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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Lukas Lrcmachs Holzschnitte und Rupfersticht

Aber auch das schöne Blatt "Christus und die Samariterin am Brunnen"
läßt sich vielleicht datiren. Es trägt an einem Stein des Brunnens die un-
gewöhnliche Bezeichnung 1^ V L, während andre Blätter immer nur mit l^
bezeichnet sind. Daß Cranach damit seinen Vornamen Lucas habe abkürzen
wollen, ist nicht recht wahrscheinlich; wahrscheinlicher ist, daß es "Lucas von
Cranach" heißen soll. Nun erhielt Cranach von Friedrich dem Weisen seinen
Wappenbrief zu Neujahr 1508.*) Er hat zwar von seiner Standeserhöhung nie
Gebrauch gemacht, sondern ist immer bei seinem bürgerlichen "Lucas Cranach"
geblieben. Es wäre aber doch möglich, daß er sich anfangs, um den Kurfürsten
nicht zu kranken, einmal "von Cranach" genannt hätte, so wie in seinem Wappen¬
briefe steht. Dann würde dieses Blatt in das Jahr 1508 gehöre". Doch
möchte ich die Sache nicht für sicher ausgeben.

Das dritte Blatt, das sich datiren läßt, ist das herrliche Bildnis Luthers
als "Junker Georg" mit dem Barte. Es ist aus keinen Fall erst nach Luthers
Rückkehr von der Wartburg (im März 1522) gezeichnet, denn da wird Luther
sofort die ritterliche Verkleidung abgeworfen haben, da er schon am nächsten
Tage die Kanzel bestieg. Unzweifelhaft ist es schon im Dezember 1521 ent¬
standen, als Luther von der Wartburg aus heimlich auf einige Tage Wittenberg
besuchte. Auf diesen Besuch bezieht sich die bekannte Erzählung, daß er Cranach
habe rufen lassen, es sei ein fremder Junker da, den er abkonterfeien solle.
Auch die Unterschrift, die die frühesten Abdrücke des Bildes tragen:


Huf.k3nu" tot-ion, wiins t'ibi Norm" xotiws
für "Ao per LIKristnm vivo I^>Ain-"s ^dkuo.

sagt nur, daß er noch lebe, wogegen später Abdrücke verbreitet wurden, ans
denen es heißt, so habe er ausgesehen, als er 1522 von Palaos nach Witten¬
berg zurückgekehrt sei (rsvsrsus <zx ?g,t>June> MtwudvrMm ^.imo vom. 1522).
Die Zeit jenes Besuchs aber ist genau bekannt, sie fällt in den Anfang De¬
zember 1521; am 3. Dezember kam Luther durch Leipzig, eine Woche später
nochmals.

Von den acht Kupferstichen ist nur eiuer uudatirt; von den datirten sind
zwei von 1509, einer von 1510, drei von 1520, eiuer von 1521. Die sämt¬
lichen datirten Blätter also drängen sich in die siebzehn Jahre von 1505 bis
1521 zusammen, in die Zeit vom dreiuuddreißigsten bis zum ueunundvierzigsteu
Lebensjahre Crcmachs. Aus derselben Zeit ist das Wittenberger Heiligtums¬
buch (1509) und das Passivual Christi und Autichristi (1521)/ Aber auch die



In dem Dntmn des Wappcnbricfs steht überall, wo er abgedruckt ist, ein Fehler. Er
soll ausgestellt sei" "am Dienstag der heiligen Dreier König Tag" 1S03, Dreikimigstng
(der K. Januar) fiel aber 1SV8 aus einen Donnerstag. Wahrscheinlich steht also im Original
"Dornstag," was man für Dienstag gelesen hat.
Lukas Lrcmachs Holzschnitte und Rupfersticht

Aber auch das schöne Blatt „Christus und die Samariterin am Brunnen"
läßt sich vielleicht datiren. Es trägt an einem Stein des Brunnens die un-
gewöhnliche Bezeichnung 1^ V L, während andre Blätter immer nur mit l^
bezeichnet sind. Daß Cranach damit seinen Vornamen Lucas habe abkürzen
wollen, ist nicht recht wahrscheinlich; wahrscheinlicher ist, daß es „Lucas von
Cranach" heißen soll. Nun erhielt Cranach von Friedrich dem Weisen seinen
Wappenbrief zu Neujahr 1508.*) Er hat zwar von seiner Standeserhöhung nie
Gebrauch gemacht, sondern ist immer bei seinem bürgerlichen „Lucas Cranach"
geblieben. Es wäre aber doch möglich, daß er sich anfangs, um den Kurfürsten
nicht zu kranken, einmal „von Cranach" genannt hätte, so wie in seinem Wappen¬
briefe steht. Dann würde dieses Blatt in das Jahr 1508 gehöre». Doch
möchte ich die Sache nicht für sicher ausgeben.

