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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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sein Vaterland, der die einzelnen Volksklassen zusanunenbringt, nicht der Zwie¬
tracht unter ihnen sät."

In der sozialen Frage äußert sich Matten mit einiger Zurückhaltung
und nicht ganz frei von inauchesterlichen Anschauungen. Er erwartet auch
hier alles Heil vom Selfgovernment, das auf englischem Boden in der ge¬
waltigen Ausdehnung der freiwilligen Organisationen fast noch mehr leiste
als in der parlamentarischen Regierungsweise. In andern Ländern sei zwar
dnrch das Gesetz ein gewisses Maß von Selbstverwaltung geschaffen worden,
aber die Überlieferungen der Vergangenheit verleiteten die Völker, noch immer
von den Regierungen zu erwarten, daß sie beinahe alles für sie thun sollte".
Er hält die Trabes Unious im allgemeinen für eine wohlthätige Einrichtung
und rät den Unternehmern wie den Arbeitern dringend, ihre gegenseitige"
Vereinigungen als völlig gleichberechtigt anzuerkennen. Die Streiks sind an
und für sich eine vollkommen gesetzliche Maßregel. Ob es wohlgethan sei,
sie ins Werk zu setzen oder uicht, das müsse" die Veranstalter selbst z" ent¬
scheiden wissen. Jedenfalls ist aber der Streik eine Art von Kriegszustand
und als solcher stets ein Übel für das ganze Land. Der Zwang und die Ein¬
schüchterung gegenüber denen, die am Streik nicht teilnehmen wollen, wird
auch von Matte" lebhaft verurteilt. Er rät deu Arbeiter", sich n" der Leitung
der Unionen, denen sie sich einmal angeschlossen haben, eifrig zu beteiligen
und sie nicht in die Hände einzelner geraten zu lassen, die dabei persönliche
Interessen verfolgen. Er bestreitet grundsätzlich die Verpflichtung des Staats,
den einzelnen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft durch staatliche Maßnahme"
zu helfen. Immerhin habe er das Recht, schädliche und gefährliche Arbeit zu
regeln und die Arbeitszeit der Frauen und Kinder eiuzuschräuke". Wolle mau
weitergehen und auch die Arbeitszeit der erwachsene" mämilichen Arbeiter
durch das Gesetz ordnen, so sei eine schädliche Wirkung auf die persönliche
Freiheit und auf den Grundsatz der Gewerbefreiheit zu befürchten. Für die
Beschäftigung der Arbeitslosen zu sorge", könne niemals Sache des Staats
sei". A"f den Gedanke" einer staatliche" Versicherung für die Arbeitslosen
kommt Matten überhaupt nicht, ebensowenig auf staatliche Kranken-, Uufall-
uud Altersversicheruiig. Außer einer gute" innern und äußern Politik, die
von selbst dem Gedeihen des Gewerbes zu statten kommen werde, könne der
Staat nnr noch für Arbeitsnachweise sorgen, die sich freilich seit der Vervoll¬
kommnung der Verkehrsmittel nicht mehr auf die britische" Insel" beschränke"
dürfte". "Unsre wohlhabende" und mittler" Klasse" sende" ihre Söhne i"
immer wachsender Zahl nach den dünn bevölkerten Kolonie", und die eng¬
lische" Arbeiter werden allmählich auch empfänglicher für die Wahrheit werde",
daß die besten Teile der Welt das Erbteil derer von ""srer Rasse sind, die
kühn genug sind, zuzugreifen."

Wahrlich, solche Worte sollte" den uuter alleu Erscheinungen der Über-


sein Vaterland, der die einzelnen Volksklassen zusanunenbringt, nicht der Zwie¬
tracht unter ihnen sät."

