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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Eine englische Bürgerkunde

völkerung leidenden Deutschen wie ein letzter Mahnruf in die Ohren dröhnen,
an diesem Wettlauf sich mit rücksichtslosem Gebrauch der Ellbogen zu be¬
teiligen. Wir hatten bis vor fünfundzwanzig Jahren die traurige Entschul¬
digung staatlicher Zerrissenheit für uns. Lassen wir uns von unsern Enkeln
nicht den Vorwurf machen, daß wir, auch nachdem wir eine große Nation
geworden waren, über kleinlichen innern Sorgen und elendem Partcihader die
letzte Gelegenheit zum entschlossenen Handeln verpaßt haben.

Maldens Buch klingt aus in einen stolzen Panegyrikus auf das Empire,
das englische Weltreich, ein Reich, wie es die Welt noch nicht gesehen habe,
und desgleichen sie nie wieder sehen werde. Er streift auch den Plan der
Imperialisten, die Kolonien mit dem englischen Mutterland in eine engere poli¬
tische Verbindung zu bringen, die vermutlich bei den Dienstzweigen des Ver¬
kehrs und der Flotte beginnen und vielleicht künftig einmal zu einer' Umge¬
staltung des Hanfes der Lords in eine Kammer von Vertretern des Gesamt¬
reiches führen werde. Das eng zusammengeschlossene englische Weltreich wird
eine einzige gewaltige Friedensgesellschaft bilden, die selbst niemand angreife",
an der sich aber auch niemand zu vergreifen wagen wird. Der Engländer,
der Kanadier, der Australier, selbst der Bürger der Vereinigten Staaten haben
heute viel mehr mit einander gemein als der Engländer, der Schotte und der
Jrlünder unter der Herrschaft Jakobs des Ersten. "Mag einst das größte
dieser ausgedehnten Lander dann England und seine Kolonien heißen. Wenn wir
bemüht bleiben, die Eigenart unsers nationalen Lebens festzuhalten, sie aus¬
zubreiten und zu vervollkommnen, so wissen wir, daß wir arbeiten nicht für
eine blinde Vermehrung unsrer Macht, nicht für eiteln Ruhm, nicht für Geld
und Gut, souderu für die Sache der Ordnung, des Gesetzes, der Freiheit, für
die Sache der Menschheit und -- möge er uns segnen und leiten -- für die
Sache Gottes. Fangen wir damit zu Hanse an, seien wir bessere Väter, bessere
Gatten, bessere Kinder, und wir werden auch bessere Engländer sein. I" dem
kleinen teuer" Winkel unsers eignen Heims saugen die Wurzeln ihre Kraft,
die el" Reich erstarke" lasse", über dem die Sonne niemals untergeht, und
über das sie immer scheinen soll, bis der Lauf der vorüberrollenden Jahr¬
hunderte von nnserm Lande nnr noch eine Erinnerung übrig lassen wird."
Zu diesen schönen Worten ließen sich ja vom Standpunkte der andern Nationen
mancherlei Anmerkungen machen. Jedenfalls verdiene" sie, daß von den deut¬
schen Staatsmännern und von allen Deutschen recht ernsthaft darüber nach¬
gedacht werde.


Georg Hoffmann


Eine englische Bürgerkunde

völkerung leidenden Deutschen wie ein letzter Mahnruf in die Ohren dröhnen,
an diesem Wettlauf sich mit rücksichtslosem Gebrauch der Ellbogen zu be¬
teiligen. Wir hatten bis vor fünfundzwanzig Jahren die traurige Entschul¬
digung staatlicher Zerrissenheit für uns. Lassen wir uns von unsern Enkeln
nicht den Vorwurf machen, daß wir, auch nachdem wir eine große Nation
geworden waren, über kleinlichen innern Sorgen und elendem Partcihader die
letzte Gelegenheit zum entschlossenen Handeln verpaßt haben.

Maldens Buch klingt aus in einen stolzen Panegyrikus auf das Empire,
das englische Weltreich, ein Reich, wie es die Welt noch nicht gesehen habe,
und desgleichen sie nie wieder sehen werde. Er streift auch den Plan der
Imperialisten, die Kolonien mit dem englischen Mutterland in eine engere poli¬
tische Verbindung zu bringen, die vermutlich bei den Dienstzweigen des Ver¬
kehrs und der Flotte beginnen und vielleicht künftig einmal zu einer' Umge¬
staltung des Hanfes der Lords in eine Kammer von Vertretern des Gesamt¬
reiches führen werde. Das eng zusammengeschlossene englische Weltreich wird
eine einzige gewaltige Friedensgesellschaft bilden, die selbst niemand angreife»,
an der sich aber auch niemand zu vergreifen wagen wird. Der Engländer,
der Kanadier, der Australier, selbst der Bürger der Vereinigten Staaten haben
heute viel mehr mit einander gemein als der Engländer, der Schotte und der
Jrlünder unter der Herrschaft Jakobs des Ersten. „Mag einst das größte
dieser ausgedehnten Lander dann England und seine Kolonien heißen. Wenn wir
bemüht bleiben, die Eigenart unsers nationalen Lebens festzuhalten, sie aus¬
zubreiten und zu vervollkommnen, so wissen wir, daß wir arbeiten nicht für
eine blinde Vermehrung unsrer Macht, nicht für eiteln Ruhm, nicht für Geld
und Gut, souderu für die Sache der Ordnung, des Gesetzes, der Freiheit, für
die Sache der Menschheit und — möge er uns segnen und leiten — für die
Sache Gottes. Fangen wir damit zu Hanse an, seien wir bessere Väter, bessere
Gatten, bessere Kinder, und wir werden auch bessere Engländer sein. I» dem
kleinen teuer» Winkel unsers eignen Heims saugen die Wurzeln ihre Kraft,
die el» Reich erstarke» lasse», über dem die Sonne niemals untergeht, und
über das sie immer scheinen soll, bis der Lauf der vorüberrollenden Jahr¬
hunderte von nnserm Lande nnr noch eine Erinnerung übrig lassen wird."
Zu diesen schönen Worten ließen sich ja vom Standpunkte der andern Nationen
mancherlei Anmerkungen machen. Jedenfalls verdiene» sie, daß von den deut¬
schen Staatsmännern und von allen Deutschen recht ernsthaft darüber nach¬
gedacht werde.


Georg Hoffmann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/224>, abgerufen am 24.07.2024.