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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Robert Schumann und Robena Laidlaw

weil das "weicher und musikalischer" klinge. Daher liest man auf den Phautasie-
stücken Anna Nobena Lciidlaw. (Der Hauptname ist unabsichlich mit einem v
geschrieben.)

Auch ihre Mutter hielt viel von Schumann. "Sie hatte nur sehr wenig
Deutsch gelernt -- lese" und schreiben konnte sie es gar nicht --, aber sie
plauderte zuweilen englisch mit ihm, weil er Vergnügen daran fand und auch
ziemlich gut damit fertig wurde."

Miß Laidlaw erwähnt anch zwei Familienbekanntschaften, die sie in Leipzig
gemacht hat. Schumann führte sie bei dem ihm befreundeten Buchhändler
Robert Friese ein, in dessen traulicher Häuslichkeit sie sich sehr heimisch fühlte.
"Beide, Frau und Gatte, waren reizende, gutherzige Menschen, deren ich mich
mit Liebe und Dankbarkeit erinnere." Richard Wagner (der am 11. Februar
1837 in Königsberg das von ihr gespickte Ls-cKrr-Konzert von Beethoven,
das in ^is-moll von Ries und eine Phantasie von Pixis dirigirte) hatte ihr
eine Empfehlungskarte an seiue Schwester, Frau Brockhaus, mitgegeben. "Ich
erinnere mich eines mir zu Ehren gegebnen Diners dort, wo von diesen freund¬
lichen Leuten und ihrer Gesellschaft auf meinen Erfolg getrunken und meine
"Erhebung" vou einer herzoglichen zu einer königlichen Pianistin gefeiert
wurde." (Der Herzog von Cumberland war seit dem 20. Juni 1837 König
von Hannover.)

Das Konzert Miß Laidlaws fand Sonntag den 2. Juli, vormittags 11 Uhr
-- also zu sehr ungünstiger Tageszeit ^- im Gewandhause statt. Sie spielte
Adagio und Rondo aus dem Öls-moU-Konzert von Nies, Etüden von L. Berger,
Gcistcrtcmz von Hiller, Oinoll-Etude (aus Opus 10) von Chopin und Varia¬
tionen über einen Marsch aus Othello von Herz. Schumann berichtete dar¬
über am 7. Juli in seiner Zeitschrift: "Ein so gründlich gutes und eigentüm¬
liches Spiel, wie Miß Laidlaw in ihrer Morgenunterhaltung vorigen Sonntag
zeigte, verdiente den lebhaftesten Beifall, wären die meisten Menschen über¬
haupt in der Frühe für Musik empfänglich. Dann lag es auch an der Wahl
der Stücke, die nichts auffallend Glänzendes hatten; namentlich scheinen die
Etüden von Berger, so treffliche Kompositionen sie sind, zu bescheiden zur
öffentlichen Ausstellung. Die Künstlerin, in deren Bildung sich neben eng¬
lischer Tüchtigkeit die natürlichste Liebenswürdigkeit ausspricht, wird allen, die
sie näher kennen lernten, im wertesten Andenken bleiben."

Dem Konzert schloß sich ein heiteres Mittagsmahl an, das Schumann
im Hotel de Bavivre veranstaltet hatte, und woran außer den mitwirkenden
Künstlern auch Dr. Reuter, Walther v. Goethe, Dr. Monicke, Wenzel und
Anger*) (der Hammermeisters Gesang begleitet hatte) teilnahmen. Gleich nach



*) Louis Anger, Sohn eines armen Bergmanns zu Andreasberg im Harz, war seit
1836 Musiklehrer in Leipzig, 1842 bis 1870 Organist in Lüneburg.
Robert Schumann und Robena Laidlaw

weil das „weicher und musikalischer" klinge. Daher liest man auf den Phautasie-
stücken Anna Nobena Lciidlaw. (Der Hauptname ist unabsichlich mit einem v
geschrieben.)

Auch ihre Mutter hielt viel von Schumann. „Sie hatte nur sehr wenig
Deutsch gelernt — lese» und schreiben konnte sie es gar nicht —, aber sie
plauderte zuweilen englisch mit ihm, weil er Vergnügen daran fand und auch
ziemlich gut damit fertig wurde."

Miß Laidlaw erwähnt anch zwei Familienbekanntschaften, die sie in Leipzig
gemacht hat. Schumann führte sie bei dem ihm befreundeten Buchhändler
Robert Friese ein, in dessen traulicher Häuslichkeit sie sich sehr heimisch fühlte.
„Beide, Frau und Gatte, waren reizende, gutherzige Menschen, deren ich mich
mit Liebe und Dankbarkeit erinnere." Richard Wagner (der am 11. Februar
1837 in Königsberg das von ihr gespickte Ls-cKrr-Konzert von Beethoven,
das in ^is-moll von Ries und eine Phantasie von Pixis dirigirte) hatte ihr
eine Empfehlungskarte an seiue Schwester, Frau Brockhaus, mitgegeben. „Ich
erinnere mich eines mir zu Ehren gegebnen Diners dort, wo von diesen freund¬
lichen Leuten und ihrer Gesellschaft auf meinen Erfolg getrunken und meine
»Erhebung« vou einer herzoglichen zu einer königlichen Pianistin gefeiert
wurde." (Der Herzog von Cumberland war seit dem 20. Juni 1837 König
von Hannover.)