In der sozialen Frage äußert sich Matten mit einiger Zurückhaltung
und nicht ganz frei von inauchesterlichen Anschauungen. Er erwartet auch
hier alles Heil vom Selfgovernment, das auf englischem Boden in der ge¬
waltigen Ausdehnung der freiwilligen Organisationen fast noch mehr leiste
als in der parlamentarischen Regierungsweise. In andern Ländern sei zwar
dnrch das Gesetz ein gewisses Maß von Selbstverwaltung geschaffen worden,
aber die Überlieferungen der Vergangenheit verleiteten die Völker, noch immer
von den Regierungen zu erwarten, daß sie beinahe alles für sie thun sollte».
Er hält die Trabes Unious im allgemeinen für eine wohlthätige Einrichtung
und rät den Unternehmern wie den Arbeitern dringend, ihre gegenseitige»
Vereinigungen als völlig gleichberechtigt anzuerkennen. Die Streiks sind an
und für sich eine vollkommen gesetzliche Maßregel. Ob es wohlgethan sei,
sie ins Werk zu setzen oder uicht, das müsse» die Veranstalter selbst z» ent¬
scheiden wissen. Jedenfalls ist aber der Streik eine Art von Kriegszustand
und als solcher stets ein Übel für das ganze Land. Der Zwang und die Ein¬
schüchterung gegenüber denen, die am Streik nicht teilnehmen wollen, wird
auch von Matte» lebhaft verurteilt. Er rät deu Arbeiter», sich n» der Leitung
der Unionen, denen sie sich einmal angeschlossen haben, eifrig zu beteiligen
und sie nicht in die Hände einzelner geraten zu lassen, die dabei persönliche
Interessen verfolgen. Er bestreitet grundsätzlich die Verpflichtung des Staats,
den einzelnen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft durch staatliche Maßnahme»
zu helfen. Immerhin habe er das Recht, schädliche und gefährliche Arbeit zu
regeln und die Arbeitszeit der Frauen und Kinder eiuzuschräuke». Wolle mau
weitergehen und auch die Arbeitszeit der erwachsene» mämilichen Arbeiter
durch das Gesetz ordnen, so sei eine schädliche Wirkung auf die persönliche
Freiheit und auf den Grundsatz der Gewerbefreiheit zu befürchten. Für die
Beschäftigung der Arbeitslosen zu sorge», könne niemals Sache des Staats
sei». A»f den Gedanke» einer staatliche» Versicherung für die Arbeitslosen
kommt Matten überhaupt nicht, ebensowenig auf staatliche Kranken-, Uufall-
uud Altersversicheruiig. Außer einer gute» innern und äußern Politik, die
von selbst dem Gedeihen des Gewerbes zu statten kommen werde, könne der
Staat nnr noch für Arbeitsnachweise sorgen, die sich freilich seit der Vervoll¬
kommnung der Verkehrsmittel nicht mehr auf die britische» Insel» beschränke»
dürfte». „Unsre wohlhabende» und mittler» Klasse» sende» ihre Söhne i»
immer wachsender Zahl nach den dünn bevölkerten Kolonie», und die eng¬
lische» Arbeiter werden allmählich auch empfänglicher für die Wahrheit werde»,
daß die besten Teile der Welt das Erbteil derer von »»srer Rasse sind, die
kühn genug sind, zuzugreifen."

Wahrlich, solche Worte sollte» den uuter alleu Erscheinungen der Über-


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[0223] sein Vaterland, der die einzelnen Volksklassen zusanunenbringt, nicht der Zwie¬ tracht unter ihnen sät." In der sozialen Frage äußert sich Matten mit einiger Zurückhaltung und nicht ganz frei von inauchesterlichen Anschauungen. Er erwartet auch hier alles Heil vom Selfgovernment, das auf englischem Boden in der ge¬ waltigen Ausdehnung der freiwilligen Organisationen fast noch mehr leiste als in der parlamentarischen Regierungsweise. In andern Ländern sei zwar dnrch das Gesetz ein gewisses Maß von Selbstverwaltung geschaffen worden, aber die Überlieferungen der Vergangenheit verleiteten die Völker, noch immer von den Regierungen zu erwarten, daß sie beinahe alles für sie thun sollte». Er hält die Trabes Unious im allgemeinen für eine wohlthätige Einrichtung und rät den Unternehmern wie den Arbeitern dringend, ihre gegenseitige» Vereinigungen als völlig gleichberechtigt anzuerkennen. Die Streiks sind an und für sich eine vollkommen gesetzliche Maßregel. Ob es wohlgethan sei, sie ins Werk zu setzen oder uicht, das müsse» die Veranstalter selbst z» ent¬ scheiden wissen. Jedenfalls ist aber der Streik eine Art von Kriegszustand und als solcher stets ein Übel für das ganze Land. Der Zwang und die Ein¬ schüchterung gegenüber denen, die am Streik nicht teilnehmen wollen, wird auch von Matte» lebhaft verurteilt. Er rät deu Arbeiter», sich n» der Leitung der Unionen, denen sie sich einmal angeschlossen haben, eifrig zu beteiligen und sie nicht in die Hände einzelner geraten zu lassen, die dabei persönliche Interessen verfolgen. Er bestreitet grundsätzlich die Verpflichtung des Staats, den einzelnen Gliedern der bürgerlichen Gesellschaft durch staatliche Maßnahme» zu helfen. Immerhin habe er das Recht, schädliche und gefährliche Arbeit zu regeln und die Arbeitszeit der Frauen und Kinder eiuzuschräuke». Wolle mau weitergehen und auch die Arbeitszeit der erwachsene» mämilichen Arbeiter durch das Gesetz ordnen, so sei eine schädliche Wirkung auf die persönliche Freiheit und auf den Grundsatz der Gewerbefreiheit zu befürchten. Für die Beschäftigung der Arbeitslosen zu sorge», könne niemals Sache des Staats sei». A»f den Gedanke» einer staatliche» Versicherung für die Arbeitslosen kommt Matten überhaupt nicht, ebensowenig auf staatliche Kranken-, Uufall- uud Altersversicheruiig. Außer einer gute» innern und äußern Politik, die von selbst dem Gedeihen des Gewerbes zu statten kommen werde, könne der Staat nnr noch für Arbeitsnachweise sorgen, die sich freilich seit der Vervoll¬ kommnung der Verkehrsmittel nicht mehr auf die britische» Insel» beschränke» dürfte». „Unsre wohlhabende» und mittler» Klasse» sende» ihre Söhne i» immer wachsender Zahl nach den dünn bevölkerten Kolonie», und die eng¬ lische» Arbeiter werden allmählich auch empfänglicher für die Wahrheit werde», daß die besten Teile der Welt das Erbteil derer von »»srer Rasse sind, die kühn genug sind, zuzugreifen." Wahrlich, solche Worte sollte» den uuter alleu Erscheinungen der Über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/223>, abgerufen am 24.07.2024.