Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Was verlangen wir von einem bürgerliche" Gesetzbuch? Kritik berechtigt sind, jene Gegenentwürfe vor dem der Regierungen den Die nachfolgenden Ausführungen haben nnr den Zweck, einige Gesichts¬ 2. Die Aufgabe der Gesetzgebung Als Zweck der in Angriff genommnen Gesetzgebungsarbeit bezeichnen die Was verlangen wir von einem bürgerliche» Gesetzbuch? Kritik berechtigt sind, jene Gegenentwürfe vor dem der Regierungen den Die nachfolgenden Ausführungen haben nnr den Zweck, einige Gesichts¬ 2. Die Aufgabe der Gesetzgebung Als Zweck der in Angriff genommnen Gesetzgebungsarbeit bezeichnen die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221189"/> <fw type="header" place="top"> Was verlangen wir von einem bürgerliche» Gesetzbuch?</fw><lb/> <p xml:id="ID_640" prev="#ID_639"> Kritik berechtigt sind, jene Gegenentwürfe vor dem der Regierungen den<lb/> Vorzug verdienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_641"> Die nachfolgenden Ausführungen haben nnr den Zweck, einige Gesichts¬<lb/> punkte hervorzuheben, von denen aus der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs<lb/> für das deutsche Reich betrachtet werden muß, wenn er daraufhin geprüft wird,<lb/> ob er zum Gesetz erhoben werden solle oder nicht. Damit werden zugleich<lb/> einige Merkmale dargestellt werden, an denen die Güte eines Gesetzbuchs über¬<lb/> haupt erkannt werden kann. Die Nutzanwendung auf den vorliegenden Ent-<lb/> wurf zu machen, lehnen diese Erörterungen ab. Das soll denen überlassen<lb/> bleiben, die dazu berufen sind, die Entscheidung zu fallen. Es soll nur ge¬<lb/> zeigt werden, was vou einem deutschen bürgerlichen Gesetzbuche verlangt<lb/> werden muß, nicht, ob der Entwurf dieses Verlangen befriedigt oder nicht.<lb/> Diese Ausführungen wollen nur fragen, nicht kritistren.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 2. Die Aufgabe der Gesetzgebung</head><lb/> <p xml:id="ID_642" next="#ID_643"> Als Zweck der in Angriff genommnen Gesetzgebungsarbeit bezeichnen die<lb/> Motive zum Entwurf die Schaffung eines einheitlichen deutschen bürgerlichen<lb/> Rechts. Schon hierin liegt ausgesprochen, daß die Arbeit nicht lediglich eine<lb/> Kodifikation des bestehenden Rechts sein kann. Diese wäre möglich, ivenu es<lb/> sich darum handelte, bereits geltendes gemeines, ungesetztes Recht (Gewohnheits¬<lb/> recht) in Gesetzesrecht zu verwandeln oder mit bereits geltenden besondern<lb/> Reichsgesetzen in ein einziges zu vereinigen. Das war z. B. die Aufgabe des<lb/> sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs. Aber bei dem in Deutschland herrschenden<lb/> Rechtszustande verbietet sich das von selbst. Hier schließt die Verschiedenheit<lb/> der geltenden Gewohnheits- und Gesetzrechte über dieselben Gegenstände von<lb/> vornherein aus, daß sich der Gesetzgeber des Reichs nur rechtsfixirend ver¬<lb/> halte. Die Kodifikation könnte sich ja allerdings, wenn sie dies wollte, darauf<lb/> beschränken, das trotz der Mannichfaltigkeit gleichwohl vorhandne Gemein¬<lb/> same in den verschiednen Partikularrechten zusammenzufassen. Dann wäre sie<lb/> aber nicht die Kodifikation des gesamten deutschen Privatrechts, die sie sein<lb/> will, sondern nur eine Teilkodifikatiou uach Art der Landrechte des sechzehnten<lb/> und siebzehnten Jahrhunderts. Somit ist, und sicher zu seinem Heile, der<lb/> Gesetzgeber gezwungen, nicht nur eine Arbeit zu liefern, die die bestehenden<lb/> Rechte einfach aufnimmt und zusammenfaßt, sondern selbst schöpferisch thätig zu<lb/> sein. Denn wenn er bei vorhandner Verschiedenheit des Rechts dem gesamten<lb/> Volk ein einheitliches Recht bieten will, so muß er ein neues Recht aus den<lb/> verschiednen Einzelrechten schaffen, es sei denn, daß er einfach eines der be¬<lb/> stehenden Landesrechte, etwa das preußische Landrecht oder das sächsische bürger¬<lb/> liche Gesetzbuch, kraft seiner stärkern Autorität auf das ganze Reich ausdehnte.<lb/> Hiermit hat aber der Gesetzgeber die Freiheit gewonnen, die ihm zur Voll-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Was verlangen wir von einem bürgerliche» Gesetzbuch?
