Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Hinab I Der Xaver war gegangen. Wenns ihn nur drunten bei den Soldaten behalten hätten in München, Der Wirt dachte daran, wie er das verwaiste Bübchen aufgenommen hatte, Es war still geworden um das Haus. Dunkel stand es da mit erloschenen Drüben über der Straße im Schatten des Schuppens stand einer und wartete. Verdrießlich wollte sich schon der Bursch davonschleichen, da huschte es an Vroni, sagte er leidenschaftlich und faßte ihre Hand, um sie in den Schatten Es darf nit sein, Haust, sagte sie, mein armer Haust. Er fuhr in die Höhe Hinab I Der Xaver war gegangen. Wenns ihn nur drunten bei den Soldaten behalten hätten in München, Der Wirt dachte daran, wie er das verwaiste Bübchen aufgenommen hatte, Es war still geworden um das Haus. Dunkel stand es da mit erloschenen Drüben über der Straße im Schatten des Schuppens stand einer und wartete. Verdrießlich wollte sich schon der Bursch davonschleichen, da huschte es an Vroni, sagte er leidenschaftlich und faßte ihre Hand, um sie in den Schatten Es darf nit sein, Haust, sagte sie, mein armer Haust. Er fuhr in die Höhe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221524"/> <fw type="header" place="top"> Hinab I</fw><lb/> <p xml:id="ID_1812"> Der Xaver war gegangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1813"> Wenns ihn nur drunten bei den Soldaten behalten hätten in München,<lb/> sagte der Wirt zu sich selbst drinnen im Hause, wenn das Gelächter zu ihm<lb/> hereinklang, nachdem man eine Weile nur die Stimme des erzählenden Haust ge¬<lb/> hört hatte. Wenn ders erfährt, giebts eine Hauptgeschicht. — Er hatte die Hände<lb/> in den Hosentaschen und starrte nachdenklich auf die Laube hinaus. — Leid thun<lb/> kanns einem freilich; ein braver Bursch ist er halt doch, wenn er auch nur ein<lb/> armer Hascher ist. Der Bas ihr hinterlassenes Kind! Und lieb wär er mir auch<lb/> wie mein Sohn. Aber fertig ists doch gemacht mit dem Xaver, mit dem alten<lb/> und mit dem jungen. Und die Vroni selbst wills nicht anders.</p><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Der Wirt dachte daran, wie er das verwaiste Bübchen aufgenommen hatte,<lb/> und wie es herangewachsen war im Klammwirtshans. Es war ein rechtschaffner<lb/> Bub gewesen; die zwei Jahr, die er fort gewesen war, hatte ers gespürt, wie er<lb/> ihm gefehlt hatte. Aber es war ihm doch recht gewesen, daß er fort war, als<lb/> der alte Xaver zu ihm kam wegen der Vroni für seinen Sohn. Da war es gut,<lb/> daß er fort war; denn schon als Buben hatten die beiden gerauft um das Mädel.<lb/> Es war auch klar, weshalb dem Haust das Fortgehen so schwer geworden war,<lb/> als er zum Militär gemußt hatte. Ihm, dem Klammwirt, hätte er ja auch recht<lb/> sein können, der Bas ihr Sohn, Wenns auch nur ein armer Bub war.<lb/> Aber es hatte sich so natürlich gegeben, Hochgart und Klammwirtschaft, Feld an<lb/> Feld. Und die Vroni war dem Xaver wirklich gut. Du armes Hascherl! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Es war still geworden um das Haus. Dunkel stand es da mit erloschenen<lb/> Fensteraugen und warf im hellen Mondlicht seinen Schatten auf die weißleuchtende<lb/> Straße. Die Berge hoben sich scharfumrcindert von dem klaren Himmel ab, alles<lb/> war still, es regte sich kein Leben mehr. Nur aus den Ställen brummte es bis¬<lb/> weilen leise, aber der Ton wurde von dem Dröhnen der Schlucht verschlungen, in<lb/> das sich jetzt vernehmlich in der Stille der Nacht das Rauschen des vom Berg<lb/> herabeilenden Baches mischte. In rastlosem Laufe kam er von der Höhe herab<lb/> durch den Wald und die mondbeglänzten Wiesen bis an die Schlucht, wo sein Lauf<lb/> durchschnitten wurde, und wo er hinunter mußte in die Tiefe, wie ein Leben, das<lb/> jäh abgeschnitten wird und sich im Unendlichen verliert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1816"> Drüben über der Straße im Schatten des Schuppens stand einer und wartete.<lb/> Unverwandt blickte er nach einem Fenster im Giebel des Hauses. Ob sie wohl<lb/> kommen wird? Einmal hatte das Fenster geklirrt, und ein Mädchenkopf hatte sich<lb/> herausgebeugt. Er hatte leise gepfiffen, aber es war keine Antwort gekommen,<lb/> und das Fenster hatte sich wieder geschlossen. Jetzt war auch das finster, und<lb/> alles blieb still.</p><lb/> <p xml:id="ID_1817"> Verdrießlich wollte sich schon der Bursch davonschleichen, da huschte es an<lb/> der Seite des Hauses aus dem Schatten hervor und rasch über die mondbeschienene<lb/> Straße herüber. Haust, wo bist? flüsterte eine Stimme. Die schlanke Gestalt Vronis<lb/> stand vor ihm.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> Vroni, sagte er leidenschaftlich und faßte ihre Hand, um sie in den Schatten<lb/> zu ziehen. Lieds Vronele, ich hab schon gemeint, du wolltest nichts wissen von<lb/> mir und gingest mir aus dem Weg. Den ganzen Abend hab ich ausgeschaut nach<lb/> dir, und mein Herz hat geklopft zum Zerspringen! — Er suchte sie an sich zu<lb/> ziehen, aber Vroni machte ihre Hand frei und trat einen Schritt zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1819" next="#ID_1820"> Es darf nit sein, Haust, sagte sie, mein armer Haust. Er fuhr in die Höhe<lb/> bei ihrem Ton, aber sie legte beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm. Sei<lb/> ruhig! bat sie, gieb Acht, was ich dir sag. Ich bin deshalb gekommen, daß ich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0550]
Hinab I
Der Xaver war gegangen.
