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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Ein Prachtwerk über unsre Kriegsflotte

Reichstagsabgeordneten wieder so und so viel vom Marinebudget gestrichen
haben, darauf zu dringen, daß jeder Groschen, der zu kriegen ist, für die
Marine verwandt werde, und daß er da geholt iverde, wo er zu finden ist.
Es ist sehr viel mehr Geld in Deutschland, als für Lehrergehaltsanfbesserung,
Heer und Flotte zusammen nötig wäre, und von den Notleidenden und küm¬
merlich und knapp Durchkommenden braucht es nicht genommen zu werden.
Das weiß jedes Kind und jeder knickrige Lump, und doch wird gerade das
nicht gethan, was vernünftig und ehrlich wäre. Für die Kneipentrinkgelder
allein, die in Deutschland ausgegeben werden, könnte jedes Jahr ein Panzer¬
schiff ersten Ranges gebaut werden, wenn nicht zwei.

Das Werk nennt sich "Unsre Kriegsflotte von Georg Wislieenus unter
Mitwirkung der Marinemaler usw." Dies könnte manchem seltsam vorkommen bei
einem Werke, bei dein die Bilder so sehr die Hauptsache zu sein scheinen wie hier.
Aber der Titel ist ganz berechtigt; der Text ist kein Begleitwort zu den Bildern,
sondern er ist eine selbständige populäre Beschreibung unsrer Marine und eine
Darstellung ihrer Aufgaben, und er enthält manches sehr beherzigenswerte Wort;
die Bilder aber, so selbständig sie auftreten, sind doch nur Illustrationen zu
diesem Text. Um sie vorweg zu würdigen: sie sind eine Sammlung von kleinen
Kunstwerken, die jedem Beschauer Interesse abgewinnen und Freude bereiten
werden. Sie sind nichts weniger als Illustrationen im gewöhnlichen Sinne.
Jedes ist ein allerliebstes Seestttck; die Szenerie wechselt von Blatt zu Blatt
und zeigt das Meer in allen Stimmungen, allen Farben. Die Schiffs¬
bilder sind die lebendige Staffage für den landschaftlichen Hintergrund. Alle
Bilder sind mit Liebe gemalt, die technische Herstellung ist glänzend und
gereicht der Verlagsanstalt zu hoher Ehre. Für viele wird das Malerische
und die vortreffliche Wiedergabe dieser Marinebilder den Anreiz zum Kauf
geben; aber für uns liegt doch der Hauptwert im Text und in dem, was
er lehrt.

Armeen lassen sich auch jetzt noch im Notfalle ans der Erde stampfen, sagt
Wislieenus an einer Stelle, Kriegsflotten aber nicht. Der Kriegsschiffbau er¬
fordert lange Zeit und Ausnutzung aller technischen Fortschritte. Und um ein
Kriegsschiff erst kriegstüchtig zu machen, bedarf es langer, fleißiger Arbeit
in Friedenszeiten.

Dies führt der Hauptteil des Textes aus. Der Bau, die Einrichtung,
der Zweck aller Arten unsrer Kriegsschiffe wird beschrieben, ihre Verwendung
und ihre Leistungsfähigkeit; alles klar und für jeden Laien verständlich und
interessant. Dazwischen sind Betrachtungen allgemeinerer Art gestreut, die,
wir dürfen wohl sagen, die idealere Seite der Sache beleuchten und für sie
empfänglich zu mache" suchen.

Der Verfasser benutzt die Beschreibung der Kaiserjacht "Hohenzollern,"
die das Werk einleitet, um auf frühere Zeiten und die Entstehung unsrer


Ein Prachtwerk über unsre Kriegsflotte

Reichstagsabgeordneten wieder so und so viel vom Marinebudget gestrichen
haben, darauf zu dringen, daß jeder Groschen, der zu kriegen ist, für die
Marine verwandt werde, und daß er da geholt iverde, wo er zu finden ist.
Es ist sehr viel mehr Geld in Deutschland, als für Lehrergehaltsanfbesserung,
Heer und Flotte zusammen nötig wäre, und von den Notleidenden und küm¬
merlich und knapp Durchkommenden braucht es nicht genommen zu werden.
Das weiß jedes Kind und jeder knickrige Lump, und doch wird gerade das
nicht gethan, was vernünftig und ehrlich wäre. Für die Kneipentrinkgelder
allein, die in Deutschland ausgegeben werden, könnte jedes Jahr ein Panzer¬
schiff ersten Ranges gebaut werden, wenn nicht zwei.

Das Werk nennt sich „Unsre Kriegsflotte von Georg Wislieenus unter
Mitwirkung der Marinemaler usw." Dies könnte manchem seltsam vorkommen bei
einem Werke, bei dein die Bilder so sehr die Hauptsache zu sein scheinen wie hier.
Aber der Titel ist ganz berechtigt; der Text ist kein Begleitwort zu den Bildern,
sondern er ist eine selbständige populäre Beschreibung unsrer Marine und eine
Darstellung ihrer Aufgaben, und er enthält manches sehr beherzigenswerte Wort;
die Bilder aber, so selbständig sie auftreten, sind doch nur Illustrationen zu
diesem Text. Um sie vorweg zu würdigen: sie sind eine Sammlung von kleinen
Kunstwerken, die jedem Beschauer Interesse abgewinnen und Freude bereiten
werden. Sie sind nichts weniger als Illustrationen im gewöhnlichen Sinne.
Jedes ist ein allerliebstes Seestttck; die Szenerie wechselt von Blatt zu Blatt
und zeigt das Meer in allen Stimmungen, allen Farben. Die Schiffs¬
bilder sind die lebendige Staffage für den landschaftlichen Hintergrund. Alle
Bilder sind mit Liebe gemalt, die technische Herstellung ist glänzend und
gereicht der Verlagsanstalt zu hoher Ehre. Für viele wird das Malerische
und die vortreffliche Wiedergabe dieser Marinebilder den Anreiz zum Kauf
geben; aber für uns liegt doch der Hauptwert im Text und in dem, was
er lehrt.

