark zu liefern.
Der Preis bleibt nun unverändert, er kann also jeden Monat -- dreißig Tage
lang hat er Zeit -- die 6000 Barrels zu 3 Mark kaufen oder abrechnen und
hat am Ende des Jahres 5 x 14 000 ^ 70 000 Mark verdient. Um ebenso viel


Grenzboten I 1896 13
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Profit durch Baisse.

Wie der Baissier auch bei fortwährend billigen
Preisen Geld verdienen, noch dazu viel Geld verdienen könne, wurde neulich in
diesen Blättern gefragt. Die Fragstelluug ist nicht ganz deutlich; sind fortwährend
fallende Preise oder andauernd gleich billige Preise gemeint? Wohl das zweite,
denn die Spekulation bei stetig fallenden Preisen ist so einleuchtend wie möglich.
Die dümmsten Kerle verfallen immer zuerst darauf. Sobald sich die Neigung zu.
fallenden Preisen deutlich zeigt, entschließt sich der Baissier „mit dem Markt zu
gehen," nach folgendem einfachen Schema. Wir nenneu den Stapelartikel den
Preis im Jnnnar p, den Preisabfall vom Januar bis zum Febuar u, den vom
Februar bis zum März u^, den vom März bis zum April usw. Der Baissier
verkauft nnn im Januar in Zentner ^ für Februarlieferung zu x Mark, im Februar
kauft er diese in Zentner zu x — u Mark, während er gleichzeitig in Zentner für
Märzliefernng zum gleichen Preise von x — u Mark verkauft. Fährt er so fort,
daun hat er Ende des Jahres in x (u u^ u^ -f- u^ u"' -j- n" u? -j- u^
u°->-u^) Mark verdient. Der Baissier verdient aber auch Geld, wenn der
Preis ein ganzes Jahr hindurch genau derselbe bleibt, der sogenannte Lokopreis
nämlich. Zwischen den Preisen für „Lolo" und für „Termin," namentlich für
sehr entfernte Termine, ist stets ein Unterschied, und da liegt die Lösung. Loko¬
preis ist der Tagespreis für wirkliche, greifbare, am Orte befindliche Ware, die
der Käufer das Recht und die Pflicht hat binnen angemessener Frist, sagen wir
binnen 8 bis 14 Tagen, abzufordern. Terminpreis dagegen ist der Tagespreis
für die in einem spätern Monat oder in einer Reihe späterer Monate jeden
Monat die gleiche Menge zu liefernde Ware. Den Zeitpunkt zur Lieferung inner¬
halb des fraglichen Monats wählt der Verkäufer, er „dient an," „kündigt." Ist
nun im Januar für ^ der Lokopreis x Mark, so ist der Preis für Termine, z. B.
für August-Dezember an demselben Tage stets höher. Selbstverständlich: wollte
jemand seiner Meinung, daß ^ vom August bis zum Dezember teurer sein werde,
einen geschttftspolitischen Ausdruck geben, so müßte er sich in Zentner ^ im Januar
kaufen, sie empfangen, lagern und dann zu deu vom August bis zum Dezember
herrschenden Preisen verkaufen. Das würde Empfangsspesen, Lagerkosten, Substanz-
Verlust, Zinsen, Feuerversicherung usw. kosten. Der Baissier verkauft nun den
Termin August-Dezember etwas billiger, als er sich durch wirkliche Lagerung Her¬
stellen läßt. Er kann ja schwimmende oder auf spätere Abladung gekaufte Ware
besitzen. Daß er solche habe, ist zum mindesten noch immer die Fiktion beim
Abschluß. Jedenfalls braucht er nie — ganz seltne Ausnahmen kommen nicht in
Betracht — August-Dezember, überhaupt einen entfernten Termin, ohne Aufschlag,
ohne „Report" zu verkaufe». Der Preis ist also für August-Dezember im Januar
x r Mark. Bleibt nun das ganze Jahr der Preis unverändert gleich niedrig,
so hat der Baissier am Eude des Jahres 5 x in x r Mark verdient. Hier ein
Beispiel: Petroleum wurde zur Faßzeit durch Lagerung unter Riedemann monat¬
lich um 12 bis 16 Pfennige für den Zentner teurer. Vom Januar bis zum
Oktober — als dem mittelsten und also Rechnungsmonat des August-Dezember¬
termins — sind neun Monate. Das würde einen Report von 1,36 Mark be¬
deuten. Im Terminhandel wird, nehmen wir an, eine Mark bezahlt, und der
Lokopreis im Januar ist 8 Mark. Unser Freund verkauft nun 5000 Barrels August-
Dezember zu 9 Mark, hat also monatlich 14 000 Zentner zu 9 Mark zu liefern.
Der Preis bleibt nun unverändert, er kann also jeden Monat — dreißig Tage
lang hat er Zeit — die 6000 Barrels zu 3 Mark kaufen oder abrechnen und
hat am Ende des Jahres 5 x 14 000 ^ 70 000 Mark verdient. Um ebenso viel


