Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Petroleum

aber nicht immer und nicht allein den Wert. Ebenso ist es nur teilweise
wahr, daß der Mehrwert, das arbeitslose Einkommen, erzwungen werde durch
den Besitz der Produktionsmittel; sie sind nicht allein die Quelle wirtschaft¬
licher Macht. Die Geschichte, die ich hier von Rockefeller und seinen Genossen
erzählt habe, scheint mir dafür ein schlagender Beweis zu sein. Die geschäft¬
liche Position, der reine Schwindel hat hier den Ausschlag gegeben. Wer sich
mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln zwischen Produzenten und Konsumenten
einzuschieben und mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln diese seine Stellung
unerschütterlich zu machen versteht, der sichert sich beliebig hohen Handels¬
gewinn und bildet in ganz anderm Tempo "Kapital," als der Fabrikant durch
die "Aussaugung" der Arbeiter. Wenn sich, auf der Grundlage des Privat¬
eigentums, die Konsumenten organisirten, so würden sich die Besitzer der
Produktionsmittel wohl oder übel mit solchen Organisationen vertragen müssen
und -- das auch sehr gut können.

Doch ich schweife ab, ich wollte nur über hohe und niedrige Warenpreise
ein paar Bemerkungen machen. Eigentlich ist es ganz gleichgiltig, ob die
Preise aller Waren, die Metalle, auch die Edelmetalle eingeschlossen, niedrig
oder hoch sind; wichtig ist nur ein vernünftiges Verhältnis der Warenpreise
zu einander, die eine Ware darf sich und damit ihren Erzeugern keine unver¬
hältnismäßig günstige Stellung erwerben. Unter heutigen Verhältnissen haben
aber alle die, die nicht Kapitalisten sind, ein unmittelbares Interesse an hohen
Warenpreisen, Ware nunmehr im engern Sinne, das heißt unter Ausschluß der
Edelmetalle verstanden. Genauer gesagt: die Gesamtheit derer, die kein Geld
haben, muß wünschen, daß alles möglichst teuer sei. Paradox, aber wahr!

Als eine Erbschaft früherer Jahrtausende haben wir die Bequemlichkeits¬
einrichtung übernommen, den Wert aller andern Waren durch ihr Verhältnis
zu dem Wert einer bestimmten Ware auszudrücken, nämlich zu Edelmetall,
früher namentlich zu Gold und Silber, in letzter Zeit immer mehr ausschlie߬
lich zu Gold. Der Großkapitalismus ist auch überall Vertreter der reinen
Goldwährung, nicht weil durch den Bimetallismus oder auch den Polymetal-
lismus seine Allmacht gebrochen werden könnte -- bewahre, sondern weil es
so einfacher ist. Aus diesem Grunde, nur aus diesem Grunde, werde ich auch
in den folgenden Bemerkungen immer nur von "Gold" reden.

Überall bezieht eine sehr kleine Minderheit den sehr großen Mehrteil des
Volkseinkommens. Diesen ihren jährlichen Einkommenteil kann diese Minder¬
heit gar nicht für Nahrungs- und Genußmittel, für Kleider usw., kurz für den
eigentlichen Verbrauch ausgeben. Sie kann auch nicht für ihre "Ersparnisse"
immer neue Produktionsmittel etwa in ihren Besitz bringen, um diese Pro¬
duktionsmittel den Arbeitern, die Güter erzeugen, zur Verfügung zu stellen
unter Bedingungen, die ihr selbst weiteres arbeitsloses Einkommen verschaffen,
fondern es müssen reine Papierwerte, Hypotheken, Pfandbriefe, Prioritäten,
Staatspapiere, kurz verbriefte Tributansprüche auf noch nicht sichtbare Arbeits-


