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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Der Dresdner Kongreß

brandtsche Entwurf zu stark auf deutsche Geschäftsgewohnheiten stütze, so
wurde ein Vorschlag Maillards angenommen, wonach bis zum nächsten Kon¬
greß in den einzelnen Ländern weitere Erörterungen über diesen Gegenstand
angebahnt werden sollen. Ein inhaltreicher Aufsatz aus der Feder des Göt¬
tinger Oberbibliothekars Dziatzkv: Zur Abgrenzung zwischen Autor- und Ver¬
legerrecht (Festschrift S. 149) bringt nicht nur die interessantesten Daten über
die Gestaltung dieses Verhältnisses in der Vergangenheit bei, sondern enthält
auch so wohl erwvgue und gerechte Vorschläge zu einer Einigung, daß man
aufrichtig wünschen muß, sie möchten die verdiente Beachtung finden. Er kommt
übrigens bei Sammelwerken auch auf eine Schntzdauer von fünfzig Jahren, frei¬
lich von dem Erscheinen der letzten Auflage des Werkes an gerechnet, hinaus.

Endlich verteidigte der junge Pariser Advokat Mettetal, einer von denen,
die mit dem deutschen Geistesleben vollständig vertraut sind, seine beiden Vor¬
schlüge hinsichtlich der anordnen und der nachgelassenen Werke, wonach beide
während der fünfzig auf ihre erste rechtmüßige Veröffentlichung folgenden Jahre
zu Gunsten ihrer (hier wurde: rechtmäßigem hinzugefügt) Eigentümer geschützt
sein sollen. Die Annahme dieses Grundsatzes führt logischerweise eigentlich
dazu, auch die Werke benannter und lebender Autoren, nach dem italienischen
und englischen Verfahren, von dem bereits kurz die Rede gewesen ist, sür einen
vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, nicht aber vom Tode des Autors an
zu rechnenden Termin zu schlitzen. Wollte sich die nächste Konferenz auf Er¬
örterungen über diesen Punkt einlassen, so würde dies zu endlosen Debatten
führen, da hierdurch das ganze von der Assoziation bisher verfolgte und auch
vou Maillard angenommne Prinzip über den Haufen geworfen werden würde.
Doch ist das kaum zu befürchten. Denn selbst wenn sich die Schwierigkeiten,
die aus der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit, Eintragnngsämter zu er¬
richten, erwachsen, ohne allzu große Mühe überwinden ließen, so würde doch
das Bedenken bestehen bleiben, daß gerade die beiden Länder, die am stärksten an
der litterarischen und künstlerischen Produktion beteiligt sind, Deutschland und
Frankreich, ihr Verfahren von Grund aus ändern müßten. Und dieses Be¬
denken erscheint unüberwindlich. Die beiden erwähnten, wenig in Betracht
kommenden Arten von Werken können ja in besondrer Weise behandelt werden.
Da das Mißverständnis zu befürchten war, als wäre unter der Eintragungs¬
pflicht die Abgabe von Pflichtexemplaren zu verstehen, so betonte Mettetal
selbst diese Grundfrage nicht weiter.

Zum Schluß verfocht noch der Pariser Verleger Lahus deu Antrag, der
dann von der Versammlung zum Beschluß erhoben wurde, daß niemand ein
einem Museum oder einer öffentlichen Sammlung gehörendes Kunstwerk ohne
die Genehmigung des Autors oder seines Rechtsnachfolgers kopiren oder nach¬
bilden dürfe (wogegen Grand-Carteret den Standpunkt vertrat, daß ein solches
Werk als Gemeingut betrachtet werden, somit zum Kopiren durchaus freistehen


Der Dresdner Kongreß

brandtsche Entwurf zu stark auf deutsche Geschäftsgewohnheiten stütze, so
wurde ein Vorschlag Maillards angenommen, wonach bis zum nächsten Kon¬
greß in den einzelnen Ländern weitere Erörterungen über diesen Gegenstand
angebahnt werden sollen. Ein inhaltreicher Aufsatz aus der Feder des Göt¬
tinger Oberbibliothekars Dziatzkv: Zur Abgrenzung zwischen Autor- und Ver¬
legerrecht (Festschrift S. 149) bringt nicht nur die interessantesten Daten über
die Gestaltung dieses Verhältnisses in der Vergangenheit bei, sondern enthält
auch so wohl erwvgue und gerechte Vorschläge zu einer Einigung, daß man
aufrichtig wünschen muß, sie möchten die verdiente Beachtung finden. Er kommt
übrigens bei Sammelwerken auch auf eine Schntzdauer von fünfzig Jahren, frei¬
lich von dem Erscheinen der letzten Auflage des Werkes an gerechnet, hinaus.