Kritik berechtigt sind, jene Gegenentwürfe vor dem der Regierungen den
Vorzug verdienen.
Die nachfolgenden Ausführungen haben nnr den Zweck, einige Gesichts¬
punkte hervorzuheben, von denen aus der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuchs
für das deutsche Reich betrachtet werden muß, wenn er daraufhin geprüft wird,
ob er zum Gesetz erhoben werden solle oder nicht. Damit werden zugleich
einige Merkmale dargestellt werden, an denen die Güte eines Gesetzbuchs über¬
haupt erkannt werden kann. Die Nutzanwendung auf den vorliegenden Ent-
wurf zu machen, lehnen diese Erörterungen ab. Das soll denen überlassen
bleiben, die dazu berufen sind, die Entscheidung zu fallen. Es soll nur ge¬
zeigt werden, was vou einem deutschen bürgerlichen Gesetzbuche verlangt
werden muß, nicht, ob der Entwurf dieses Verlangen befriedigt oder nicht.
Diese Ausführungen wollen nur fragen, nicht kritistren.
2. Die Aufgabe der Gesetzgebung
Als Zweck der in Angriff genommnen Gesetzgebungsarbeit bezeichnen die
Motive zum Entwurf die Schaffung eines einheitlichen deutschen bürgerlichen
Rechts. Schon hierin liegt ausgesprochen, daß die Arbeit nicht lediglich eine
Kodifikation des bestehenden Rechts sein kann. Diese wäre möglich, ivenu es
sich darum handelte, bereits geltendes gemeines, ungesetztes Recht (Gewohnheits¬
recht) in Gesetzesrecht zu verwandeln oder mit bereits geltenden besondern
Reichsgesetzen in ein einziges zu vereinigen. Das war z. B. die Aufgabe des
sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs. Aber bei dem in Deutschland herrschenden
Rechtszustande verbietet sich das von selbst. Hier schließt die Verschiedenheit
der geltenden Gewohnheits- und Gesetzrechte über dieselben Gegenstände von
vornherein aus, daß sich der Gesetzgeber des Reichs nur rechtsfixirend ver¬
halte. Die Kodifikation könnte sich ja allerdings, wenn sie dies wollte, darauf
beschränken, das trotz der Mannichfaltigkeit gleichwohl vorhandne Gemein¬
same in den verschiednen Partikularrechten zusammenzufassen. Dann wäre sie
aber nicht die Kodifikation des gesamten deutschen Privatrechts, die sie sein
will, sondern nur eine Teilkodifikatiou uach Art der Landrechte des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts. Somit ist, und sicher zu seinem Heile, der
Gesetzgeber gezwungen, nicht nur eine Arbeit zu liefern, die die bestehenden
Rechte einfach aufnimmt und zusammenfaßt, sondern selbst schöpferisch thätig zu
sein. Denn wenn er bei vorhandner Verschiedenheit des Rechts dem gesamten
Volk ein einheitliches Recht bieten will, so muß er ein neues Recht aus den
verschiednen Einzelrechten schaffen, es sei denn, daß er einfach eines der be¬
stehenden Landesrechte, etwa das preußische Landrecht oder das sächsische bürger¬
liche Gesetzbuch, kraft seiner stärkern Autorität auf das ganze Reich ausdehnte.
Hiermit hat aber der Gesetzgeber die Freiheit gewonnen, die ihm zur Voll-
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