Das Petroleum

aber nicht immer und nicht allein den Wert. Ebenso ist es nur teilweise
wahr, daß der Mehrwert, das arbeitslose Einkommen, erzwungen werde durch
den Besitz der Produktionsmittel; sie sind nicht allein die Quelle wirtschaft¬
licher Macht. Die Geschichte, die ich hier von Rockefeller und seinen Genossen
erzählt habe, scheint mir dafür ein schlagender Beweis zu sein. Die geschäft¬
liche Position, der reine Schwindel hat hier den Ausschlag gegeben. Wer sich
mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln zwischen Produzenten und Konsumenten
einzuschieben und mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln diese seine Stellung
unerschütterlich zu machen versteht, der sichert sich beliebig hohen Handels¬
gewinn und bildet in ganz anderm Tempo „Kapital," als der Fabrikant durch
die „Aussaugung" der Arbeiter. Wenn sich, auf der Grundlage des Privat¬
eigentums, die Konsumenten organisirten, so würden sich die Besitzer der
Produktionsmittel wohl oder übel mit solchen Organisationen vertragen müssen
und — das auch sehr gut können.

Doch ich schweife ab, ich wollte nur über hohe und niedrige Warenpreise
ein paar Bemerkungen machen. Eigentlich ist es ganz gleichgiltig, ob die
Preise aller Waren, die Metalle, auch die Edelmetalle eingeschlossen, niedrig
oder hoch sind; wichtig ist nur ein vernünftiges Verhältnis der Warenpreise
zu einander, die eine Ware darf sich und damit ihren Erzeugern keine unver¬
hältnismäßig günstige Stellung erwerben. Unter heutigen Verhältnissen haben
aber alle die, die nicht Kapitalisten sind, ein unmittelbares Interesse an hohen
Warenpreisen, Ware nunmehr im engern Sinne, das heißt unter Ausschluß der
Edelmetalle verstanden. Genauer gesagt: die Gesamtheit derer, die kein Geld
haben, muß wünschen, daß alles möglichst teuer sei. Paradox, aber wahr!

Als eine Erbschaft früherer Jahrtausende haben wir die Bequemlichkeits¬
einrichtung übernommen, den Wert aller andern Waren durch ihr Verhältnis
zu dem Wert einer bestimmten Ware auszudrücken, nämlich zu Edelmetall,
früher namentlich zu Gold und Silber, in letzter Zeit immer mehr ausschlie߬
lich zu Gold. Der Großkapitalismus ist auch überall Vertreter der reinen
Goldwährung, nicht weil durch den Bimetallismus oder auch den Polymetal-
lismus seine Allmacht gebrochen werden könnte — bewahre, sondern weil es
so einfacher ist. Aus diesem Grunde, nur aus diesem Grunde, werde ich auch
in den folgenden Bemerkungen immer nur von „Gold" reden.

