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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zum Schutze der Bauhandwerker

thekengläubigern ein Vorzugsrecht eingeräumt werden solle, wenn die betreffenden
Forderungen vierzehn Tage, nachdem sie angebracht sind, als begründet nach¬
gewiesen und im Grundbuch eingetragen worden seien. Im wesentlichen das¬
selbe beantragt die Petition des Dr. Stolp vom 29. Januar und 6. April
1892. Abgesehen nun davon, daß es in den meisten Fällen dem Baugläubiger
nicht möglich sein wird, innerhalb von vierzehn Tagen die Nechtmüßigkeit
seiner Forderung nachzuweisen, so kann dem Verlangen schon deshalb nicht
entsprochen werden, weil durch eine solche Bestimmung anch der reelle Hypo¬
thekenkredit in der ungerechtesten Weise mitbetrofsen werden würde. Es könnte
dann vorkommen, daß jemand auf ein Grundstück, seinem wirklichen Werte
entsprechend, 10000 Mark geliehen, das nachträglich bebaut und schließlich
in der Zwangsversteigerung mit dem Neubau für 100000 Mark zugeschlagen
würde, daß aber die Forderungen der Baugläubiger 120000 Mark betrüge",
die Vaugläubiger also den gesamten Erlös erhielten und die erste, ganz reelle
und sichere Hypothek von 10000 Mark gänzlich ausfiele. Es liegt auf der
Hand, daß keine Gesetzgebung die Möglichkeit zu einem solchen Unrecht geben
kann und darf. In einer spätern Petition vom 18. November 1894 hat zwar
Dr. Stolp sein Verlangen mehrfach abgeändert, hält aber, soweit seine An¬
träge verständlich sind, grundsätzlich um einer Bevorrechtung der Bangläubiger
insofern fest, als diese gleiche Rechte haben sollen mit allen andern, also auch
ältern Hypothelenglünbigern, und will, daß eine Befriedigung je nach der Höhe
der Forderungen stattfinde. Aber diesem Verlangen steht das nicht zu be¬
seitigende Bedenken entgegen, daß eine reelle und durch deu Wert der bloße"
Baustelle vor dem Bau vollkommen gesicherte Hypothek nach dem Bau zum
Teil verloren gehen kann. Dasselbe Bedenken spricht anch gegen den Vor¬
schlag des Jnnungsverbandes deutscher Vaugewerksmeister in der Petition vom
15. Januar 1895, weil er beansprucht, daß bei der Zwangsveräußeruug eines
neu bebauten Grundstücks die Forderungen der Bcmglüubigcr an erster Stelle
stehen und nur der ermittelte reelle Wert der Baustelle die gleichen Rechte
haben solle. Auch hierbei würde eine ältere, reelle und vor dem Neubau ganz
sichere Hypothek aufs äußerste gefährdet sein.

Etwas eingeschränkter ist der Vorschlag des Deutschen Bundes für Boden-
besitzreform. Hiernach soll die Baupolizei von jedem von ihr genehmigten
Neubau der Gruudbuchbehörde Nachricht geben und diese den Hypotheken¬
gläubigern von dem beabsichtigten Neubau Anzeige machen. Den Hypvtheken-
gläubigcrn soll dann das Recht zustehen, innerhalb von dreißig Tagen ihre
Forderungen mit dreimonatiger Frist zur Rückzahlung zu kündigen. Vor
der Rückzahlung oder anderweitigen Sicherstellung der Forderungen soll mit
dem Neubau nicht begonnen werden dürfen; innerhalb von sechs Monaten
nach der baupolizeilichen Gebrauchsabncchme des Gebäudes sollen die Bau¬
gläubiger ihre Forderungen eintragen lassen und die so entstandnen Hypotheken


Greuzbvte" IV 189S 59
Zum Schutze der Bauhandwerker

thekengläubigern ein Vorzugsrecht eingeräumt werden solle, wenn die betreffenden
Forderungen vierzehn Tage, nachdem sie angebracht sind, als begründet nach¬
gewiesen und im Grundbuch eingetragen worden seien. Im wesentlichen das¬
selbe beantragt die Petition des Dr. Stolp vom 29. Januar und 6. April
1892. Abgesehen nun davon, daß es in den meisten Fällen dem Baugläubiger
nicht möglich sein wird, innerhalb von vierzehn Tagen die Nechtmüßigkeit
seiner Forderung nachzuweisen, so kann dem Verlangen schon deshalb nicht
entsprochen werden, weil durch eine solche Bestimmung anch der reelle Hypo¬
thekenkredit in der ungerechtesten Weise mitbetrofsen werden würde. Es könnte
dann vorkommen, daß jemand auf ein Grundstück, seinem wirklichen Werte
entsprechend, 10000 Mark geliehen, das nachträglich bebaut und schließlich
in der Zwangsversteigerung mit dem Neubau für 100000 Mark zugeschlagen
würde, daß aber die Forderungen der Baugläubiger 120000 Mark betrüge»,
die Vaugläubiger also den gesamten Erlös erhielten und die erste, ganz reelle
und sichere Hypothek von 10000 Mark gänzlich ausfiele. Es liegt auf der
Hand, daß keine Gesetzgebung die Möglichkeit zu einem solchen Unrecht geben
kann und darf. In einer spätern Petition vom 18. November 1894 hat zwar
Dr. Stolp sein Verlangen mehrfach abgeändert, hält aber, soweit seine An¬
träge verständlich sind, grundsätzlich um einer Bevorrechtung der Bangläubiger
insofern fest, als diese gleiche Rechte haben sollen mit allen andern, also auch
ältern Hypothelenglünbigern, und will, daß eine Befriedigung je nach der Höhe
der Forderungen stattfinde. Aber diesem Verlangen steht das nicht zu be¬
seitigende Bedenken entgegen, daß eine reelle und durch deu Wert der bloße»
Baustelle vor dem Bau vollkommen gesicherte Hypothek nach dem Bau zum
Teil verloren gehen kann. Dasselbe Bedenken spricht anch gegen den Vor¬
schlag des Jnnungsverbandes deutscher Vaugewerksmeister in der Petition vom
15. Januar 1895, weil er beansprucht, daß bei der Zwangsveräußeruug eines
neu bebauten Grundstücks die Forderungen der Bcmglüubigcr an erster Stelle
stehen und nur der ermittelte reelle Wert der Baustelle die gleichen Rechte
haben solle. Auch hierbei würde eine ältere, reelle und vor dem Neubau ganz
sichere Hypothek aufs äußerste gefährdet sein.

Etwas eingeschränkter ist der Vorschlag des Deutschen Bundes für Boden-
besitzreform. Hiernach soll die Baupolizei von jedem von ihr genehmigten
Neubau der Gruudbuchbehörde Nachricht geben und diese den Hypotheken¬
gläubigern von dem beabsichtigten Neubau Anzeige machen. Den Hypvtheken-
gläubigcrn soll dann das Recht zustehen, innerhalb von dreißig Tagen ihre
Forderungen mit dreimonatiger Frist zur Rückzahlung zu kündigen. Vor
der Rückzahlung oder anderweitigen Sicherstellung der Forderungen soll mit
dem Neubau nicht begonnen werden dürfen; innerhalb von sechs Monaten
nach der baupolizeilichen Gebrauchsabncchme des Gebäudes sollen die Bau¬
gläubiger ihre Forderungen eintragen lassen und die so entstandnen Hypotheken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/467>, abgerufen am 05.02.2025.