Endlich verteidigte der junge Pariser Advokat Mettetal, einer von denen,
die mit dem deutschen Geistesleben vollständig vertraut sind, seine beiden Vor¬
schlüge hinsichtlich der anordnen und der nachgelassenen Werke, wonach beide
während der fünfzig auf ihre erste rechtmüßige Veröffentlichung folgenden Jahre
zu Gunsten ihrer (hier wurde: rechtmäßigem hinzugefügt) Eigentümer geschützt
sein sollen. Die Annahme dieses Grundsatzes führt logischerweise eigentlich
dazu, auch die Werke benannter und lebender Autoren, nach dem italienischen
und englischen Verfahren, von dem bereits kurz die Rede gewesen ist, sür einen
vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, nicht aber vom Tode des Autors an
zu rechnenden Termin zu schlitzen. Wollte sich die nächste Konferenz auf Er¬
örterungen über diesen Punkt einlassen, so würde dies zu endlosen Debatten
führen, da hierdurch das ganze von der Assoziation bisher verfolgte und auch
vou Maillard angenommne Prinzip über den Haufen geworfen werden würde.
Doch ist das kaum zu befürchten. Denn selbst wenn sich die Schwierigkeiten,
die aus der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit, Eintragnngsämter zu er¬
richten, erwachsen, ohne allzu große Mühe überwinden ließen, so würde doch
das Bedenken bestehen bleiben, daß gerade die beiden Länder, die am stärksten an
der litterarischen und künstlerischen Produktion beteiligt sind, Deutschland und
Frankreich, ihr Verfahren von Grund aus ändern müßten. Und dieses Be¬
denken erscheint unüberwindlich. Die beiden erwähnten, wenig in Betracht
kommenden Arten von Werken können ja in besondrer Weise behandelt werden.
Da das Mißverständnis zu befürchten war, als wäre unter der Eintragungs¬
pflicht die Abgabe von Pflichtexemplaren zu verstehen, so betonte Mettetal
selbst diese Grundfrage nicht weiter.

Zum Schluß verfocht noch der Pariser Verleger Lahus deu Antrag, der
dann von der Versammlung zum Beschluß erhoben wurde, daß niemand ein
einem Museum oder einer öffentlichen Sammlung gehörendes Kunstwerk ohne
die Genehmigung des Autors oder seines Rechtsnachfolgers kopiren oder nach¬
bilden dürfe (wogegen Grand-Carteret den Standpunkt vertrat, daß ein solches
Werk als Gemeingut betrachtet werden, somit zum Kopiren durchaus freistehen


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[0093] Der Dresdner Kongreß brandtsche Entwurf zu stark auf deutsche Geschäftsgewohnheiten stütze, so wurde ein Vorschlag Maillards angenommen, wonach bis zum nächsten Kon¬ greß in den einzelnen Ländern weitere Erörterungen über diesen Gegenstand angebahnt werden sollen. Ein inhaltreicher Aufsatz aus der Feder des Göt¬ tinger Oberbibliothekars Dziatzkv: Zur Abgrenzung zwischen Autor- und Ver¬ legerrecht (Festschrift S. 149) bringt nicht nur die interessantesten Daten über die Gestaltung dieses Verhältnisses in der Vergangenheit bei, sondern enthält auch so wohl erwvgue und gerechte Vorschläge zu einer Einigung, daß man aufrichtig wünschen muß, sie möchten die verdiente Beachtung finden. Er kommt übrigens bei Sammelwerken auch auf eine Schntzdauer von fünfzig Jahren, frei¬ lich von dem Erscheinen der letzten Auflage des Werkes an gerechnet, hinaus. Endlich verteidigte der junge Pariser Advokat Mettetal, einer von denen, die mit dem deutschen Geistesleben vollständig vertraut sind, seine beiden Vor¬ schlüge hinsichtlich der anordnen und der nachgelassenen Werke, wonach beide während der fünfzig auf ihre erste rechtmüßige Veröffentlichung folgenden Jahre zu Gunsten ihrer (hier wurde: rechtmäßigem hinzugefügt) Eigentümer geschützt sein sollen. Die Annahme dieses Grundsatzes führt logischerweise eigentlich dazu, auch die Werke benannter und lebender Autoren, nach dem italienischen und englischen Verfahren, von dem bereits kurz die Rede gewesen ist, sür einen vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, nicht aber vom Tode des Autors an zu rechnenden Termin zu schlitzen. Wollte sich die nächste Konferenz auf Er¬ örterungen über diesen Punkt einlassen, so würde dies zu endlosen Debatten führen, da hierdurch das ganze von der Assoziation bisher verfolgte und auch vou Maillard angenommne Prinzip über den Haufen geworfen werden würde. Doch ist das kaum zu befürchten. Denn selbst wenn sich die Schwierigkeiten, die aus der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit, Eintragnngsämter zu er¬ richten, erwachsen, ohne allzu große Mühe überwinden ließen, so würde doch das Bedenken bestehen bleiben, daß gerade die beiden Länder, die am stärksten an der litterarischen und künstlerischen Produktion beteiligt sind, Deutschland und Frankreich, ihr Verfahren von Grund aus ändern müßten. Und dieses Be¬ denken erscheint unüberwindlich. Die beiden erwähnten, wenig in Betracht kommenden Arten von Werken können ja in besondrer Weise behandelt werden. Da das Mißverständnis zu befürchten war, als wäre unter der Eintragungs¬ pflicht die Abgabe von Pflichtexemplaren zu verstehen, so betonte Mettetal selbst diese Grundfrage nicht weiter. Zum Schluß verfocht noch der Pariser Verleger Lahus deu Antrag, der dann von der Versammlung zum Beschluß erhoben wurde, daß niemand ein einem Museum oder einer öffentlichen Sammlung gehörendes Kunstwerk ohne die Genehmigung des Autors oder seines Rechtsnachfolgers kopiren oder nach¬ bilden dürfe (wogegen Grand-Carteret den Standpunkt vertrat, daß ein solches Werk als Gemeingut betrachtet werden, somit zum Kopiren durchaus freistehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/93>, abgerufen am 02.10.2024.