Überall bezieht eine sehr kleine Minderheit den sehr großen Mehrteil des
Volkseinkommens. Diesen ihren jährlichen Einkommenteil kann diese Minder¬
heit gar nicht für Nahrungs- und Genußmittel, für Kleider usw., kurz für den
eigentlichen Verbrauch ausgeben. Sie kann auch nicht für ihre „Ersparnisse"
immer neue Produktionsmittel etwa in ihren Besitz bringen, um diese Pro¬
duktionsmittel den Arbeitern, die Güter erzeugen, zur Verfügung zu stellen
unter Bedingungen, die ihr selbst weiteres arbeitsloses Einkommen verschaffen,
fondern es müssen reine Papierwerte, Hypotheken, Pfandbriefe, Prioritäten,
Staatspapiere, kurz verbriefte Tributansprüche auf noch nicht sichtbare Arbeits-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0624" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221598"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Petroleum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2063" prev="#ID_2062"> aber nicht immer und nicht allein den Wert. Ebenso ist es nur teilweise<lb/>
wahr, daß der Mehrwert, das arbeitslose Einkommen, erzwungen werde durch<lb/>
den Besitz der Produktionsmittel; sie sind nicht allein die Quelle wirtschaft¬<lb/>
licher Macht. Die Geschichte, die ich hier von Rockefeller und seinen Genossen<lb/>
erzählt habe, scheint mir dafür ein schlagender Beweis zu sein. Die geschäft¬<lb/>
liche Position, der reine Schwindel hat hier den Ausschlag gegeben. Wer sich<lb/>
mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln zwischen Produzenten und Konsumenten<lb/>
einzuschieben und mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln diese seine Stellung<lb/>
unerschütterlich zu machen versteht, der sichert sich beliebig hohen Handels¬<lb/>
gewinn und bildet in ganz anderm Tempo &#x201E;Kapital," als der Fabrikant durch<lb/>
die &#x201E;Aussaugung" der Arbeiter. Wenn sich, auf der Grundlage des Privat¬<lb/>
eigentums, die Konsumenten organisirten, so würden sich die Besitzer der<lb/>
Produktionsmittel wohl oder übel mit solchen Organisationen vertragen müssen<lb/>
und &#x2014; das auch sehr gut können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2064"> Doch ich schweife ab, ich wollte nur über hohe und niedrige Warenpreise<lb/>
ein paar Bemerkungen machen. Eigentlich ist es ganz gleichgiltig, ob die<lb/>
Preise aller Waren, die Metalle, auch die Edelmetalle eingeschlossen, niedrig<lb/>
oder hoch sind; wichtig ist nur ein vernünftiges Verhältnis der Warenpreise<lb/>
zu einander, die eine Ware darf sich und damit ihren Erzeugern keine unver¬<lb/>
hältnismäßig günstige Stellung erwerben. Unter heutigen Verhältnissen haben<lb/>
aber alle die, die nicht Kapitalisten sind, ein unmittelbares Interesse an hohen<lb/>
Warenpreisen, Ware nunmehr im engern Sinne, das heißt unter Ausschluß der<lb/>
Edelmetalle verstanden. Genauer gesagt: die Gesamtheit derer, die kein Geld<lb/>
haben, muß wünschen, daß alles möglichst teuer sei.  Paradox, aber wahr!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2065"> Als eine Erbschaft früherer Jahrtausende haben wir die Bequemlichkeits¬<lb/>
einrichtung übernommen, den Wert aller andern Waren durch ihr Verhältnis<lb/>
zu dem Wert einer bestimmten Ware auszudrücken, nämlich zu Edelmetall,<lb/>
früher namentlich zu Gold und Silber, in letzter Zeit immer mehr ausschlie߬<lb/>
lich zu Gold. Der Großkapitalismus ist auch überall Vertreter der reinen<lb/>
Goldwährung, nicht weil durch den Bimetallismus oder auch den Polymetal-<lb/>
lismus seine Allmacht gebrochen werden könnte &#x2014; bewahre, sondern weil es<lb/>
so einfacher ist. Aus diesem Grunde, nur aus diesem Grunde, werde ich auch<lb/>
in den folgenden Bemerkungen immer nur von &#x201E;Gold" reden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2066" next="#ID_2067"> Überall bezieht eine sehr kleine Minderheit den sehr großen Mehrteil des<lb/>
Volkseinkommens. Diesen ihren jährlichen Einkommenteil kann diese Minder¬<lb/>
