Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Robert Schumann und Robena Taidlciw brief, ohne Empfehlung irgendwelcher Art antraten. Keine einzige der da¬ *) Bis zum Schluß der zehnjährigen Redaktlousführung Schumanns (Juli 1844) waren sechsundvierzig Werke von Schumann erschienen, von denen nur fünf in der Neuen Zeitschrift besprochen worden sind: Opus 10 von Schumann selbst, Opus 11 von Moscheles (1836), Opus 13 von C, F. Becker, Opus 14 von Moscheles (1837) und Opus 6 von Sobolewski (1833), Außerdem führte Schumann im Jahre 1835 die Werte 2, 4 und S, 1843 die L-aur-Shmphonie gelegentlich als erschienen mit aus. Das ist alles. Seine Zeitschrift our eben "für andre da," und das Belebenwollen der öffentlichen Meinung durch den Künstler selbst (so schrieb er an Keferstein) war ihm verhaßt; "lors stark ist, dringt schon dnrch." Heute kennen wir den Menschen und Künstler Schumann genau genug, um darüber lächeln S" können, daß der schreibselige I. C. Lobe noch im Jahre 186" (Musikalische Briefe eines Wohlbekannten, S. 263) als "Wahrheit" hinzustellen wagte, Schumann habe "die Höhe des Ruhmes, die er einnahm, unverdient eingenommen," nicht durch eigne Kraft, sondern durch die Federn und Journale einer "schamlosen Kvterie" dahin gehoben! Grenzboten IV 1895 42
Robert Schumann und Robena Taidlciw brief, ohne Empfehlung irgendwelcher Art antraten. Keine einzige der da¬ *) Bis zum Schluß der zehnjährigen Redaktlousführung Schumanns (Juli 1844) waren sechsundvierzig Werke von Schumann erschienen, von denen nur fünf in der Neuen Zeitschrift besprochen worden sind: Opus 10 von Schumann selbst, Opus 11 von Moscheles (1836), Opus 13 von C, F. Becker, Opus 14 von Moscheles (1837) und Opus 6 von Sobolewski (1833), Außerdem führte Schumann im Jahre 1835 die Werte 2, 4 und S, 1843 die L-aur-Shmphonie gelegentlich als erschienen mit aus. Das ist alles. Seine Zeitschrift our eben „für andre da," und das Belebenwollen der öffentlichen Meinung durch den Künstler selbst (so schrieb er an Keferstein) war ihm verhaßt; „lors stark ist, dringt schon dnrch." Heute kennen wir den Menschen und Künstler Schumann genau genug, um darüber lächeln S" können, daß der schreibselige I. C. Lobe noch im Jahre 186» (Musikalische Briefe eines Wohlbekannten, S. 263) als „Wahrheit" hinzustellen wagte, Schumann habe „die Höhe des Ruhmes, die er einnahm, unverdient eingenommen," nicht durch eigne Kraft, sondern durch die Federn und Journale einer „schamlosen Kvterie" dahin gehoben! Grenzboten IV 1895 42
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Robert Schumann und Robena Taidlciw
brief, ohne Empfehlung irgendwelcher Art antraten. Keine einzige der da¬
maligen fünf Musikzeitnngen (Iris, Cäcilia, Allgemeine musikalische Zeitung,
Wiener Anzeiger und Neue Zeitschrift^) hat eine Besprechung davon gebracht;
auch in den belletristischen Blättern (Komet, Elegante Zeitung, Europa, Eisen¬
bahn, Ost und West, Morgenblatt usw.), die von Zeit zu Zeit auf musikalischen
Gebiet Umschau hielten, findet sich keine Erwähnung. Zum erstenmal öffent¬
lich vorgetragen wurden sie — wenn man von Henselt absieht, der Ur. 1
„Des Abends" um 11. Januar 1838 in Dresden spielte — von Miß Laidlaw
und zwar „Des Abends," „Grillen" und „In der Nacht" im Winter 1838.
Die Aufnahme beim Publikum war nicht eben ermunternd, wie aus den
Zeitungsberichten zu entnehmen ist. Die Berliner Nachrichten (Dezember 1838)
bezeichneten „Des Abends" und „In der Nacht" als zwei „eigentümlich
modulirende, interessante" Stücke. Rellstab (Berlinische Zeitung) beschränkte sich
auf die Bemerkung, „In der Nacht" habe einige Verwandtschaft mit Beethovens
! vorher gespielter l^-moll-Monate und „benutze das Instrument auf ähnliche
Art." Die Hamburger Neue Zeitung (Januar 1839) schrieb: „Ein düsterer,
leidenschaftlicher Charakter tritt uns beim Hören dieses eigentümlichen Stückes
entgegen. Wie ein Stern zuweilen ans dunkeln Wolken hervorblickt, so über¬
raschte in der Mitte dieser geistreich gehaltenen Komposition eine tief zum
Herzen sprechende Melodie." Die Hamburger Nachrichten: „Nur hinsichtlich
der Thalbergschen Fantasie ist einzuräumen, daß sie nach Form und Inhalt
sür den öffentlichen Vortrag sich eigne; während die übrigen Musikstücke,
namentlich das von R. Schumann, zwar alle Schwierigkeiten der modernen
Etüden in sich vereinigen, daneben aber auch in zu beträchtlichem Grade an
einer sür das Ohr des Kenners und Nichtkenners gleich unerquickliche,? Trocken¬
heit und Einförmigkeit laboriren. . . . Unter den vorgetragnen Sachen fand
die Phantasie von Schumann gar keinen, die von Thalberg dagegen lauten
und einstimmigen Beifall." Der Freischütz: „Gar wunderlich ist die Phantasie
von Schumann. Sie führt den Titel »In der Nacht,« ein Titel, der in der
*) Bis zum Schluß der zehnjährigen Redaktlousführung Schumanns (Juli 1844) waren
sechsundvierzig Werke von Schumann erschienen, von denen nur fünf in der Neuen Zeitschrift
besprochen worden sind: Opus 10 von Schumann selbst, Opus 11 von Moscheles (1836),
Opus 13 von C, F. Becker, Opus 14 von Moscheles (1837) und Opus 6 von Sobolewski
(1833), Außerdem führte Schumann im Jahre 1835 die Werte 2, 4 und S, 1843
die L-aur-Shmphonie gelegentlich als erschienen mit aus. Das ist alles. Seine Zeitschrift
our eben „für andre da," und das Belebenwollen der öffentlichen Meinung durch den Künstler
selbst (so schrieb er an Keferstein) war ihm verhaßt; „lors stark ist, dringt schon dnrch."
Heute kennen wir den Menschen und Künstler Schumann genau genug, um darüber lächeln
S" können, daß der schreibselige I. C. Lobe noch im Jahre 186» (Musikalische Briefe eines
Wohlbekannten, S. 263) als „Wahrheit" hinzustellen wagte, Schumann habe „die Höhe des
Ruhmes, die er einnahm, unverdient eingenommen," nicht durch eigne Kraft, sondern durch
die Federn und Journale einer „schamlosen Kvterie" dahin gehoben!
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