Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Die Angriffe auf die Grenzboten Es ist ein jämmerliches Schauspiel den Ah Mole -- dieses Jahrhunderts! Und unter dem Reiche verstehen wir nicht die allein, die auf seiner Höhe Deshalb, weil wir die Liebe zum Vaterlande so tief fassen, daß wir für Die Angriffe auf die Grenzboten Es ist ein jämmerliches Schauspiel den Ah Mole — dieses Jahrhunderts! Und unter dem Reiche verstehen wir nicht die allein, die auf seiner Höhe Deshalb, weil wir die Liebe zum Vaterlande so tief fassen, daß wir für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221235"/> <fw type="header" place="top"> Die Angriffe auf die Grenzboten</fw><lb/> <p xml:id="ID_826"> Es ist ein jämmerliches Schauspiel den Ah Mole — dieses Jahrhunderts!<lb/> wenn man sieht, wie es allein der eigne Vorteil ist, was diese Patrioten in<lb/> die Gefolgschaft des Fürsten führt. Wir bedauern den Fürsten um dieser Gefolg¬<lb/> schaft willen, wir bedauern, daß er sich von ihr vorwärtsdrängen läßt, vom Volke<lb/> ab. Es ist uns leid als alten Bismarckianern und den treuesten Bismarckiancrn,<lb/> es auszusprechen, aber wir sagen es: daß wir uns für bismarckisch halten<lb/> mehr als jeden, der jetzt auf seinen Namen pocht, wenn wir uns seitab stellen<lb/> von seinen Leuten. Eins steht uns eben höher als alles andre, als alte<lb/> Liebe und altes Vasallentum, das sind Kaiser und Reich.</p><lb/> <p xml:id="ID_827"> Und unter dem Reiche verstehen wir nicht die allein, die auf seiner Höhe<lb/> stehen, sondern das ganze Volk, und wir halten es für einen vaterlands¬<lb/> verräterischen Frevel, wie von den Sozialdemokraten, so von deuen oben, wenn<lb/> sie in dieses Volk eine Zweiheit, wenn sie es mit seinem Kaiser in Zwiespalt<lb/> zu bringen suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_828"> Deshalb, weil wir die Liebe zum Vaterlande so tief fassen, daß wir für<lb/> unsers ganzen Volkes Wohl erglühen, ihm in allen seinen Schichten die freie<lb/> Entwicklung seiner herrlichen Gaben wahren wollen, möchten uns die mit<lb/> den Vaterlandslosen zusammenwerfen, die nur die Schicht, die Klasse, die<lb/> Clique lieben, der sie angehören. Weil wir die Deutschen weder mammonistisch<lb/> entarten uoch proletarisch verkommen lassen wollen, erregt unsre Sprache die<lb/> Furcht und den Haß derer, die den Patriotismus nur für die Reichen und<lb/> Gebildete» in Anspruch nehmen möchten. Sie erschrecken vor jedem freien<lb/> Wort aus der Tiefe herauf, wir aber halten uns für gute Deutsche und<lb/> Christen, wenn wir uns darüber freuen, daß es auch dort unten noch Leute giebt,<lb/> deren Seele nicht im Dienste des Geldes und der Maschine erstickt ist. Das<lb/> unterscheidet uns eben von denen, die unsre Gesinnung zu verdächtigen wagen,<lb/> daß wir nie vergessen: auch diese gehören zu uns, auch diese macheu das<lb/> Reich aus. Würden sie zermalmt, so wäre unser Fundament zerstört. Ein<lb/> Reich ohne hoffnuugsfreudiges Volk, ohne Band und Vertrauen zwischen<lb/> diesem Volte und seinem Fürsten, ist das denkbar, kann das bestehen? Wir<lb/> nennen den einen Patrioten, der es als seine Pflicht erkennt und seine ganze<lb/> Kraft daran setzt, darauf hinzuwirken, daß es klar sei zwischen Fürst und Volt.<lb/> Unser Kaiser muß wissen, was dem Volke not thut, und unser Volk muß<lb/> das Vertrauen gewinnen, auch in seinen untersten Schichten, er habe ein Herz<lb/> für sein Volk und werde es glorreich weiter führen auf dem Wege seiner<lb/> Väter, aus Nacht zum Licht. Das ist es, was wir anstreben. Gott gebe,<lb/> daß es gelinge.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
Die Angriffe auf die Grenzboten
Es ist ein jämmerliches Schauspiel den Ah Mole — dieses Jahrhunderts!
wenn man sieht, wie es allein der eigne Vorteil ist, was diese Patrioten in
die Gefolgschaft des Fürsten führt. Wir bedauern den Fürsten um dieser Gefolg¬
schaft willen, wir bedauern, daß er sich von ihr vorwärtsdrängen läßt, vom Volke
ab. Es ist uns leid als alten Bismarckianern und den treuesten Bismarckiancrn,
es auszusprechen, aber wir sagen es: daß wir uns für bismarckisch halten
mehr als jeden, der jetzt auf seinen Namen pocht, wenn wir uns seitab stellen
von seinen Leuten. Eins steht uns eben höher als alles andre, als alte
Liebe und altes Vasallentum, das sind Kaiser und Reich.
Und unter dem Reiche verstehen wir nicht die allein, die auf seiner Höhe
stehen, sondern das ganze Volk, und wir halten es für einen vaterlands¬
verräterischen Frevel, wie von den Sozialdemokraten, so von deuen oben, wenn
sie in dieses Volk eine Zweiheit, wenn sie es mit seinem Kaiser in Zwiespalt
zu bringen suchen.
Deshalb, weil wir die Liebe zum Vaterlande so tief fassen, daß wir für
unsers ganzen Volkes Wohl erglühen, ihm in allen seinen Schichten die freie
Entwicklung seiner herrlichen Gaben wahren wollen, möchten uns die mit
den Vaterlandslosen zusammenwerfen, die nur die Schicht, die Klasse, die
Clique lieben, der sie angehören. Weil wir die Deutschen weder mammonistisch
entarten uoch proletarisch verkommen lassen wollen, erregt unsre Sprache die
Furcht und den Haß derer, die den Patriotismus nur für die Reichen und
Gebildete» in Anspruch nehmen möchten. Sie erschrecken vor jedem freien
Wort aus der Tiefe herauf, wir aber halten uns für gute Deutsche und
Christen, wenn wir uns darüber freuen, daß es auch dort unten noch Leute giebt,
deren Seele nicht im Dienste des Geldes und der Maschine erstickt ist. Das
unterscheidet uns eben von denen, die unsre Gesinnung zu verdächtigen wagen,
daß wir nie vergessen: auch diese gehören zu uns, auch diese macheu das
Reich aus. Würden sie zermalmt, so wäre unser Fundament zerstört. Ein
Reich ohne hoffnuugsfreudiges Volk, ohne Band und Vertrauen zwischen
diesem Volte und seinem Fürsten, ist das denkbar, kann das bestehen? Wir
nennen den einen Patrioten, der es als seine Pflicht erkennt und seine ganze
Kraft daran setzt, darauf hinzuwirken, daß es klar sei zwischen Fürst und Volt.
Unser Kaiser muß wissen, was dem Volke not thut, und unser Volk muß
das Vertrauen gewinnen, auch in seinen untersten Schichten, er habe ein Herz
für sein Volk und werde es glorreich weiter führen auf dem Wege seiner
Väter, aus Nacht zum Licht. Das ist es, was wir anstreben. Gott gebe,
daß es gelinge.
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