heit gar nicht für Nahrungs- und Genußmittel, für Kleider usw., kurz für den<lb/>
eigentlichen Verbrauch ausgeben. Sie kann auch nicht für ihre &#x201E;Ersparnisse"<lb/>
immer neue Produktionsmittel etwa in ihren Besitz bringen, um diese Pro¬<lb/>
duktionsmittel den Arbeitern, die Güter erzeugen, zur Verfügung zu stellen<lb/>
unter Bedingungen, die ihr selbst weiteres arbeitsloses Einkommen verschaffen,<lb/>
fondern es müssen reine Papierwerte, Hypotheken, Pfandbriefe, Prioritäten,<lb/>
Staatspapiere, kurz verbriefte Tributansprüche auf noch nicht sichtbare Arbeits-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0624] Das Petroleum aber nicht immer und nicht allein den Wert. Ebenso ist es nur teilweise wahr, daß der Mehrwert, das arbeitslose Einkommen, erzwungen werde durch den Besitz der Produktionsmittel; sie sind nicht allein die Quelle wirtschaft¬ licher Macht. Die Geschichte, die ich hier von Rockefeller und seinen Genossen erzählt habe, scheint mir dafür ein schlagender Beweis zu sein. Die geschäft¬ liche Position, der reine Schwindel hat hier den Ausschlag gegeben. Wer sich mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln zwischen Produzenten und Konsumenten einzuschieben und mit erlaubten oder unerlaubten Mitteln diese seine Stellung unerschütterlich zu machen versteht, der sichert sich beliebig hohen Handels¬ gewinn und bildet in ganz anderm Tempo „Kapital," als der Fabrikant durch die „Aussaugung" der Arbeiter. Wenn sich, auf der Grundlage des Privat¬ eigentums, die Konsumenten organisirten, so würden sich die Besitzer der Produktionsmittel wohl oder übel mit solchen Organisationen vertragen müssen und — das auch sehr gut können. Doch ich schweife ab, ich wollte nur über hohe und niedrige Warenpreise ein paar Bemerkungen machen. Eigentlich ist es ganz gleichgiltig, ob die Preise aller Waren, die Metalle, auch die Edelmetalle eingeschlossen, niedrig oder hoch sind; wichtig ist nur ein vernünftiges Verhältnis der Warenpreise zu einander, die eine Ware darf sich und damit ihren Erzeugern keine unver¬ hältnismäßig günstige Stellung erwerben. Unter heutigen Verhältnissen haben aber alle die, die nicht Kapitalisten sind, ein unmittelbares Interesse an hohen Warenpreisen, Ware nunmehr im engern Sinne, das heißt unter Ausschluß der Edelmetalle verstanden. Genauer gesagt: die Gesamtheit derer, die kein Geld haben, muß wünschen, daß alles möglichst teuer sei. Paradox, aber wahr! Als eine Erbschaft früherer Jahrtausende haben wir die Bequemlichkeits¬ einrichtung übernommen, den Wert aller andern Waren durch ihr Verhältnis zu dem Wert einer bestimmten Ware auszudrücken, nämlich zu Edelmetall, früher namentlich zu Gold und Silber, in letzter Zeit immer mehr ausschlie߬ lich zu Gold. Der Großkapitalismus ist auch überall Vertreter der reinen Goldwährung, nicht weil durch den Bimetallismus oder auch den Polymetal- lismus seine Allmacht gebrochen werden könnte — bewahre, sondern weil es so einfacher ist. Aus diesem Grunde, nur aus diesem Grunde, werde ich auch in den folgenden Bemerkungen immer nur von „Gold" reden. Überall bezieht eine sehr kleine Minderheit den sehr großen Mehrteil des Volkseinkommens. Diesen ihren jährlichen Einkommenteil kann diese Minder¬ heit gar nicht für Nahrungs- und Genußmittel, für Kleider usw., kurz für den eigentlichen Verbrauch ausgeben. Sie kann auch nicht für ihre „Ersparnisse" immer neue Produktionsmittel etwa in ihren Besitz bringen, um diese Pro¬ duktionsmittel den Arbeitern, die Güter erzeugen, zur Verfügung zu stellen unter Bedingungen, die ihr selbst weiteres arbeitsloses Einkommen verschaffen, fondern es müssen reine Papierwerte, Hypotheken, Pfandbriefe, Prioritäten, Staatspapiere, kurz verbriefte Tributansprüche auf noch nicht sichtbare Arbeits-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/624
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/624>, abgerufen am 24.07.2024.