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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Robert Schumann und Robena Laidlaw

That sehr entsprechend ist, wenn man sich eine recht bitterböse wilde Winter¬
nacht denkt, mit Schneegestöber, Sturm usw. Wohin wird diese jetzt so arg
grassirende romantische Schule noch führen? Zwar hat sie, wer möchte es
leugnen, gar manches Geistreiche zu Tage gefördert, aber wie wenig, was man
auch seelenvoll nennen könnte usw." Im Laufe der Jahre klärte sich das
Urteil über den Wert der Phantasiestücke; heute giebt es wohl keinen Klavier¬
spieler von einiger Bedeutung, der sie nicht zum Gegenstande des Studiums
gemacht hätte.

Die Bemerkung in Schumanns Brief an Miß Laidlaw, daß es ihm
"wohl, ja glücklich" gehe, bezieht sich ohne Frage ans seine Herzensangelegen¬
heiten, in denen er damals einen entscheidenden, freilich erfolglosen Schritt
vorbereitete: die formelle Bewerbung um Klara Wieck bei ihrem Vater.
Schumanns Befürchtung wegen seiner schwer zu entziffernden Handschrift war
wvhlbegriindet. In zwei Briefen Schumanns, dem mitgeteilten und einem gleich
noch anzuschließenden, hat Miß Laidlaw, obwohl sie vortrefflich Deutsch spricht
und schreibt, nicht weniger als fünfzehn Wörter unrichtig gelesen, wie eine
Vergleichung ihrer Abschriften mit den Originalen ergab. -- Daß Anger die
junge Engländerin, deren schöne und poetische Erscheinung überall Aufsehen
erregte, mit bewundernden Blicken betrachtete, ist sehr begreiflich. Wenzel sprach
noch in seinen letzten Lebensjahren von der "bildhübschen" Dame.

Der zweite Brief Schumanns, vom 8. September, lautet:


Verehrtes Fräulein,

Vor allem sagen Sie Ihrem Herrn Vater in meinem und aller Ihrer hiesigen
Freunde Namen den schönsten Dank für die Cigarren. In meinem Leben, ich
Schwüre es Ihnen, habe ich nichts Ausgezeichneteres gesehen; wie ein Gott zwischen
seligen Wolken sitze ich oft und murmele vor mich hin: "nein zu gut!" Nun --
denken Sie sich alles.

Eben erhalte ich auch Ihr Bild und die gezeichneten Blumen. In einer
Zeit, wo die Menschen so viel versprechen, was sie nicht halten, hat Ihre Auf¬
merksamkeit für mich ordentlich etwas Erhebendes. Ich danke Ihnen herzlich für
alles und bleibe in großer Schuld. Das Bild ist übrigens mißraten in hohem
Grade. Wo wäre denn darauf etwas von den Augen, wie sie sind, und vom
blauen Sammtspenser :c. Wahrhaftig, ich achte Sie bei weitem höher als die
Lithographie.

Vieles mochte ich nun bald von Ihnen erfahren. Was spielen Sie? Was
haben Sie für die Zukunft vor? Liegt denn Leipzig außer aller Phantasie und
kommen Sie nicht bald zu uns?

Über dies alles sagen Sie mir bald ein Wort und nochmals bitte ich um
englisch.

Empfehlen Sie mich Ihren Eltern. Die Augen von Mistreß Laidlaw sehen
mich eben leibhaftig an.


Ihrergebener
Robert Schumann.
Robert Schumann und Robena Laidlaw

That sehr entsprechend ist, wenn man sich eine recht bitterböse wilde Winter¬
nacht denkt, mit Schneegestöber, Sturm usw. Wohin wird diese jetzt so arg
grassirende romantische Schule noch führen? Zwar hat sie, wer möchte es
leugnen, gar manches Geistreiche zu Tage gefördert, aber wie wenig, was man
auch seelenvoll nennen könnte usw." Im Laufe der Jahre klärte sich das
Urteil über den Wert der Phantasiestücke; heute giebt es wohl keinen Klavier¬
spieler von einiger Bedeutung, der sie nicht zum Gegenstande des Studiums
gemacht hätte.

Die Bemerkung in Schumanns Brief an Miß Laidlaw, daß es ihm
„wohl, ja glücklich" gehe, bezieht sich ohne Frage ans seine Herzensangelegen¬
heiten, in denen er damals einen entscheidenden, freilich erfolglosen Schritt
vorbereitete: die formelle Bewerbung um Klara Wieck bei ihrem Vater.
Schumanns Befürchtung wegen seiner schwer zu entziffernden Handschrift war
wvhlbegriindet. In zwei Briefen Schumanns, dem mitgeteilten und einem gleich
noch anzuschließenden, hat Miß Laidlaw, obwohl sie vortrefflich Deutsch spricht
und schreibt, nicht weniger als fünfzehn Wörter unrichtig gelesen, wie eine
Vergleichung ihrer Abschriften mit den Originalen ergab. — Daß Anger die
junge Engländerin, deren schöne und poetische Erscheinung überall Aufsehen
erregte, mit bewundernden Blicken betrachtete, ist sehr begreiflich. Wenzel sprach
noch in seinen letzten Lebensjahren von der „bildhübschen" Dame.

