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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Zur Börsenkrisis

kommnete Englische Bank," die Banane Ottomane, in Schwierigkeiten geriet,
und -- der Sultan mit ihr.

Sie ist vor zweiunddreißig Jahren als reine Aktienbank mit zehn Mil¬
lionen Pfund Sterling Kapital gegründet, wovon die Hülste eingezahlt ist.
Die Leitung in Konstantinopel hat ein Engländer. Je ein Ausschuß der her¬
vorragendsten Finanzmänner und Aktionäre in London, Paris und Wien be¬
aufsichtigt die Direktion und giebt ihr Anweisungen. Geschäftlich ist sie vom
Staat unabhängig, nur daß sie ihm bis zu einer gewissen Höhe, etwa bis zu
zwölf Millionen Franks, Darlehen zu 3 Prozent über dem mittlern Diskont
der Bank von England und Frankreich, also jetzt zu 10 Prozent, machen muß.
Sie besorgt den ganzen Kassenverkehr des Staats, zieht alle seine Einnahmen
ein und zahlt seine Ausgaben. Soweit ist sie der Englischen Bank ähnlich.
Aber ihr Privileg geht weiter. Sie allein darf Banknoten ausgeben zu
einem türkischen Pfund (etwa neunzehn Schillingen), während in England
auch andre Banken Noten ausgeben. Diese Noten hat sie bis jetzt in Gold
eingelöst, sowie sie präsentirt wurden. Der Staat Prägt Goldstücke zu einem
türkischen Pfund aus, die aber, bei seiner Armut, bei dem Defizit und passiver
Handelsbilanz, ins Ausland oder in die Bankkasse abfließen, daneben Silber¬
münzen im Nominalwert von etwa 3Vs Schillingen, Silberpiaster, die aber jetzt
nur halb soviel Goldwert haben, also nur als Scheidemünze anzusehen sind,
und wirkliche Scheidemünze, Paras, etwa zwei Silbergroschen wert. Die
Hauptsache ist aber, daß sich die türkische Regierung verpflichtet hat, so¬
lange die Konzession der Bank dauert, kein Staatspapiergeld auszugeben!
Dieser Umstand wird natürlich von den Blättern Österreichs, die von der Börse
abhängen, nicht erwähnt, obschon sie ihn kennen, denn er weckt peinliche Er¬
innerungen an das Pierersche Bankgesetz von 1894, aber von der konser¬
vativen Presse Österreichs und Deutschlands auch nicht, weil sie ihn wahr¬
scheinlich nicht kennen.

Thatsächlich besteht also das Geld des türkischen Reichs aus Banknoten
und Staatsscheidemünzen, nur erstere sind als Kurantmünzen, die im Aus¬
lande und Inlande gleichen Wert haben, anzusehen, aber gezwungen ist nie¬
mand, sie zu nehmen. Jetzt hat sich nun die Bank festgeritten. Ihr eng¬
lischer Direktor soll auch in Goldminenaktien spekulirt haben. Sie hat Aktien¬
gesellschaften in der Türkei gegründet, hat aber die Aktien nur teilweise
verlausen können. Die schwierige politische Lage der Türkei machte die Bank¬
notenbesitzer ängstlich, sie verlangten massenhaft die Einlösung. Die Bank löste
anch ein, aber nur an einem Schalter. Sie ließ verbreiten, es sei genug Gold
von Paris und London zur Einlösung vorhanden. Aber man hörte nur von
der Ankunft kleiner Summen. Dann schrieb die Neue Freie Presse, das Gold
gehe auf dem Seewege nach Konstantinopel! Das Gold müßte aber auch auf
diesem Wege schon dort angekommen sein. Davon liest man aber noch nichts.


Grenzl'oder IV 1895 55
Zur Börsenkrisis

kommnete Englische Bank," die Banane Ottomane, in Schwierigkeiten geriet,
und — der Sultan mit ihr.

Sie ist vor zweiunddreißig Jahren als reine Aktienbank mit zehn Mil¬
lionen Pfund Sterling Kapital gegründet, wovon die Hülste eingezahlt ist.
Die Leitung in Konstantinopel hat ein Engländer. Je ein Ausschuß der her¬
vorragendsten Finanzmänner und Aktionäre in London, Paris und Wien be¬
aufsichtigt die Direktion und giebt ihr Anweisungen. Geschäftlich ist sie vom
Staat unabhängig, nur daß sie ihm bis zu einer gewissen Höhe, etwa bis zu
zwölf Millionen Franks, Darlehen zu 3 Prozent über dem mittlern Diskont
der Bank von England und Frankreich, also jetzt zu 10 Prozent, machen muß.
Sie besorgt den ganzen Kassenverkehr des Staats, zieht alle seine Einnahmen
ein und zahlt seine Ausgaben. Soweit ist sie der Englischen Bank ähnlich.
Aber ihr Privileg geht weiter. Sie allein darf Banknoten ausgeben zu
einem türkischen Pfund (etwa neunzehn Schillingen), während in England
auch andre Banken Noten ausgeben. Diese Noten hat sie bis jetzt in Gold
eingelöst, sowie sie präsentirt wurden. Der Staat Prägt Goldstücke zu einem
türkischen Pfund aus, die aber, bei seiner Armut, bei dem Defizit und passiver
Handelsbilanz, ins Ausland oder in die Bankkasse abfließen, daneben Silber¬
münzen im Nominalwert von etwa 3Vs Schillingen, Silberpiaster, die aber jetzt
nur halb soviel Goldwert haben, also nur als Scheidemünze anzusehen sind,
und wirkliche Scheidemünze, Paras, etwa zwei Silbergroschen wert. Die
Hauptsache ist aber, daß sich die türkische Regierung verpflichtet hat, so¬
lange die Konzession der Bank dauert, kein Staatspapiergeld auszugeben!
Dieser Umstand wird natürlich von den Blättern Österreichs, die von der Börse
abhängen, nicht erwähnt, obschon sie ihn kennen, denn er weckt peinliche Er¬
innerungen an das Pierersche Bankgesetz von 1894, aber von der konser¬
vativen Presse Österreichs und Deutschlands auch nicht, weil sie ihn wahr¬
scheinlich nicht kennen.

