Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Amist und Polizei stichkabinetts diese Einmischung in seine amtliche Thätigkeit geboten hatte, spielte Der Brunnen Gasteigers war dem Magistrat der Stadt München offen¬ Das war ja nun an sich schon nicht sehr schön, aber das dicke Ende Amist und Polizei stichkabinetts diese Einmischung in seine amtliche Thätigkeit geboten hatte, spielte Der Brunnen Gasteigers war dem Magistrat der Stadt München offen¬ Das war ja nun an sich schon nicht sehr schön, aber das dicke Ende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221210"/> <fw type="header" place="top"> Amist und Polizei</fw><lb/> <p xml:id="ID_692" prev="#ID_691"> stichkabinetts diese Einmischung in seine amtliche Thätigkeit geboten hatte, spielte<lb/> sich bei dem Bildhauer Gasteiger eine ähnliche Szene ab. Herr Gasteiger war<lb/> so unvorsichtig gewesen, der Stadt München einen reizenden Brunnen zu<lb/> schenken, der auf einer der letzten Glaspalastausstellungen Gegenstand allgemeiner<lb/> Bewunderung gewesen war. Das Schenken eines Brunnens ist bekanntlich<lb/> seit einiger Zeit gefährlich; bei diesem Brunnen aber war die Gefahr ganz<lb/> besonders groß. Ein etwa zehnjähriger Knabe hält mit der einen Hand<lb/> die Brnmienvfsnuug zu und wird zur Strafe dafür von dem dicken Satyr,<lb/> der die Krönung des Vrunnenpfostens bildet, mit einem Wasserstrahl aus<lb/> seinen dick aufgeblasenen Backen überschüttet — ein reizendes Motiv, dem eine<lb/> echte Brunnenidee zu Grnnde liegt, viel schöner als der langweilige Hilde-<lb/> brcmdsche Brunnen, dessen Urheber die Bewohner der Stadt München kürz¬<lb/> lich dadurch in Alarm versetzte, daß er die öden Marmorgruppen, die zu<lb/> seiner Verzierung dienen, über Nacht durch einen Anstrich mit Tabakscmee<lb/> etwas pikanter zu machen suchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_693"> Der Brunnen Gasteigers war dem Magistrat der Stadt München offen¬<lb/> bar sehr ungelegen gekommen. Denn man brauchte nicht weniger als andert¬<lb/> halb Jahre(!), um einen Platz für dieses reizende Kunstwerk zu finden.<lb/> Schließlich fand man einen an einer Stelle des Karlsplatzes, wo der 6van8<lb/> looi von Rechts wegen nur ein NannÄcön xi« hätte sein dürfen: im<lb/> Gebüsch hinter einer bekannten Anstalt wurde er aufgestellt. Bei dieser<lb/> Gelegenheit soll Herr Gasteiger ganz besonders geehrt worden sein. Es<lb/> heißt, daß er dem städtischen Ingenieur aus Freude über die endliche Auf¬<lb/> stellung des Brunnens ein Frühstück mit Sekt poniren durfte, wobei ein<lb/> Glas als Zeichen der Dankbarkeit auf das Wohl des ehrsamen Magistrats<lb/> geleert wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_694" next="#ID_695"> Das war ja nun an sich schon nicht sehr schön, aber das dicke Ende<lb/> kommt noch nach. Eines schönen Tages, eben am Tage nach der ministeriellen<lb/> Razzia im Kupferstichkabinett, kommt der Polizeipräsident der Haupt- und<lb/> Residenzstadt des Königreichs Baiern zu Herrn Gasteiger ins Atelier und er¬<lb/> öffnet dein erstaunten Bildhauer, daß die Nacktheit des zehnjährigen „Buberl"<lb/> an seinem Brunnen allgemeinen Anstoß erregt habe. Ein zehnjähriger Junge,<lb/> auf offner Straße splitternackt, es war ja auch unerhört! Wie konnte man<lb/> wagen, so etwas Unanständiges überhaupt aufzustellen! Der Brunnen stand<lb/> freilich so versteckt, daß ihn nur die fanden, die schon etwas von seinem Dasein<lb/> wußten. Und man konnte billig fragen, ob diese Aufstellung überhaupt noch<lb/> als eine öffentliche anzusehen sei. Jedenfalls mußten sich die Beschauer erinnern,<lb/> daß es in vielen Städten der verschiedensten Länder Brunnen mit nackten<lb/> Figuren giebt, die nicht nur Wasser aus einer Brunnenröhre oder ans dem<lb/> Munde spritzen lassen, sondern sich dazu sogar weniger anständiger Körper¬<lb/> teile bedienen (vergl. Brüssel und Augsburg). Sie mußten ferner wissen, daß nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Amist und Polizei
