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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

selbstverständlich von Rockefeller gekauft waren und schwiegen. Endlich kam
es zu offnem Aufruhr. Im Me Kean County wurde der Agent Rockefellers
des Nachts von einer vermummten Schar überfallen und erschlagen. Man schickte
sich an, die Röhrenleitungen und Eisenbahnen zu zerstören. Da fügten sich
diese scheinbar, und es wurden täglich über 50000 Faß versandt. Aber das
dauerte nicht lauge. Bald war Rockefeller wieder der einzige Käufer. Die
Standard Oil Compagnie war jetzt die einzige Besitzerin von Petroleumwagen,
sie beherrschte die Röhrenleitungen und hatte von den Bahnen sogar ihre für
Petroleum bestimmten Bahnhofseinrichtungen gepachtet; auch die terminus
taeÄitiW, d. h. die Güterschuppen, Krcchne, Maschinen und sonstigen Ein¬
richtungen der Endstationen in den Hafenplützen, die scheinbar den Eisenbahnen
gehörten, waren Eigentum der Standard Oil Compagnie und ermöglichten ihr,
jedes Faß Petroleum, das versandt wurde, zu beaufsichtige".

Man stelle sich vor, welche Summe von Wissenschaft über das, was die
"Unabhängigen" thaten oder vorbereiteten, wohl gesichtet und durchgearbeitet
von seinen tausend Angestellten, allmorgentlich auf Rockefellers Pult gelegt
wurde, und welches Übergewicht ihm diese Wissenschaft in dem wilden Treiben
der amerikanischen Börsen verschaffen mußte!

Das berühmte Jahr der großen Hauffe (1876) ist von ihm in Szene
gesetzt worden und fast nur ihm zu gute gekommen: das Petroleum stieg da¬
mals vom Frühjahr bis zum Spätherbst um etwa 25 Mark für den Zentner,
von den bisher erwähnten Summen ganz abgesehen, soll ihm dieses Jahr
allein an Differenzen 50 Millionen Dollar, also über 200 Millionen Mark,
eingebracht haben. Einen gewissen Anhalt giebt die Thatsache, daß die Standard
Oil Compagnie 1875 ein Kapital von dreiundeinhalb Millionen Dollar, im
Jahre 1882 aber, als der Standard Oil Trust ihr Vermögen übernahm, siebzig
Millionen Dollar besaß. Das sonstige Privateigentum der Teilhaber ist selbst¬
verständlich in beiden Fällen nicht eingeschlossen.

Beiläufig erwähnt, betrug das Vermögen des Trust, als er zur Standard
Oil Corporation gemacht wurde, im Jahre 1893 einhundertzweiundeinhalb
Millionen Dollar. John D. Rockefellers gesamtes "Eigentum" wurde schon
vor Jahren auf mehr als hundertfünfzig Millionen Dollar geschätzt; heute hat
er vermutlich die erste Milliarde Mark längst überschritten.

So großes Kapital muß natürlich auch aus andern Gebieten "werbend"
auftreten. Seine riesigen Unternehmungen in Grundbesitz bereiten im Westen
eine ganz unerträgliche Feudalität vor, und zur Ausfüllung seiner Mußestunden
hat er diesen Sommer den großen Nciubzug als Präsident des Ledertrusts
gemacht. Leder ist durch Masseuaufknufe um 40 bis 50 Prozent in die Höhe
getrieben worden. Wenn aber die kleinen Leute die aufgehäuften Vorräte
haben kaufen müssen, werden die Preise schon wieder fallen.




Das Petroleum

selbstverständlich von Rockefeller gekauft waren und schwiegen. Endlich kam
es zu offnem Aufruhr. Im Me Kean County wurde der Agent Rockefellers
des Nachts von einer vermummten Schar überfallen und erschlagen. Man schickte
sich an, die Röhrenleitungen und Eisenbahnen zu zerstören. Da fügten sich
diese scheinbar, und es wurden täglich über 50000 Faß versandt. Aber das
dauerte nicht lauge. Bald war Rockefeller wieder der einzige Käufer. Die
Standard Oil Compagnie war jetzt die einzige Besitzerin von Petroleumwagen,
sie beherrschte die Röhrenleitungen und hatte von den Bahnen sogar ihre für
Petroleum bestimmten Bahnhofseinrichtungen gepachtet; auch die terminus
taeÄitiW, d. h. die Güterschuppen, Krcchne, Maschinen und sonstigen Ein¬
richtungen der Endstationen in den Hafenplützen, die scheinbar den Eisenbahnen
gehörten, waren Eigentum der Standard Oil Compagnie und ermöglichten ihr,
jedes Faß Petroleum, das versandt wurde, zu beaufsichtige».

Man stelle sich vor, welche Summe von Wissenschaft über das, was die
„Unabhängigen" thaten oder vorbereiteten, wohl gesichtet und durchgearbeitet
von seinen tausend Angestellten, allmorgentlich auf Rockefellers Pult gelegt
wurde, und welches Übergewicht ihm diese Wissenschaft in dem wilden Treiben
der amerikanischen Börsen verschaffen mußte!