Grenzboten I 1896 13
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[0105] Maßgebliches und Unmaßgebliches Profit durch Baisse. Wie der Baissier auch bei fortwährend billigen Preisen Geld verdienen, noch dazu viel Geld verdienen könne, wurde neulich in diesen Blättern gefragt. Die Fragstelluug ist nicht ganz deutlich; sind fortwährend fallende Preise oder andauernd gleich billige Preise gemeint? Wohl das zweite, denn die Spekulation bei stetig fallenden Preisen ist so einleuchtend wie möglich. Die dümmsten Kerle verfallen immer zuerst darauf. Sobald sich die Neigung zu. fallenden Preisen deutlich zeigt, entschließt sich der Baissier „mit dem Markt zu gehen," nach folgendem einfachen Schema. Wir nenneu den Stapelartikel den Preis im Jnnnar p, den Preisabfall vom Januar bis zum Febuar u, den vom Februar bis zum März u^, den vom März bis zum April usw. Der Baissier verkauft nnn im Januar in Zentner ^ für Februarlieferung zu x Mark, im Februar kauft er diese in Zentner zu x — u Mark, während er gleichzeitig in Zentner für Märzliefernng zum gleichen Preise von x — u Mark verkauft. Fährt er so fort, daun hat er Ende des Jahres in x (u u^ u^ -f- u^ u"' -j- n" u? -j- u^ u°->-u^) Mark verdient. Der Baissier verdient aber auch Geld, wenn der Preis ein ganzes Jahr hindurch genau derselbe bleibt, der sogenannte Lokopreis nämlich. Zwischen den Preisen für „Lolo" und für „Termin," namentlich für sehr entfernte Termine, ist stets ein Unterschied, und da liegt die Lösung. Loko¬ preis ist der Tagespreis für wirkliche, greifbare, am Orte befindliche Ware, die der Käufer das Recht und die Pflicht hat binnen angemessener Frist, sagen wir binnen 8 bis 14 Tagen, abzufordern. Terminpreis dagegen ist der Tagespreis für die in einem spätern Monat oder in einer Reihe späterer Monate jeden Monat die gleiche Menge zu liefernde Ware. Den Zeitpunkt zur Lieferung inner¬ halb des fraglichen Monats wählt der Verkäufer, er „dient an," „kündigt." Ist nun im Januar für ^ der Lokopreis x Mark, so ist der Preis für Termine, z. B. für August-Dezember an demselben Tage stets höher. Selbstverständlich: wollte jemand seiner Meinung, daß ^ vom August bis zum Dezember teurer sein werde, einen geschttftspolitischen Ausdruck geben, so müßte er sich in Zentner ^ im Januar kaufen, sie empfangen, lagern und dann zu deu vom August bis zum Dezember herrschenden Preisen verkaufen. Das würde Empfangsspesen, Lagerkosten, Substanz- Verlust, Zinsen, Feuerversicherung usw. kosten. Der Baissier verkauft nun den Termin August-Dezember etwas billiger, als er sich durch wirkliche Lagerung Her¬ stellen läßt. Er kann ja schwimmende oder auf spätere Abladung gekaufte Ware besitzen. Daß er solche habe, ist zum mindesten noch immer die Fiktion beim Abschluß. Jedenfalls braucht er nie — ganz seltne Ausnahmen kommen nicht in Betracht — August-Dezember, überhaupt einen entfernten Termin, ohne Aufschlag, ohne „Report" zu verkaufe». Der Preis ist also für August-Dezember im Januar x r Mark. Bleibt nun das ganze Jahr der Preis unverändert gleich niedrig, so hat der Baissier am Eude des Jahres 5 x in x r Mark verdient. Hier ein Beispiel: Petroleum wurde zur Faßzeit durch Lagerung unter Riedemann monat¬ lich um 12 bis 16 Pfennige für den Zentner teurer. Vom Januar bis zum Oktober — als dem mittelsten und also Rechnungsmonat des August-Dezember¬ termins — sind neun Monate. Das würde einen Report von 1,36 Mark be¬ deuten. Im Terminhandel wird, nehmen wir an, eine Mark bezahlt, und der Lokopreis im Januar ist 8 Mark. Unser Freund verkauft nun 5000 Barrels August- Dezember zu 9 Mark, hat also monatlich 14 000 Zentner zu 9 Mark zu liefern. Der Preis bleibt nun unverändert, er kann also jeden Monat — dreißig Tage lang hat er Zeit — die 6000 Barrels zu 3 Mark kaufen oder abrechnen und hat am Ende des Jahres 5 x 14 000 ^ 70 000 Mark verdient. Um ebenso viel Grenzboten I 1896 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/105>, abgerufen am 24.11.2024.