stichkabinetts diese Einmischung in seine amtliche Thätigkeit geboten hatte, spielte
sich bei dem Bildhauer Gasteiger eine ähnliche Szene ab. Herr Gasteiger war
so unvorsichtig gewesen, der Stadt München einen reizenden Brunnen zu
schenken, der auf einer der letzten Glaspalastausstellungen Gegenstand allgemeiner
Bewunderung gewesen war. Das Schenken eines Brunnens ist bekanntlich
seit einiger Zeit gefährlich; bei diesem Brunnen aber war die Gefahr ganz
besonders groß. Ein etwa zehnjähriger Knabe hält mit der einen Hand
die Brnmienvfsnuug zu und wird zur Strafe dafür von dem dicken Satyr,
der die Krönung des Vrunnenpfostens bildet, mit einem Wasserstrahl aus
seinen dick aufgeblasenen Backen überschüttet — ein reizendes Motiv, dem eine
echte Brunnenidee zu Grnnde liegt, viel schöner als der langweilige Hilde-
brcmdsche Brunnen, dessen Urheber die Bewohner der Stadt München kürz¬
lich dadurch in Alarm versetzte, daß er die öden Marmorgruppen, die zu
seiner Verzierung dienen, über Nacht durch einen Anstrich mit Tabakscmee
etwas pikanter zu machen suchte.
Der Brunnen Gasteigers war dem Magistrat der Stadt München offen¬
bar sehr ungelegen gekommen. Denn man brauchte nicht weniger als andert¬
halb Jahre(!), um einen Platz für dieses reizende Kunstwerk zu finden.
Schließlich fand man einen an einer Stelle des Karlsplatzes, wo der 6van8
looi von Rechts wegen nur ein NannÄcön xi« hätte sein dürfen: im
Gebüsch hinter einer bekannten Anstalt wurde er aufgestellt. Bei dieser
Gelegenheit soll Herr Gasteiger ganz besonders geehrt worden sein. Es
heißt, daß er dem städtischen Ingenieur aus Freude über die endliche Auf¬
stellung des Brunnens ein Frühstück mit Sekt poniren durfte, wobei ein
Glas als Zeichen der Dankbarkeit auf das Wohl des ehrsamen Magistrats
geleert wurde.
Das war ja nun an sich schon nicht sehr schön, aber das dicke Ende
kommt noch nach. Eines schönen Tages, eben am Tage nach der ministeriellen
Razzia im Kupferstichkabinett, kommt der Polizeipräsident der Haupt- und
Residenzstadt des Königreichs Baiern zu Herrn Gasteiger ins Atelier und er¬
öffnet dein erstaunten Bildhauer, daß die Nacktheit des zehnjährigen „Buberl"
an seinem Brunnen allgemeinen Anstoß erregt habe. Ein zehnjähriger Junge,
auf offner Straße splitternackt, es war ja auch unerhört! Wie konnte man
wagen, so etwas Unanständiges überhaupt aufzustellen! Der Brunnen stand
freilich so versteckt, daß ihn nur die fanden, die schon etwas von seinem Dasein
wußten. Und man konnte billig fragen, ob diese Aufstellung überhaupt noch
als eine öffentliche anzusehen sei. Jedenfalls mußten sich die Beschauer erinnern,
daß es in vielen Städten der verschiedensten Länder Brunnen mit nackten
Figuren giebt, die nicht nur Wasser aus einer Brunnenröhre oder ans dem
Munde spritzen lassen, sondern sich dazu sogar weniger anständiger Körper¬
teile bedienen (vergl. Brüssel und Augsburg). Sie mußten ferner wissen, daß nicht
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