Der zweite Brief Schumanns, vom 8. September, lautet:


Verehrtes Fräulein,

Vor allem sagen Sie Ihrem Herrn Vater in meinem und aller Ihrer hiesigen
Freunde Namen den schönsten Dank für die Cigarren. In meinem Leben, ich
Schwüre es Ihnen, habe ich nichts Ausgezeichneteres gesehen; wie ein Gott zwischen
seligen Wolken sitze ich oft und murmele vor mich hin: „nein zu gut!" Nun —
denken Sie sich alles.

Eben erhalte ich auch Ihr Bild und die gezeichneten Blumen. In einer
Zeit, wo die Menschen so viel versprechen, was sie nicht halten, hat Ihre Auf¬
merksamkeit für mich ordentlich etwas Erhebendes. Ich danke Ihnen herzlich für
alles und bleibe in großer Schuld. Das Bild ist übrigens mißraten in hohem
Grade. Wo wäre denn darauf etwas von den Augen, wie sie sind, und vom
blauen Sammtspenser :c. Wahrhaftig, ich achte Sie bei weitem höher als die
Lithographie.

Vieles mochte ich nun bald von Ihnen erfahren. Was spielen Sie? Was
haben Sie für die Zukunft vor? Liegt denn Leipzig außer aller Phantasie und
kommen Sie nicht bald zu uns?

Über dies alles sagen Sie mir bald ein Wort und nochmals bitte ich um
englisch.

Empfehlen Sie mich Ihren Eltern. Die Augen von Mistreß Laidlaw sehen
mich eben leibhaftig an.


Ihrergebener
Robert Schumann.
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[0332] Robert Schumann und Robena Laidlaw That sehr entsprechend ist, wenn man sich eine recht bitterböse wilde Winter¬ nacht denkt, mit Schneegestöber, Sturm usw. Wohin wird diese jetzt so arg grassirende romantische Schule noch führen? Zwar hat sie, wer möchte es leugnen, gar manches Geistreiche zu Tage gefördert, aber wie wenig, was man auch seelenvoll nennen könnte usw." Im Laufe der Jahre klärte sich das Urteil über den Wert der Phantasiestücke; heute giebt es wohl keinen Klavier¬ spieler von einiger Bedeutung, der sie nicht zum Gegenstande des Studiums gemacht hätte. Die Bemerkung in Schumanns Brief an Miß Laidlaw, daß es ihm „wohl, ja glücklich" gehe, bezieht sich ohne Frage ans seine Herzensangelegen¬ heiten, in denen er damals einen entscheidenden, freilich erfolglosen Schritt vorbereitete: die formelle Bewerbung um Klara Wieck bei ihrem Vater. Schumanns Befürchtung wegen seiner schwer zu entziffernden Handschrift war wvhlbegriindet. In zwei Briefen Schumanns, dem mitgeteilten und einem gleich noch anzuschließenden, hat Miß Laidlaw, obwohl sie vortrefflich Deutsch spricht und schreibt, nicht weniger als fünfzehn Wörter unrichtig gelesen, wie eine Vergleichung ihrer Abschriften mit den Originalen ergab. — Daß Anger die junge Engländerin, deren schöne und poetische Erscheinung überall Aufsehen erregte, mit bewundernden Blicken betrachtete, ist sehr begreiflich. Wenzel sprach noch in seinen letzten Lebensjahren von der „bildhübschen" Dame. Der zweite Brief Schumanns, vom 8. September, lautet: Verehrtes Fräulein, Vor allem sagen Sie Ihrem Herrn Vater in meinem und aller Ihrer hiesigen Freunde Namen den schönsten Dank für die Cigarren. In meinem Leben, ich Schwüre es Ihnen, habe ich nichts Ausgezeichneteres gesehen; wie ein Gott zwischen seligen Wolken sitze ich oft und murmele vor mich hin: „nein zu gut!" Nun — denken Sie sich alles. Eben erhalte ich auch Ihr Bild und die gezeichneten Blumen. In einer Zeit, wo die Menschen so viel versprechen, was sie nicht halten, hat Ihre Auf¬ merksamkeit für mich ordentlich etwas Erhebendes. Ich danke Ihnen herzlich für alles und bleibe in großer Schuld. Das Bild ist übrigens mißraten in hohem Grade. Wo wäre denn darauf etwas von den Augen, wie sie sind, und vom blauen Sammtspenser :c. Wahrhaftig, ich achte Sie bei weitem höher als die Lithographie. Vieles mochte ich nun bald von Ihnen erfahren. Was spielen Sie? Was haben Sie für die Zukunft vor? Liegt denn Leipzig außer aller Phantasie und kommen Sie nicht bald zu uns? Über dies alles sagen Sie mir bald ein Wort und nochmals bitte ich um englisch. Empfehlen Sie mich Ihren Eltern. Die Augen von Mistreß Laidlaw sehen mich eben leibhaftig an. Ihrergebener Robert Schumann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/332>, abgerufen am 04.07.2024.