Das Konzert Miß Laidlaws fand Sonntag den 2. Juli, vormittags 11 Uhr
— also zu sehr ungünstiger Tageszeit ^- im Gewandhause statt. Sie spielte
Adagio und Rondo aus dem Öls-moU-Konzert von Nies, Etüden von L. Berger,
Gcistcrtcmz von Hiller, Oinoll-Etude (aus Opus 10) von Chopin und Varia¬
tionen über einen Marsch aus Othello von Herz. Schumann berichtete dar¬
über am 7. Juli in seiner Zeitschrift: „Ein so gründlich gutes und eigentüm¬
liches Spiel, wie Miß Laidlaw in ihrer Morgenunterhaltung vorigen Sonntag
zeigte, verdiente den lebhaftesten Beifall, wären die meisten Menschen über¬
haupt in der Frühe für Musik empfänglich. Dann lag es auch an der Wahl
der Stücke, die nichts auffallend Glänzendes hatten; namentlich scheinen die
Etüden von Berger, so treffliche Kompositionen sie sind, zu bescheiden zur
öffentlichen Ausstellung. Die Künstlerin, in deren Bildung sich neben eng¬
lischer Tüchtigkeit die natürlichste Liebenswürdigkeit ausspricht, wird allen, die
sie näher kennen lernten, im wertesten Andenken bleiben."

Dem Konzert schloß sich ein heiteres Mittagsmahl an, das Schumann
im Hotel de Bavivre veranstaltet hatte, und woran außer den mitwirkenden
Künstlern auch Dr. Reuter, Walther v. Goethe, Dr. Monicke, Wenzel und
Anger*) (der Hammermeisters Gesang begleitet hatte) teilnahmen. Gleich nach



*) Louis Anger, Sohn eines armen Bergmanns zu Andreasberg im Harz, war seit
1836 Musiklehrer in Leipzig, 1842 bis 1870 Organist in Lüneburg.
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[0328] Robert Schumann und Robena Laidlaw weil das „weicher und musikalischer" klinge. Daher liest man auf den Phautasie- stücken Anna Nobena Lciidlaw. (Der Hauptname ist unabsichlich mit einem v geschrieben.) Auch ihre Mutter hielt viel von Schumann. „Sie hatte nur sehr wenig Deutsch gelernt — lese» und schreiben konnte sie es gar nicht —, aber sie plauderte zuweilen englisch mit ihm, weil er Vergnügen daran fand und auch ziemlich gut damit fertig wurde." Miß Laidlaw erwähnt anch zwei Familienbekanntschaften, die sie in Leipzig gemacht hat. Schumann führte sie bei dem ihm befreundeten Buchhändler Robert Friese ein, in dessen traulicher Häuslichkeit sie sich sehr heimisch fühlte. „Beide, Frau und Gatte, waren reizende, gutherzige Menschen, deren ich mich mit Liebe und Dankbarkeit erinnere." Richard Wagner (der am 11. Februar 1837 in Königsberg das von ihr gespickte Ls-cKrr-Konzert von Beethoven, das in ^is-moll von Ries und eine Phantasie von Pixis dirigirte) hatte ihr eine Empfehlungskarte an seiue Schwester, Frau Brockhaus, mitgegeben. „Ich erinnere mich eines mir zu Ehren gegebnen Diners dort, wo von diesen freund¬ lichen Leuten und ihrer Gesellschaft auf meinen Erfolg getrunken und meine »Erhebung« vou einer herzoglichen zu einer königlichen Pianistin gefeiert wurde." (Der Herzog von Cumberland war seit dem 20. Juni 1837 König von Hannover.) Das Konzert Miß Laidlaws fand Sonntag den 2. Juli, vormittags 11 Uhr — also zu sehr ungünstiger Tageszeit ^- im Gewandhause statt. Sie spielte Adagio und Rondo aus dem Öls-moU-Konzert von Nies, Etüden von L. Berger, Gcistcrtcmz von Hiller, Oinoll-Etude (aus Opus 10) von Chopin und Varia¬ tionen über einen Marsch aus Othello von Herz. Schumann berichtete dar¬ über am 7. Juli in seiner Zeitschrift: „Ein so gründlich gutes und eigentüm¬ liches Spiel, wie Miß Laidlaw in ihrer Morgenunterhaltung vorigen Sonntag zeigte, verdiente den lebhaftesten Beifall, wären die meisten Menschen über¬ haupt in der Frühe für Musik empfänglich. Dann lag es auch an der Wahl der Stücke, die nichts auffallend Glänzendes hatten; namentlich scheinen die Etüden von Berger, so treffliche Kompositionen sie sind, zu bescheiden zur öffentlichen Ausstellung. Die Künstlerin, in deren Bildung sich neben eng¬ lischer Tüchtigkeit die natürlichste Liebenswürdigkeit ausspricht, wird allen, die sie näher kennen lernten, im wertesten Andenken bleiben." Dem Konzert schloß sich ein heiteres Mittagsmahl an, das Schumann im Hotel de Bavivre veranstaltet hatte, und woran außer den mitwirkenden Künstlern auch Dr. Reuter, Walther v. Goethe, Dr. Monicke, Wenzel und Anger*) (der Hammermeisters Gesang begleitet hatte) teilnahmen. Gleich nach *) Louis Anger, Sohn eines armen Bergmanns zu Andreasberg im Harz, war seit 1836 Musiklehrer in Leipzig, 1842 bis 1870 Organist in Lüneburg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/328>, abgerufen am 24.07.2024.