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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

gegangen von vierundfünfzig Millionen Barrels auf siebenundvierzig Millionen,
und die Preise für Petroleum sind während dieser Zeit stetig und sehr be¬
deutend gesunken. In beiden Fällen ist nur eine Hauffe von wenigen Mo¬
naten eingetreten, nämlich spät in der "Saison" 1883/84 und 1894/95.
Beide, namentlich aber die letzte, sind lediglich der Standard Oil Compagnie
zu gute gekommen.

Das Rezept war einfach: Kurze, jähe Hauffer; sobald aber Europa
mächtig gekauft hatte, stetig sinkende Preise durch lange, lange Zeiträume,
davon ganz unabhängig die tollste Vergewaltigung der Nohölproduzenten. In
Europa war Petroleum, zu welchem Preise man es auch gekauft hatte, acht
Tage später immer zu teuer. Denn der Europäer kann eben nicht erst aus¬
verkaufen und dann mit dem Preis heruntergehen, wenn er selbst billig ein¬
gekauft hat, sondern er muß jeden Tag der amerikanischen Kabelnotiz ent¬
sprechend verkaufen.

Rockefeller erreichte damit zweierlei: erstens zogen sich schließlich selbst die
zähesten Spekulanten von diesem "blödsinnigen Artikel" zurück, einem Artikel,
der eigentlich nur zu dem Zweck erfunden schien, zu beweisen, daß Wasser den
Berg hinanflanfe. Zweitens aber versorgte Rockefeller das ganze deutsche und
europäische Hinterland mit enorm billigem Petroleum, das er sich selbst hatte
teuer bezahlen lassen, und machte es auf diese Weise der russischen Klein¬
konkurrenz außerordentlich schwer, in das westeuropäische Geschäft hineinzu¬
kommen.

Um ein organisirtes Monopol in Deutschland zu begründen, mußte Rocke¬
feller zunächst einige große Firmen vor sich haben, nicht unzähligen rührigen
und thätigen, verhältnismäßig wohlsituirten Geschäftsleuten gegenüberstehen.
Auch das wurde gleichzeitig damit erreicht. Man darf nicht vergessen, daß
die Kenntnis von der Entstehung und dem Wesen der Standard Oil Compagnie,
von dem Einfluß, der Macht und der Organisation dieser Räuberbande in den
siebziger und achtziger Jahren noch wenig entwickelt war. Wären die Händler
damals so klug gewesen, wie sie heute sind, so wäre die Sache selbstverständlich
unmöglich gewesen. Aber wie man heute nnr unklare Gerüchte von Baku und
Batna hört, wie man heute den Schlichen und Ränken, die sich dort ab¬
spielen, nicht einmal mit Sicherheit in großen Zügen folgen kann, so stand
es damals noch mit dem amerikanischen Geschäft. Man sprach von einem
Kampfe der Standard Oil Compagnie und der Unabhängigen, und die ver¬
nünftigsten Leute glaubten steif und fest, daß der Petroleumhandel nie zu
monopolisiren sein würde, weil man eben annahm, vor einem ehrlichen Kon¬
kurrenzkampf zu stehen.

Unterstützt wurden Nockefellers Bemühungen namentlich auch noch durch
Verwendung des Tankdampfers für den Seetransport. Es war nach und nach
gelungen, große Damfer zu bauen, deren Raum, mehrfach abgeteilt, große


Das Petroleum

gegangen von vierundfünfzig Millionen Barrels auf siebenundvierzig Millionen,
und die Preise für Petroleum sind während dieser Zeit stetig und sehr be¬
deutend gesunken. In beiden Fällen ist nur eine Hauffe von wenigen Mo¬
naten eingetreten, nämlich spät in der „Saison" 1883/84 und 1894/95.
Beide, namentlich aber die letzte, sind lediglich der Standard Oil Compagnie
zu gute gekommen.

Das Rezept war einfach: Kurze, jähe Hauffer; sobald aber Europa
mächtig gekauft hatte, stetig sinkende Preise durch lange, lange Zeiträume,
davon ganz unabhängig die tollste Vergewaltigung der Nohölproduzenten. In
Europa war Petroleum, zu welchem Preise man es auch gekauft hatte, acht
Tage später immer zu teuer. Denn der Europäer kann eben nicht erst aus¬
verkaufen und dann mit dem Preis heruntergehen, wenn er selbst billig ein¬
gekauft hat, sondern er muß jeden Tag der amerikanischen Kabelnotiz ent¬
sprechend verkaufen.

Rockefeller erreichte damit zweierlei: erstens zogen sich schließlich selbst die
zähesten Spekulanten von diesem „blödsinnigen Artikel" zurück, einem Artikel,
der eigentlich nur zu dem Zweck erfunden schien, zu beweisen, daß Wasser den
Berg hinanflanfe. Zweitens aber versorgte Rockefeller das ganze deutsche und
europäische Hinterland mit enorm billigem Petroleum, das er sich selbst hatte
teuer bezahlen lassen, und machte es auf diese Weise der russischen Klein¬
konkurrenz außerordentlich schwer, in das westeuropäische Geschäft hineinzu¬
kommen.