Armeen lassen sich auch jetzt noch im Notfalle ans der Erde stampfen, sagt
Wislieenus an einer Stelle, Kriegsflotten aber nicht. Der Kriegsschiffbau er¬
fordert lange Zeit und Ausnutzung aller technischen Fortschritte. Und um ein
Kriegsschiff erst kriegstüchtig zu machen, bedarf es langer, fleißiger Arbeit
in Friedenszeiten.

Dies führt der Hauptteil des Textes aus. Der Bau, die Einrichtung,
der Zweck aller Arten unsrer Kriegsschiffe wird beschrieben, ihre Verwendung
und ihre Leistungsfähigkeit; alles klar und für jeden Laien verständlich und
interessant. Dazwischen sind Betrachtungen allgemeinerer Art gestreut, die,
wir dürfen wohl sagen, die idealere Seite der Sache beleuchten und für sie
empfänglich zu mache» suchen.

Der Verfasser benutzt die Beschreibung der Kaiserjacht „Hohenzollern,"
die das Werk einleitet, um auf frühere Zeiten und die Entstehung unsrer


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[0446] Ein Prachtwerk über unsre Kriegsflotte Reichstagsabgeordneten wieder so und so viel vom Marinebudget gestrichen haben, darauf zu dringen, daß jeder Groschen, der zu kriegen ist, für die Marine verwandt werde, und daß er da geholt iverde, wo er zu finden ist. Es ist sehr viel mehr Geld in Deutschland, als für Lehrergehaltsanfbesserung, Heer und Flotte zusammen nötig wäre, und von den Notleidenden und küm¬ merlich und knapp Durchkommenden braucht es nicht genommen zu werden. Das weiß jedes Kind und jeder knickrige Lump, und doch wird gerade das nicht gethan, was vernünftig und ehrlich wäre. Für die Kneipentrinkgelder allein, die in Deutschland ausgegeben werden, könnte jedes Jahr ein Panzer¬ schiff ersten Ranges gebaut werden, wenn nicht zwei. Das Werk nennt sich „Unsre Kriegsflotte von Georg Wislieenus unter Mitwirkung der Marinemaler usw." Dies könnte manchem seltsam vorkommen bei einem Werke, bei dein die Bilder so sehr die Hauptsache zu sein scheinen wie hier. Aber der Titel ist ganz berechtigt; der Text ist kein Begleitwort zu den Bildern, sondern er ist eine selbständige populäre Beschreibung unsrer Marine und eine Darstellung ihrer Aufgaben, und er enthält manches sehr beherzigenswerte Wort; die Bilder aber, so selbständig sie auftreten, sind doch nur Illustrationen zu diesem Text. Um sie vorweg zu würdigen: sie sind eine Sammlung von kleinen Kunstwerken, die jedem Beschauer Interesse abgewinnen und Freude bereiten werden. Sie sind nichts weniger als Illustrationen im gewöhnlichen Sinne. Jedes ist ein allerliebstes Seestttck; die Szenerie wechselt von Blatt zu Blatt und zeigt das Meer in allen Stimmungen, allen Farben. Die Schiffs¬ bilder sind die lebendige Staffage für den landschaftlichen Hintergrund. Alle Bilder sind mit Liebe gemalt, die technische Herstellung ist glänzend und gereicht der Verlagsanstalt zu hoher Ehre. Für viele wird das Malerische und die vortreffliche Wiedergabe dieser Marinebilder den Anreiz zum Kauf geben; aber für uns liegt doch der Hauptwert im Text und in dem, was er lehrt. Armeen lassen sich auch jetzt noch im Notfalle ans der Erde stampfen, sagt Wislieenus an einer Stelle, Kriegsflotten aber nicht. Der Kriegsschiffbau er¬ fordert lange Zeit und Ausnutzung aller technischen Fortschritte. Und um ein Kriegsschiff erst kriegstüchtig zu machen, bedarf es langer, fleißiger Arbeit in Friedenszeiten. Dies führt der Hauptteil des Textes aus. Der Bau, die Einrichtung, der Zweck aller Arten unsrer Kriegsschiffe wird beschrieben, ihre Verwendung und ihre Leistungsfähigkeit; alles klar und für jeden Laien verständlich und interessant. Dazwischen sind Betrachtungen allgemeinerer Art gestreut, die, wir dürfen wohl sagen, die idealere Seite der Sache beleuchten und für sie empfänglich zu mache» suchen. Der Verfasser benutzt die Beschreibung der Kaiserjacht „Hohenzollern," die das Werk einleitet, um auf frühere Zeiten und die Entstehung unsrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/446>, abgerufen am 24.07.2024.