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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

Korrespondenten ein mit dem Ersuchen, die Tratte gegen ihre Auslieferung
acceptiren zu lassen. Nun werden z. B. der Norddeutschen Bank Tratte und
Dokumente vorgelegt. Sie leistet im Auftrag von Meyer das Accept und
nimmt dagegen die Dokumente in Verwahrung, deckt sich also für ihr geleistetes
Accept durch die Ware. Gegen die Gefahr etwaiger Preisschwankungen hat
Meyer bei der Norddeutschen Bank Staatspapiere oder andre Werte hinter¬
legt, oder er genießt bei ihr einen bestimmten offnen Kredit. Bevor oder wäh¬
rend die Ladung segelt, arbeiten Herrn Meyers Agenten in Stettin, in Danzig,
in Königsberg immer mit "einer Mailadung von dreitausend Barrels, Helsingör
für Ordre." Vier Wochen später kauft sie der Importeur Schulze in Danzig
zum Preise von 9 Mark unter der Bedingung: Kasse gegen Dokumente. Der
Markt steigt weiter, und vierzehn Tage später verkauft Herr Schulze in Danzig
dieselbe Ladung an seinen Nachbar, Herrn Schmidt in Danzig, für 9 Mark
40 Pfennige. Im Laufe des Juni passirt die Ladung Helsingör und wird
nach Danzig geschickt. Die norddeutsche Bank wird von Herrn Meyer ange¬
wiesen, die Dokumente gegen Zählung von so und soviel Mark Herrn Schulze
in Danzig auszuliefern, der sie seinerseits durch seinen Bankier oder seine Bank
in Danzig aufnehmen und gegen Zahlung von so und soviel Herrn Schmidt
aushändigen läßt. Herr Schulze in Danzig hat in diesem Falle die Ware
ebenso wenig gesehen wie Herr Meyer in Hamburg, Herr Meyer hat sie nicht
besessen, und Herr Schulze hat sie nicht empfangen, weder Herr Meyer noch
Herr Schulze hat die Ware bezahlt, sondern sie haben nur eine Differenz, der
eine von 25 Pfennigen, der andre von 40 Pfennigen einkassirt. Trotzdem
liegt ein ganz ernstes Geschäft in wirklicher Ware zwischen Fachgenossen vor.

Aber ich gehe weiter: auch die, die thatsächlich fachmäßig durchaus nichts
mit Petroleum zu thun haben, die niemals ein Barret empfangen, niemals
ein Barret liefern wollen, sind ebenso berechtigt wie die sogenannte Fachhand.
Der Mann, der gewöhnlich in baumwollner Unterhosen oder in Nachtmützen
"macht," wird in dem Augenblick, wo er hundert Faß August-Dezember-
Petroleum kauft oder verkauft, ein nützliches Mitglied des Petroleumhandels.
Alle diese vielen kleinen, selbst diese gelegentlichen Mitarbeiter sind sehr wichtig,
und sie haben logisch genau dasselbe Recht wie die Importeure oder die großen
Händler: sie alle suchen ihren eignen Vorteil und dienen dabei dem Gemein¬
wohl, denn in einem bestimmten Entwicklungsstand ermöglichen nur sie eine
regelmäßige Versorgung und verbürgen nur sie einen verhältnismäßig ruhigen
Preisverlauf. In einem großen Stapelartikel, der ganz regelmäßig, aber ehr¬
lich in Terminen gehandelt wird, sind häufige kleine Preisschwankungen das
Gewöhnliche, große Katastrophen nur sehr ausnahmsweise möglich. Es ist
unbedingt nötig, daß Europa auf einige Monate versorgt ist; das bedeutet
Hunderttausende von Barrels, Millionen von Mark. Die Gefahr eines solchen
Besitzes können nicht zwei oder drei Importeure teilen, dazu gehören Hunderte,


Das Petroleum

Korrespondenten ein mit dem Ersuchen, die Tratte gegen ihre Auslieferung
acceptiren zu lassen. Nun werden z. B. der Norddeutschen Bank Tratte und
Dokumente vorgelegt. Sie leistet im Auftrag von Meyer das Accept und
nimmt dagegen die Dokumente in Verwahrung, deckt sich also für ihr geleistetes
Accept durch die Ware. Gegen die Gefahr etwaiger Preisschwankungen hat
Meyer bei der Norddeutschen Bank Staatspapiere oder andre Werte hinter¬
legt, oder er genießt bei ihr einen bestimmten offnen Kredit. Bevor oder wäh¬
rend die Ladung segelt, arbeiten Herrn Meyers Agenten in Stettin, in Danzig,
in Königsberg immer mit „einer Mailadung von dreitausend Barrels, Helsingör
für Ordre." Vier Wochen später kauft sie der Importeur Schulze in Danzig
zum Preise von 9 Mark unter der Bedingung: Kasse gegen Dokumente. Der
Markt steigt weiter, und vierzehn Tage später verkauft Herr Schulze in Danzig
dieselbe Ladung an seinen Nachbar, Herrn Schmidt in Danzig, für 9 Mark
40 Pfennige. Im Laufe des Juni passirt die Ladung Helsingör und wird
nach Danzig geschickt. Die norddeutsche Bank wird von Herrn Meyer ange¬
wiesen, die Dokumente gegen Zählung von so und soviel Mark Herrn Schulze
in Danzig auszuliefern, der sie seinerseits durch seinen Bankier oder seine Bank
in Danzig aufnehmen und gegen Zahlung von so und soviel Herrn Schmidt
aushändigen läßt. Herr Schulze in Danzig hat in diesem Falle die Ware
ebenso wenig gesehen wie Herr Meyer in Hamburg, Herr Meyer hat sie nicht
besessen, und Herr Schulze hat sie nicht empfangen, weder Herr Meyer noch
Herr Schulze hat die Ware bezahlt, sondern sie haben nur eine Differenz, der
eine von 25 Pfennigen, der andre von 40 Pfennigen einkassirt. Trotzdem
liegt ein ganz ernstes Geschäft in wirklicher Ware zwischen Fachgenossen vor.

