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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Gin prachtmerk über unsre Kriegsflotte

schwache Reich die Herrschaft über den größten Teil des Erdbodens gewonnen,
und wie erhält es sie? Dem Deutschen, dem es zeigt, was er konnte, muß es
die Schamröte in die Wangen treiben.

Wir dürfen uns stolz als das mächtigste und im Kern stärkste aller
Völker fühle". Aber haben wir den Raum, der uns gebührt, und dessen wir
zur freien Entfaltung unsrer Kräfte, jedes Einzelnen der Volksgenossen, be¬
dürfen? Wir müssen uns Raum schaffen, und das Mittel, das uns dazu zu
diene" hat, ist unsre Flotte. Und nun vergleiche mau mit unsrer Flotte die Flotten
andrer Völker! Fra"kreich allein hat so viel Panzerschiffe wie der ganze Drei¬
bund zusammen, Rußland, das keine Handelsflotte zu schützen hat, so viel
wie Deutschland, und dabei fahren beide Länder fort, mit aller Kraft, ihre
Flotten weiter auszubauen; was wir haben, verschwindet gegen die Flotten
der andern Länder, und doch werden wir vielleicht einmal einer ganzen Welt
zu trutzen haben.

Zu trutzen? fragen die sparsamen Leute. Genügt es nicht, wenn wir
stark genug zur Verteidigung sind? Schützen uns nicht unsre Kttsteuforts,
haben wir nicht Soldaten genug, jeden Einfall abzuwehren? Nein, es genügt
nicht, auch wenn wir das alles ausreichend hätten. Denn es sichert weder
die Kolonien, die wir haben müssen, noch unsre Handelsschiffe, die alle Meere
befahren und jetzt den Atem bilden, der uns am Leben erhält. Würden wir
plötzlich -- jetzt oder spater, wenn wir uns Kolonialland erworben und das
schon vorhandue ausgestaltet habe" werde" -- zu einem Verteidigungskriege
gezwungen, in dem unsre Kriegsflotte nur ausreichte, das Eindringen der
Feinde in unsre Häfen zu verhüten, so wäre doch unser gesamtes Eigentum
über dem Wasser drüben und das, was auf dem Wasser schwimmt, preis¬
gegeben und verloren. Unsre Häfen könnten nicht mehr aufatmen und ein¬
atmen. Absatz und Zufuhr wären abgeschnitten, wir müßte" ersticken.

Solche Dinge zeigt uns Wislicenus, und er zeigt, was sich daraus er¬
giebt: daß nur eine Flotte, die imstande ist gegen jeden Feind die Offensive
zu ergreifen, ihn wegzuräumen vom Meere und sich über dies die Herrschaft
und der Handelsflotte den freien Verkehr zu sichern, uus so dienen kann, wie
wir es brauchen. Wir werden stark sein und das Leben behalten, wenn wir
imstande sind, einen Feind in seine Häfen zurückzuwerfen und dort festzuhalten,
wenn wir imstande sind, den Krieg auch auf dem Seewege in sein Land zu
tragen, seine Häfen und seine Kolonien zu brandschatzen und seine Handels¬
schiffe zu kapern. Dazu muß unsre Marine fähig sein, sonst geschieht uns,
was wir andern anzuthun haben.

Und dafür haben wir zu sorgen, das lehrt uns Wislicenus Schrift.
Eine starke Flotte wird in jeden: Kriege das Landheer entlasten. Sie ist
schneller imstande als dieses, den Krieg in Feindesland zu tragen; sie braucht
einen viel geringern Bestand von Mannschaft und opfert entsprechend weniger


Gin prachtmerk über unsre Kriegsflotte

schwache Reich die Herrschaft über den größten Teil des Erdbodens gewonnen,
und wie erhält es sie? Dem Deutschen, dem es zeigt, was er konnte, muß es
die Schamröte in die Wangen treiben.

Wir dürfen uns stolz als das mächtigste und im Kern stärkste aller
Völker fühle». Aber haben wir den Raum, der uns gebührt, und dessen wir
zur freien Entfaltung unsrer Kräfte, jedes Einzelnen der Volksgenossen, be¬
dürfen? Wir müssen uns Raum schaffen, und das Mittel, das uns dazu zu
diene» hat, ist unsre Flotte. Und nun vergleiche mau mit unsrer Flotte die Flotten
andrer Völker! Fra»kreich allein hat so viel Panzerschiffe wie der ganze Drei¬
bund zusammen, Rußland, das keine Handelsflotte zu schützen hat, so viel
wie Deutschland, und dabei fahren beide Länder fort, mit aller Kraft, ihre
Flotten weiter auszubauen; was wir haben, verschwindet gegen die Flotten
der andern Länder, und doch werden wir vielleicht einmal einer ganzen Welt
zu trutzen haben.

Zu trutzen? fragen die sparsamen Leute. Genügt es nicht, wenn wir
stark genug zur Verteidigung sind? Schützen uns nicht unsre Kttsteuforts,
haben wir nicht Soldaten genug, jeden Einfall abzuwehren? Nein, es genügt
nicht, auch wenn wir das alles ausreichend hätten. Denn es sichert weder
die Kolonien, die wir haben müssen, noch unsre Handelsschiffe, die alle Meere
befahren und jetzt den Atem bilden, der uns am Leben erhält. Würden wir
plötzlich — jetzt oder spater, wenn wir uns Kolonialland erworben und das
schon vorhandue ausgestaltet habe» werde» — zu einem Verteidigungskriege
gezwungen, in dem unsre Kriegsflotte nur ausreichte, das Eindringen der
Feinde in unsre Häfen zu verhüten, so wäre doch unser gesamtes Eigentum
über dem Wasser drüben und das, was auf dem Wasser schwimmt, preis¬
gegeben und verloren. Unsre Häfen könnten nicht mehr aufatmen und ein¬
atmen. Absatz und Zufuhr wären abgeschnitten, wir müßte» ersticken.

Solche Dinge zeigt uns Wislicenus, und er zeigt, was sich daraus er¬
giebt: daß nur eine Flotte, die imstande ist gegen jeden Feind die Offensive
zu ergreifen, ihn wegzuräumen vom Meere und sich über dies die Herrschaft
und der Handelsflotte den freien Verkehr zu sichern, uus so dienen kann, wie
wir es brauchen. Wir werden stark sein und das Leben behalten, wenn wir
imstande sind, einen Feind in seine Häfen zurückzuwerfen und dort festzuhalten,
wenn wir imstande sind, den Krieg auch auf dem Seewege in sein Land zu
tragen, seine Häfen und seine Kolonien zu brandschatzen und seine Handels¬
schiffe zu kapern. Dazu muß unsre Marine fähig sein, sonst geschieht uns,
was wir andern anzuthun haben.

Und dafür haben wir zu sorgen, das lehrt uns Wislicenus Schrift.
Eine starke Flotte wird in jeden: Kriege das Landheer entlasten. Sie ist
schneller imstande als dieses, den Krieg in Feindesland zu tragen; sie braucht
einen viel geringern Bestand von Mannschaft und opfert entsprechend weniger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/448>, abgerufen am 25.07.2024.