Das berühmte Jahr der großen Hauffe (1876) ist von ihm in Szene
gesetzt worden und fast nur ihm zu gute gekommen: das Petroleum stieg da¬
mals vom Frühjahr bis zum Spätherbst um etwa 25 Mark für den Zentner,
von den bisher erwähnten Summen ganz abgesehen, soll ihm dieses Jahr
allein an Differenzen 50 Millionen Dollar, also über 200 Millionen Mark,
eingebracht haben. Einen gewissen Anhalt giebt die Thatsache, daß die Standard
Oil Compagnie 1875 ein Kapital von dreiundeinhalb Millionen Dollar, im
Jahre 1882 aber, als der Standard Oil Trust ihr Vermögen übernahm, siebzig
Millionen Dollar besaß. Das sonstige Privateigentum der Teilhaber ist selbst¬
verständlich in beiden Fällen nicht eingeschlossen.

Beiläufig erwähnt, betrug das Vermögen des Trust, als er zur Standard
Oil Corporation gemacht wurde, im Jahre 1893 einhundertzweiundeinhalb
Millionen Dollar. John D. Rockefellers gesamtes „Eigentum" wurde schon
vor Jahren auf mehr als hundertfünfzig Millionen Dollar geschätzt; heute hat
er vermutlich die erste Milliarde Mark längst überschritten.

So großes Kapital muß natürlich auch aus andern Gebieten „werbend"
auftreten. Seine riesigen Unternehmungen in Grundbesitz bereiten im Westen
eine ganz unerträgliche Feudalität vor, und zur Ausfüllung seiner Mußestunden
hat er diesen Sommer den großen Nciubzug als Präsident des Ledertrusts
gemacht. Leder ist durch Masseuaufknufe um 40 bis 50 Prozent in die Höhe
getrieben worden. Wenn aber die kleinen Leute die aufgehäuften Vorräte
haben kaufen müssen, werden die Preise schon wieder fallen.




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[0382] Das Petroleum selbstverständlich von Rockefeller gekauft waren und schwiegen. Endlich kam es zu offnem Aufruhr. Im Me Kean County wurde der Agent Rockefellers des Nachts von einer vermummten Schar überfallen und erschlagen. Man schickte sich an, die Röhrenleitungen und Eisenbahnen zu zerstören. Da fügten sich diese scheinbar, und es wurden täglich über 50000 Faß versandt. Aber das dauerte nicht lauge. Bald war Rockefeller wieder der einzige Käufer. Die Standard Oil Compagnie war jetzt die einzige Besitzerin von Petroleumwagen, sie beherrschte die Röhrenleitungen und hatte von den Bahnen sogar ihre für Petroleum bestimmten Bahnhofseinrichtungen gepachtet; auch die terminus taeÄitiW, d. h. die Güterschuppen, Krcchne, Maschinen und sonstigen Ein¬ richtungen der Endstationen in den Hafenplützen, die scheinbar den Eisenbahnen gehörten, waren Eigentum der Standard Oil Compagnie und ermöglichten ihr, jedes Faß Petroleum, das versandt wurde, zu beaufsichtige». Man stelle sich vor, welche Summe von Wissenschaft über das, was die „Unabhängigen" thaten oder vorbereiteten, wohl gesichtet und durchgearbeitet von seinen tausend Angestellten, allmorgentlich auf Rockefellers Pult gelegt wurde, und welches Übergewicht ihm diese Wissenschaft in dem wilden Treiben der amerikanischen Börsen verschaffen mußte! Das berühmte Jahr der großen Hauffe (1876) ist von ihm in Szene gesetzt worden und fast nur ihm zu gute gekommen: das Petroleum stieg da¬ mals vom Frühjahr bis zum Spätherbst um etwa 25 Mark für den Zentner, von den bisher erwähnten Summen ganz abgesehen, soll ihm dieses Jahr allein an Differenzen 50 Millionen Dollar, also über 200 Millionen Mark, eingebracht haben. Einen gewissen Anhalt giebt die Thatsache, daß die Standard Oil Compagnie 1875 ein Kapital von dreiundeinhalb Millionen Dollar, im Jahre 1882 aber, als der Standard Oil Trust ihr Vermögen übernahm, siebzig Millionen Dollar besaß. Das sonstige Privateigentum der Teilhaber ist selbst¬ verständlich in beiden Fällen nicht eingeschlossen. Beiläufig erwähnt, betrug das Vermögen des Trust, als er zur Standard Oil Corporation gemacht wurde, im Jahre 1893 einhundertzweiundeinhalb Millionen Dollar. John D. Rockefellers gesamtes „Eigentum" wurde schon vor Jahren auf mehr als hundertfünfzig Millionen Dollar geschätzt; heute hat er vermutlich die erste Milliarde Mark längst überschritten. So großes Kapital muß natürlich auch aus andern Gebieten „werbend" auftreten. Seine riesigen Unternehmungen in Grundbesitz bereiten im Westen eine ganz unerträgliche Feudalität vor, und zur Ausfüllung seiner Mußestunden hat er diesen Sommer den großen Nciubzug als Präsident des Ledertrusts gemacht. Leder ist durch Masseuaufknufe um 40 bis 50 Prozent in die Höhe getrieben worden. Wenn aber die kleinen Leute die aufgehäuften Vorräte haben kaufen müssen, werden die Preise schon wieder fallen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/382>, abgerufen am 24.07.2024.