Wenns ihn nur drunten bei den Soldaten behalten hätten in München,
sagte der Wirt zu sich selbst drinnen im Hause, wenn das Gelächter zu ihm
hereinklang, nachdem man eine Weile nur die Stimme des erzählenden Haust ge¬
hört hatte. Wenn ders erfährt, giebts eine Hauptgeschicht. — Er hatte die Hände
in den Hosentaschen und starrte nachdenklich auf die Laube hinaus. — Leid thun
kanns einem freilich; ein braver Bursch ist er halt doch, wenn er auch nur ein
armer Hascher ist. Der Bas ihr hinterlassenes Kind! Und lieb wär er mir auch
wie mein Sohn. Aber fertig ists doch gemacht mit dem Xaver, mit dem alten
und mit dem jungen. Und die Vroni selbst wills nicht anders.
Der Wirt dachte daran, wie er das verwaiste Bübchen aufgenommen hatte,
und wie es herangewachsen war im Klammwirtshans. Es war ein rechtschaffner
Bub gewesen; die zwei Jahr, die er fort gewesen war, hatte ers gespürt, wie er
ihm gefehlt hatte. Aber es war ihm doch recht gewesen, daß er fort war, als
der alte Xaver zu ihm kam wegen der Vroni für seinen Sohn. Da war es gut,
daß er fort war; denn schon als Buben hatten die beiden gerauft um das Mädel.
Es war auch klar, weshalb dem Haust das Fortgehen so schwer geworden war,
als er zum Militär gemußt hatte. Ihm, dem Klammwirt, hätte er ja auch recht
sein können, der Bas ihr Sohn, Wenns auch nur ein armer Bub war.
Aber es hatte sich so natürlich gegeben, Hochgart und Klammwirtschaft, Feld an
Feld. Und die Vroni war dem Xaver wirklich gut. Du armes Hascherl! —
Es war still geworden um das Haus. Dunkel stand es da mit erloschenen
Fensteraugen und warf im hellen Mondlicht seinen Schatten auf die weißleuchtende
Straße. Die Berge hoben sich scharfumrcindert von dem klaren Himmel ab, alles
war still, es regte sich kein Leben mehr. Nur aus den Ställen brummte es bis¬
weilen leise, aber der Ton wurde von dem Dröhnen der Schlucht verschlungen, in
das sich jetzt vernehmlich in der Stille der Nacht das Rauschen des vom Berg
herabeilenden Baches mischte. In rastlosem Laufe kam er von der Höhe herab
durch den Wald und die mondbeglänzten Wiesen bis an die Schlucht, wo sein Lauf
durchschnitten wurde, und wo er hinunter mußte in die Tiefe, wie ein Leben, das
jäh abgeschnitten wird und sich im Unendlichen verliert.
Drüben über der Straße im Schatten des Schuppens stand einer und wartete.
Unverwandt blickte er nach einem Fenster im Giebel des Hauses. Ob sie wohl
kommen wird? Einmal hatte das Fenster geklirrt, und ein Mädchenkopf hatte sich
herausgebeugt. Er hatte leise gepfiffen, aber es war keine Antwort gekommen,
und das Fenster hatte sich wieder geschlossen. Jetzt war auch das finster, und
alles blieb still.
Verdrießlich wollte sich schon der Bursch davonschleichen, da huschte es an
der Seite des Hauses aus dem Schatten hervor und rasch über die mondbeschienene
Straße herüber. Haust, wo bist? flüsterte eine Stimme. Die schlanke Gestalt Vronis
stand vor ihm.
Vroni, sagte er leidenschaftlich und faßte ihre Hand, um sie in den Schatten
zu ziehen. Lieds Vronele, ich hab schon gemeint, du wolltest nichts wissen von
mir und gingest mir aus dem Weg. Den ganzen Abend hab ich ausgeschaut nach
dir, und mein Herz hat geklopft zum Zerspringen! — Er suchte sie an sich zu
ziehen, aber Vroni machte ihre Hand frei und trat einen Schritt zurück.
Es darf nit sein, Haust, sagte sie, mein armer Haust. Er fuhr in die Höhe
bei ihrem Ton, aber sie legte beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm. Sei
ruhig! bat sie, gieb Acht, was ich dir sag. Ich bin deshalb gekommen, daß ich
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