Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Die reine Interessenvertretung nicht an die Scholle gebunden wie die Landwirtschaft, was sein Lebenselement Das Schema sieht gar nicht so gefährlich aus, wenn man bedenkt, daß Da ist nun noch etwas, was unsre zukünftige Entwicklung wesentlich mit Die reine Interessenvertretung nicht an die Scholle gebunden wie die Landwirtschaft, was sein Lebenselement Das Schema sieht gar nicht so gefährlich aus, wenn man bedenkt, daß Da ist nun noch etwas, was unsre zukünftige Entwicklung wesentlich mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221290"/> <fw type="header" place="top"> Die reine Interessenvertretung</fw><lb/> <p xml:id="ID_991" prev="#ID_990"> nicht an die Scholle gebunden wie die Landwirtschaft, was sein Lebenselement<lb/> hat nicht in einer Stadt, sondern in der Stadt, mit einem Wort: das ge¬<lb/> bildete Bürgertum. Diese Form der Volksvertretung ergübe das folgende,<lb/> leidlich einfache Schema:</p><lb/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341861_220975/figures/grenzboten_341861_220975_221290_003.jpg"/><lb/> <p xml:id="ID_992"> Das Schema sieht gar nicht so gefährlich aus, wenn man bedenkt, daß<lb/> die mittlere Gruppe jeder andern allein an Stärke weit überlegen sein müßte.<lb/> Alles käme also darauf an, ob sich das gebildete Bürgertum zu einer großen<lb/> Partei zusammenfassen ließe. So leicht nun wohl nicht! Man denke nur an<lb/> die konfessionellen Gegensätze. Aber die sollten mit der Zeit doch auch über¬<lb/> wunden werden, und wenn erst die andern Interessengruppen in Wirksamkeit<lb/> träten, so würde die Not das Bürgertum wohl zwingen, in unwesentlichen<lb/> Dingen Freiheit der Anschauung zu lassen und sich wenigstens in gewissen großen<lb/> Fragen zur Abwehr zusammenzuschließen. Nichts aber bringt die Menschen<lb/> einander näher, als der Verteidignngskcnnpf gegen einen gemeinsamen Gegner.</p><lb/> <p xml:id="ID_993"> Da ist nun noch etwas, was unsre zukünftige Entwicklung wesentlich mit<lb/> bestimmen konnte, jener zweite Machtfaktor nämlich, der Bundesrat. Der<lb/> Bundesrat ist das glücklichste aller Ministerien, insofern als ihm kein Par¬<lb/> lament und kein fürstlicher Einzelwille das Dasein trüben kann. Das hat diese<lb/> Körperschaft als Ganzes wohl etwas bequem gemacht, um nicht zu sagen träge,<lb/> und ans sich selbst heraus wird sie sich schwerlich ändern. Wie weit Än¬<lb/> derungen persönlicher Natur auch seine Zusammensetzung anders gestalten<lb/> könnten, wer will das vorhersagen? Aber man darf vielleicht daran erinnern,<lb/> daß derselbe Sachverständige, der kürzlich die reine Interessenpolitik empfahl,<lb/> auch einmal geäußert hat, er habe von den kleinern deutschen Fürsten eigentlich<lb/> eine stärkere Einwirkung auf die Reichspolitik erwartet. Und die wäre doch nur<lb/> im Bundesrate möglich.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Die reine Interessenvertretung
nicht an die Scholle gebunden wie die Landwirtschaft, was sein Lebenselement
hat nicht in einer Stadt, sondern in der Stadt, mit einem Wort: das ge¬
bildete Bürgertum. Diese Form der Volksvertretung ergübe das folgende,
leidlich einfache Schema:
[Abbildung]
Das Schema sieht gar nicht so gefährlich aus, wenn man bedenkt, daß
die mittlere Gruppe jeder andern allein an Stärke weit überlegen sein müßte.
Alles käme also darauf an, ob sich das gebildete Bürgertum zu einer großen
Partei zusammenfassen ließe. So leicht nun wohl nicht! Man denke nur an
die konfessionellen Gegensätze. Aber die sollten mit der Zeit doch auch über¬
wunden werden, und wenn erst die andern Interessengruppen in Wirksamkeit
träten, so würde die Not das Bürgertum wohl zwingen, in unwesentlichen
Dingen Freiheit der Anschauung zu lassen und sich wenigstens in gewissen großen
Fragen zur Abwehr zusammenzuschließen. Nichts aber bringt die Menschen
einander näher, als der Verteidignngskcnnpf gegen einen gemeinsamen Gegner.
Da ist nun noch etwas, was unsre zukünftige Entwicklung wesentlich mit
bestimmen konnte, jener zweite Machtfaktor nämlich, der Bundesrat. Der
Bundesrat ist das glücklichste aller Ministerien, insofern als ihm kein Par¬
lament und kein fürstlicher Einzelwille das Dasein trüben kann. Das hat diese
Körperschaft als Ganzes wohl etwas bequem gemacht, um nicht zu sagen träge,
und ans sich selbst heraus wird sie sich schwerlich ändern. Wie weit Än¬
derungen persönlicher Natur auch seine Zusammensetzung anders gestalten
könnten, wer will das vorhersagen? Aber man darf vielleicht daran erinnern,
daß derselbe Sachverständige, der kürzlich die reine Interessenpolitik empfahl,
auch einmal geäußert hat, er habe von den kleinern deutschen Fürsten eigentlich
eine stärkere Einwirkung auf die Reichspolitik erwartet. Und die wäre doch nur
im Bundesrate möglich.
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