Um ein organisirtes Monopol in Deutschland zu begründen, mußte Rocke¬
feller zunächst einige große Firmen vor sich haben, nicht unzähligen rührigen
und thätigen, verhältnismäßig wohlsituirten Geschäftsleuten gegenüberstehen.
Auch das wurde gleichzeitig damit erreicht. Man darf nicht vergessen, daß
die Kenntnis von der Entstehung und dem Wesen der Standard Oil Compagnie,
von dem Einfluß, der Macht und der Organisation dieser Räuberbande in den
siebziger und achtziger Jahren noch wenig entwickelt war. Wären die Händler
damals so klug gewesen, wie sie heute sind, so wäre die Sache selbstverständlich
unmöglich gewesen. Aber wie man heute nnr unklare Gerüchte von Baku und
Batna hört, wie man heute den Schlichen und Ränken, die sich dort ab¬
spielen, nicht einmal mit Sicherheit in großen Zügen folgen kann, so stand
es damals noch mit dem amerikanischen Geschäft. Man sprach von einem
Kampfe der Standard Oil Compagnie und der Unabhängigen, und die ver¬
nünftigsten Leute glaubten steif und fest, daß der Petroleumhandel nie zu
monopolisiren sein würde, weil man eben annahm, vor einem ehrlichen Kon¬
kurrenzkampf zu stehen.

Unterstützt wurden Nockefellers Bemühungen namentlich auch noch durch
Verwendung des Tankdampfers für den Seetransport. Es war nach und nach
gelungen, große Damfer zu bauen, deren Raum, mehrfach abgeteilt, große


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[0576] Das Petroleum gegangen von vierundfünfzig Millionen Barrels auf siebenundvierzig Millionen, und die Preise für Petroleum sind während dieser Zeit stetig und sehr be¬ deutend gesunken. In beiden Fällen ist nur eine Hauffe von wenigen Mo¬ naten eingetreten, nämlich spät in der „Saison" 1883/84 und 1894/95. Beide, namentlich aber die letzte, sind lediglich der Standard Oil Compagnie zu gute gekommen. Das Rezept war einfach: Kurze, jähe Hauffer; sobald aber Europa mächtig gekauft hatte, stetig sinkende Preise durch lange, lange Zeiträume, davon ganz unabhängig die tollste Vergewaltigung der Nohölproduzenten. In Europa war Petroleum, zu welchem Preise man es auch gekauft hatte, acht Tage später immer zu teuer. Denn der Europäer kann eben nicht erst aus¬ verkaufen und dann mit dem Preis heruntergehen, wenn er selbst billig ein¬ gekauft hat, sondern er muß jeden Tag der amerikanischen Kabelnotiz ent¬ sprechend verkaufen. Rockefeller erreichte damit zweierlei: erstens zogen sich schließlich selbst die zähesten Spekulanten von diesem „blödsinnigen Artikel" zurück, einem Artikel, der eigentlich nur zu dem Zweck erfunden schien, zu beweisen, daß Wasser den Berg hinanflanfe. Zweitens aber versorgte Rockefeller das ganze deutsche und europäische Hinterland mit enorm billigem Petroleum, das er sich selbst hatte teuer bezahlen lassen, und machte es auf diese Weise der russischen Klein¬ konkurrenz außerordentlich schwer, in das westeuropäische Geschäft hineinzu¬ kommen. Um ein organisirtes Monopol in Deutschland zu begründen, mußte Rocke¬ feller zunächst einige große Firmen vor sich haben, nicht unzähligen rührigen und thätigen, verhältnismäßig wohlsituirten Geschäftsleuten gegenüberstehen. Auch das wurde gleichzeitig damit erreicht. Man darf nicht vergessen, daß die Kenntnis von der Entstehung und dem Wesen der Standard Oil Compagnie, von dem Einfluß, der Macht und der Organisation dieser Räuberbande in den siebziger und achtziger Jahren noch wenig entwickelt war. Wären die Händler damals so klug gewesen, wie sie heute sind, so wäre die Sache selbstverständlich unmöglich gewesen. Aber wie man heute nnr unklare Gerüchte von Baku und Batna hört, wie man heute den Schlichen und Ränken, die sich dort ab¬ spielen, nicht einmal mit Sicherheit in großen Zügen folgen kann, so stand es damals noch mit dem amerikanischen Geschäft. Man sprach von einem Kampfe der Standard Oil Compagnie und der Unabhängigen, und die ver¬ nünftigsten Leute glaubten steif und fest, daß der Petroleumhandel nie zu monopolisiren sein würde, weil man eben annahm, vor einem ehrlichen Kon¬ kurrenzkampf zu stehen. Unterstützt wurden Nockefellers Bemühungen namentlich auch noch durch Verwendung des Tankdampfers für den Seetransport. Es war nach und nach gelungen, große Damfer zu bauen, deren Raum, mehrfach abgeteilt, große

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/576>, abgerufen am 24.07.2024.