Das dritte Blatt, das sich datiren läßt, ist das herrliche Bildnis Luthers
als „Junker Georg" mit dem Barte. Es ist aus keinen Fall erst nach Luthers
Rückkehr von der Wartburg (im März 1522) gezeichnet, denn da wird Luther
sofort die ritterliche Verkleidung abgeworfen haben, da er schon am nächsten
Tage die Kanzel bestieg. Unzweifelhaft ist es schon im Dezember 1521 ent¬
standen, als Luther von der Wartburg aus heimlich auf einige Tage Wittenberg
besuchte. Auf diesen Besuch bezieht sich die bekannte Erzählung, daß er Cranach
habe rufen lassen, es sei ein fremder Junker da, den er abkonterfeien solle.
Auch die Unterschrift, die die frühesten Abdrücke des Bildes tragen:


Huf.k3nu» tot-ion, wiins t'ibi Norm» xotiws
für «Ao per LIKristnm vivo I^>Ain-»s ^dkuo.

sagt nur, daß er noch lebe, wogegen später Abdrücke verbreitet wurden, ans
denen es heißt, so habe er ausgesehen, als er 1522 von Palaos nach Witten¬
berg zurückgekehrt sei (rsvsrsus <zx ?g,t>June> MtwudvrMm ^.imo vom. 1522).
Die Zeit jenes Besuchs aber ist genau bekannt, sie fällt in den Anfang De¬
zember 1521; am 3. Dezember kam Luther durch Leipzig, eine Woche später
nochmals.

Von den acht Kupferstichen ist nur eiuer uudatirt; von den datirten sind
zwei von 1509, einer von 1510, drei von 1520, eiuer von 1521. Die sämt¬
lichen datirten Blätter also drängen sich in die siebzehn Jahre von 1505 bis
1521 zusammen, in die Zeit vom dreiuuddreißigsten bis zum ueunundvierzigsteu
Lebensjahre Crcmachs. Aus derselben Zeit ist das Wittenberger Heiligtums¬
buch (1509) und das Passivual Christi und Autichristi (1521)/ Aber auch die



In dem Dntmn des Wappcnbricfs steht überall, wo er abgedruckt ist, ein Fehler. Er
soll ausgestellt sei» „am Dienstag der heiligen Dreier König Tag" 1S03, Dreikimigstng
(der K. Januar) fiel aber 1SV8 aus einen Donnerstag. Wahrscheinlich steht also im Original
„Dornstag," was man für Dienstag gelesen hat.
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[0294] Lukas Lrcmachs Holzschnitte und Rupfersticht Aber auch das schöne Blatt „Christus und die Samariterin am Brunnen" läßt sich vielleicht datiren. Es trägt an einem Stein des Brunnens die un- gewöhnliche Bezeichnung 1^ V L, während andre Blätter immer nur mit l^ bezeichnet sind. Daß Cranach damit seinen Vornamen Lucas habe abkürzen wollen, ist nicht recht wahrscheinlich; wahrscheinlicher ist, daß es „Lucas von Cranach" heißen soll. Nun erhielt Cranach von Friedrich dem Weisen seinen Wappenbrief zu Neujahr 1508.*) Er hat zwar von seiner Standeserhöhung nie Gebrauch gemacht, sondern ist immer bei seinem bürgerlichen „Lucas Cranach" geblieben. Es wäre aber doch möglich, daß er sich anfangs, um den Kurfürsten nicht zu kranken, einmal „von Cranach" genannt hätte, so wie in seinem Wappen¬ briefe steht. Dann würde dieses Blatt in das Jahr 1508 gehöre». Doch möchte ich die Sache nicht für sicher ausgeben. Das dritte Blatt, das sich datiren läßt, ist das herrliche Bildnis Luthers als „Junker Georg" mit dem Barte. Es ist aus keinen Fall erst nach Luthers Rückkehr von der Wartburg (im März 1522) gezeichnet, denn da wird Luther sofort die ritterliche Verkleidung abgeworfen haben, da er schon am nächsten Tage die Kanzel bestieg. Unzweifelhaft ist es schon im Dezember 1521 ent¬ standen, als Luther von der Wartburg aus heimlich auf einige Tage Wittenberg besuchte. Auf diesen Besuch bezieht sich die bekannte Erzählung, daß er Cranach habe rufen lassen, es sei ein fremder Junker da, den er abkonterfeien solle. Auch die Unterschrift, die die frühesten Abdrücke des Bildes tragen: Huf.k3nu» tot-ion, wiins t'ibi Norm» xotiws für «Ao per LIKristnm vivo I^>Ain-»s ^dkuo. sagt nur, daß er noch lebe, wogegen später Abdrücke verbreitet wurden, ans denen es heißt, so habe er ausgesehen, als er 1522 von Palaos nach Witten¬ berg zurückgekehrt sei (rsvsrsus <zx ?g,t>June> MtwudvrMm ^.imo vom. 1522). Die Zeit jenes Besuchs aber ist genau bekannt, sie fällt in den Anfang De¬ zember 1521; am 3. Dezember kam Luther durch Leipzig, eine Woche später nochmals. Von den acht Kupferstichen ist nur eiuer uudatirt; von den datirten sind zwei von 1509, einer von 1510, drei von 1520, eiuer von 1521. Die sämt¬ lichen datirten Blätter also drängen sich in die siebzehn Jahre von 1505 bis 1521 zusammen, in die Zeit vom dreiuuddreißigsten bis zum ueunundvierzigsteu Lebensjahre Crcmachs. Aus derselben Zeit ist das Wittenberger Heiligtums¬ buch (1509) und das Passivual Christi und Autichristi (1521)/ Aber auch die In dem Dntmn des Wappcnbricfs steht überall, wo er abgedruckt ist, ein Fehler. Er soll ausgestellt sei» „am Dienstag der heiligen Dreier König Tag" 1S03, Dreikimigstng (der K. Januar) fiel aber 1SV8 aus einen Donnerstag. Wahrscheinlich steht also im Original „Dornstag," was man für Dienstag gelesen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/294>, abgerufen am 06.02.2025.