Aber ich gehe weiter: auch die, die thatsächlich fachmäßig durchaus nichts
mit Petroleum zu thun haben, die niemals ein Barret empfangen, niemals
ein Barret liefern wollen, sind ebenso berechtigt wie die sogenannte Fachhand.
Der Mann, der gewöhnlich in baumwollner Unterhosen oder in Nachtmützen
„macht," wird in dem Augenblick, wo er hundert Faß August-Dezember-
Petroleum kauft oder verkauft, ein nützliches Mitglied des Petroleumhandels.
Alle diese vielen kleinen, selbst diese gelegentlichen Mitarbeiter sind sehr wichtig,
und sie haben logisch genau dasselbe Recht wie die Importeure oder die großen
Händler: sie alle suchen ihren eignen Vorteil und dienen dabei dem Gemein¬
wohl, denn in einem bestimmten Entwicklungsstand ermöglichen nur sie eine
regelmäßige Versorgung und verbürgen nur sie einen verhältnismäßig ruhigen
Preisverlauf. In einem großen Stapelartikel, der ganz regelmäßig, aber ehr¬
lich in Terminen gehandelt wird, sind häufige kleine Preisschwankungen das
Gewöhnliche, große Katastrophen nur sehr ausnahmsweise möglich. Es ist
unbedingt nötig, daß Europa auf einige Monate versorgt ist; das bedeutet
Hunderttausende von Barrels, Millionen von Mark. Die Gefahr eines solchen
Besitzes können nicht zwei oder drei Importeure teilen, dazu gehören Hunderte,


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[0532] Das Petroleum Korrespondenten ein mit dem Ersuchen, die Tratte gegen ihre Auslieferung acceptiren zu lassen. Nun werden z. B. der Norddeutschen Bank Tratte und Dokumente vorgelegt. Sie leistet im Auftrag von Meyer das Accept und nimmt dagegen die Dokumente in Verwahrung, deckt sich also für ihr geleistetes Accept durch die Ware. Gegen die Gefahr etwaiger Preisschwankungen hat Meyer bei der Norddeutschen Bank Staatspapiere oder andre Werte hinter¬ legt, oder er genießt bei ihr einen bestimmten offnen Kredit. Bevor oder wäh¬ rend die Ladung segelt, arbeiten Herrn Meyers Agenten in Stettin, in Danzig, in Königsberg immer mit „einer Mailadung von dreitausend Barrels, Helsingör für Ordre." Vier Wochen später kauft sie der Importeur Schulze in Danzig zum Preise von 9 Mark unter der Bedingung: Kasse gegen Dokumente. Der Markt steigt weiter, und vierzehn Tage später verkauft Herr Schulze in Danzig dieselbe Ladung an seinen Nachbar, Herrn Schmidt in Danzig, für 9 Mark 40 Pfennige. Im Laufe des Juni passirt die Ladung Helsingör und wird nach Danzig geschickt. Die norddeutsche Bank wird von Herrn Meyer ange¬ wiesen, die Dokumente gegen Zählung von so und soviel Mark Herrn Schulze in Danzig auszuliefern, der sie seinerseits durch seinen Bankier oder seine Bank in Danzig aufnehmen und gegen Zahlung von so und soviel Herrn Schmidt aushändigen läßt. Herr Schulze in Danzig hat in diesem Falle die Ware ebenso wenig gesehen wie Herr Meyer in Hamburg, Herr Meyer hat sie nicht besessen, und Herr Schulze hat sie nicht empfangen, weder Herr Meyer noch Herr Schulze hat die Ware bezahlt, sondern sie haben nur eine Differenz, der eine von 25 Pfennigen, der andre von 40 Pfennigen einkassirt. Trotzdem liegt ein ganz ernstes Geschäft in wirklicher Ware zwischen Fachgenossen vor. Aber ich gehe weiter: auch die, die thatsächlich fachmäßig durchaus nichts mit Petroleum zu thun haben, die niemals ein Barret empfangen, niemals ein Barret liefern wollen, sind ebenso berechtigt wie die sogenannte Fachhand. Der Mann, der gewöhnlich in baumwollner Unterhosen oder in Nachtmützen „macht," wird in dem Augenblick, wo er hundert Faß August-Dezember- Petroleum kauft oder verkauft, ein nützliches Mitglied des Petroleumhandels. Alle diese vielen kleinen, selbst diese gelegentlichen Mitarbeiter sind sehr wichtig, und sie haben logisch genau dasselbe Recht wie die Importeure oder die großen Händler: sie alle suchen ihren eignen Vorteil und dienen dabei dem Gemein¬ wohl, denn in einem bestimmten Entwicklungsstand ermöglichen nur sie eine regelmäßige Versorgung und verbürgen nur sie einen verhältnismäßig ruhigen Preisverlauf. In einem großen Stapelartikel, der ganz regelmäßig, aber ehr¬ lich in Terminen gehandelt wird, sind häufige kleine Preisschwankungen das Gewöhnliche, große Katastrophen nur sehr ausnahmsweise möglich. Es ist unbedingt nötig, daß Europa auf einige Monate versorgt ist; das bedeutet Hunderttausende von Barrels, Millionen von Mark. Die Gefahr eines solchen Besitzes können nicht zwei oder drei Importeure teilen, dazu gehören Hunderte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/532>, abgerufen am 25.08.2024.