Thatsächlich besteht also das Geld des türkischen Reichs aus Banknoten
und Staatsscheidemünzen, nur erstere sind als Kurantmünzen, die im Aus¬
lande und Inlande gleichen Wert haben, anzusehen, aber gezwungen ist nie¬
mand, sie zu nehmen. Jetzt hat sich nun die Bank festgeritten. Ihr eng¬
lischer Direktor soll auch in Goldminenaktien spekulirt haben. Sie hat Aktien¬
gesellschaften in der Türkei gegründet, hat aber die Aktien nur teilweise
verlausen können. Die schwierige politische Lage der Türkei machte die Bank¬
notenbesitzer ängstlich, sie verlangten massenhaft die Einlösung. Die Bank löste
anch ein, aber nur an einem Schalter. Sie ließ verbreiten, es sei genug Gold
von Paris und London zur Einlösung vorhanden. Aber man hörte nur von
der Ankunft kleiner Summen. Dann schrieb die Neue Freie Presse, das Gold
gehe auf dem Seewege nach Konstantinopel! Das Gold müßte aber auch auf
diesem Wege schon dort angekommen sein. Davon liest man aber noch nichts.


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[0435] Zur Börsenkrisis kommnete Englische Bank," die Banane Ottomane, in Schwierigkeiten geriet, und — der Sultan mit ihr. Sie ist vor zweiunddreißig Jahren als reine Aktienbank mit zehn Mil¬ lionen Pfund Sterling Kapital gegründet, wovon die Hülste eingezahlt ist. Die Leitung in Konstantinopel hat ein Engländer. Je ein Ausschuß der her¬ vorragendsten Finanzmänner und Aktionäre in London, Paris und Wien be¬ aufsichtigt die Direktion und giebt ihr Anweisungen. Geschäftlich ist sie vom Staat unabhängig, nur daß sie ihm bis zu einer gewissen Höhe, etwa bis zu zwölf Millionen Franks, Darlehen zu 3 Prozent über dem mittlern Diskont der Bank von England und Frankreich, also jetzt zu 10 Prozent, machen muß. Sie besorgt den ganzen Kassenverkehr des Staats, zieht alle seine Einnahmen ein und zahlt seine Ausgaben. Soweit ist sie der Englischen Bank ähnlich. Aber ihr Privileg geht weiter. Sie allein darf Banknoten ausgeben zu einem türkischen Pfund (etwa neunzehn Schillingen), während in England auch andre Banken Noten ausgeben. Diese Noten hat sie bis jetzt in Gold eingelöst, sowie sie präsentirt wurden. Der Staat Prägt Goldstücke zu einem türkischen Pfund aus, die aber, bei seiner Armut, bei dem Defizit und passiver Handelsbilanz, ins Ausland oder in die Bankkasse abfließen, daneben Silber¬ münzen im Nominalwert von etwa 3Vs Schillingen, Silberpiaster, die aber jetzt nur halb soviel Goldwert haben, also nur als Scheidemünze anzusehen sind, und wirkliche Scheidemünze, Paras, etwa zwei Silbergroschen wert. Die Hauptsache ist aber, daß sich die türkische Regierung verpflichtet hat, so¬ lange die Konzession der Bank dauert, kein Staatspapiergeld auszugeben! Dieser Umstand wird natürlich von den Blättern Österreichs, die von der Börse abhängen, nicht erwähnt, obschon sie ihn kennen, denn er weckt peinliche Er¬ innerungen an das Pierersche Bankgesetz von 1894, aber von der konser¬ vativen Presse Österreichs und Deutschlands auch nicht, weil sie ihn wahr¬ scheinlich nicht kennen. Thatsächlich besteht also das Geld des türkischen Reichs aus Banknoten und Staatsscheidemünzen, nur erstere sind als Kurantmünzen, die im Aus¬ lande und Inlande gleichen Wert haben, anzusehen, aber gezwungen ist nie¬ mand, sie zu nehmen. Jetzt hat sich nun die Bank festgeritten. Ihr eng¬ lischer Direktor soll auch in Goldminenaktien spekulirt haben. Sie hat Aktien¬ gesellschaften in der Türkei gegründet, hat aber die Aktien nur teilweise verlausen können. Die schwierige politische Lage der Türkei machte die Bank¬ notenbesitzer ängstlich, sie verlangten massenhaft die Einlösung. Die Bank löste anch ein, aber nur an einem Schalter. Sie ließ verbreiten, es sei genug Gold von Paris und London zur Einlösung vorhanden. Aber man hörte nur von der Ankunft kleiner Summen. Dann schrieb die Neue Freie Presse, das Gold gehe auf dem Seewege nach Konstantinopel! Das Gold müßte aber auch auf diesem Wege schon dort angekommen sein. Davon liest man aber noch nichts. Grenzl'oder IV 1895 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/435>, abgerufen am 04.07.2024.